Urteil des BVerwG vom 22.05.2003

Gleichwertigkeit, Fhg, Betriebswirtschaft, Privatschule

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BESCHLUSS
BVerwG 6 B 30.03
VGH 9 S 1058/01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Mai 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. G e r h a r d t und
V o r m e i e r
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nicht-
zulassung der Revision in dem Urteil des Ver-
waltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom
4. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne
von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob
Absolventen einer staatlich anerkannten Privatschule trotz
fehlender (landes-)gesetzlicher Regelung ein Recht auf Nach-
diplomierung haben, wenn die Privatschulen zu Abschlüssen füh-
ren, die mit denen staatlicher Schulen oder staatlich aner-
kannter Ersatzschulen gleichwertig sind. Die Frage würde sich
in einem Revisionsverfahren nicht stellen und rechtfertigt
deshalb die Zulassung der Revision nicht.
Der revisionsgerichtlichen Beurteilung unterliegt der von dem
Tatsachengericht festgestellte Sachverhalt, soweit er nicht
mit Revisionsrügen erfolgreich angegriffen worden ist (vgl.
§ 137 Abs. 2 VwGO). Dementsprechend rechtfertigt eine Frage
die Zulassung der Revision nicht, die auf tatsächlichen Vo-
raussetzungen beruht, die das Berufungsgericht nicht festge-
stellt und die es demgemäß rechtlich nicht gewürdigt hat. Eine
Rechtsfrage, die sich für das Berufungsgericht nicht gestellt
hat, kann grundsätzlich nicht zur Zulassung der Grundsatzrevi-
sion führen (stRspr; vgl. Beschluss vom 29. Juni 1992
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- BVerwG 3 B 102.91 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 17).
Anderes gilt voraussetzungsgemäß, wenn das Berufungsgericht
Feststellungen in Anwendung von Rechtssätzen unterlassen hat,
die revisionsgerichtlicher Klärung bedürfen.
Das angefochtene Urteil enthält keine dahin gehende Feststel-
lung, dass der vom Kläger an der Akademie für praktische Be-
triebswirtschaft erworbene Abschluss mit demjenigen einer
staatlichen Schule oder einer staatlich anerkannten Ersatz-
schule gleichwertig ist. Damit fehlt es an einer für die auf-
geworfene Frage entscheidenden Voraussetzung.
Darüber hinaus trifft die Annahme der Beschwerde nicht zu,
dass eine gesetzliche Regelung der Nachdiplomierung fehle. Ei-
ne solche liegt vielmehr in § 99 Abs. 2 FHG vor. Daher könnte
sich in einem Revisionsverfahren allenfalls die Frage stellen,
ob diese Vorschrift in der ihr vom Verwaltungsgerichtshof ge-
gebenen Auslegung mit revisiblem Recht, namentlich mit Art. 3
Abs. 1 GG im Einklang steht. Wäre dies nicht der Fall, stünde
nach dem Gesagten der Zulassung der Revision nicht entgegen,
wenn der Verwaltungsgerichtshof in Verkennung dieser Rechtsla-
ge die Feststellung der Gleichwertigkeit des vom Kläger erwor-
benen Schulabschlusses mit staatlichen oder staatlich aner-
kannten Abschlüssen unterlassen hätte.
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich dem Beschwerdevortrag
die angesprochene Frage mit hinreichender Deutlichkeit entneh-
men lässt und ob sie von grundsätzlicher Bedeutung für die
Auslegung von revisiblem Recht ist. Denn jedenfalls begründet
das Beschwerdevorbringen keine solchen Zweifel an der Verein-
barkeit des § 99 Abs. 2 FHG mit Bundesverfassungsrecht, dass
die Durchführung eines Revisionsverfahrens gerechtfertigt wä-
re.
Soweit sich die Beschwerde ohne nähere Erörterung auf Art. 7
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Abs. 4 GG beruft, ist bereits nicht erkennbar, inwiefern der
sachliche Geltungsbereich dieser Verfassungsvorschrift berührt
sein könnte (vgl. BVerfGE 27, 195, 201 f.; 37, 314, 320). Eine
Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG käme al-
lenfalls in Betracht, wenn die Anknüpfung in § 99 Abs. 2 FHG
an den erfolgreichen Abschluss des Studiums an einer Vorgän-
gereinrichtung der Fachhochschulen, wie die Beschwerde sinnge-
mäß meint, allein formaler Art wäre und die Gleichwertigkeit
von Bildungsabschlüssen nicht ausreichend berücksichtigen wür-
de. Dies ist nach den das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 173
VwGO, § 560 ZPO bindenden Ausführungen im angefochtenen Urteil
jedoch nicht der Fall. Danach sind private Ergänzungsschulen,
zu denen die Akademie für praktische Betriebswirtschaft ge-
hört, deshalb keine "Vorgängereinrichtung", weil bei ihnen
nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie - anders als die
privaten Ersatzschulen - von ihrem Bildungsziel und Bildungs-
inhalt her eine staatliche Schule ersetzen und somit dieser
gleichwertig sind (Berufungsurteil S. 8 f.). Der Anknüpfung an
den Studienabschluss an einer Vorgängereinrichtung liegen also
Erwägungen zur (materiellen) Gleichwertigkeit des Ausbildungs-
gangs und damit zugleich des Abschlusses zugrunde.
Der Kläger wendet sich im Kern dagegen, dass die Akademie für
praktische Betriebswirtschaft trotz Gleichwertigkeit von Aus-
bildung und Prüfungsanforderungen mit den staatlichen Schulen
nicht den Status einer genehmigten oder anerkannten Ersatz-
schule erlangt habe, gleichwohl aber in der Öffentlichkeit der
Eindruck der Gleichwertigkeit mit der Höheren Wirtschaftsfach-
schule erzeugt worden sei; der Schutz der Absolventen der Aka-
demie für praktische Betriebswirtschaft gebiete deshalb eine
Nachdiplomierung. Die Beschwerde macht damit sinngemäß gel-
tend, der Verwaltungsgerichtshof hätte es nicht mit der Fest-
stellung bewenden lassen dürfen, dass die Akademie für prakti-
sche Betriebswirtschaft nicht als Ersatzschule genehmigt wor-
den sei. Diese Erwägungen enthalten jedoch keine hinreichende
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Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil und zeigen
keinen Bedarf nach Klärung in einem Revisionsverfahren auf.
Der Verwaltungsgerichtshof weist darauf hin, dass es nicht
Aufgabe des Gerichts sei, im Verfahren der Nachdiplomierung
inzident zu prüfen, ob die vom Kläger in den Jahren 1970 -
1972 besuchte und 1976 eingestellte Privatschule als Ersatz-
schule hätte genehmigt (anerkannt) werden können (Berufungsur-
teil S. 9). Darin kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass die Re-
gelung des § 99 Abs. 2 FHG den Rahmen des gesetzgeberischen
Gestaltungsraums nicht überschreitet (vgl. dazu Beschluss vom
30. Dezember 1988 - BVerwG 7 B 99.88 - Buchholz 421.2 Hoch-
schulrecht Nr. 124 = NVwZ-RR 1989, 370), indem sie über die
Anknüpfung an privatschulrechtliche Tatbestände hinaus eine
materielle Gleichwertigkeitsprüfung nicht vorsieht. Dem Be-
schwerdevorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass eine sol-
che aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten wäre. Insbeson-
dere kann im Hinblick auf die Regelungen des Privatschulgeset-
zes grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, Interessier-
te hätten annehmen dürfen, dass eine Privatschule, die nicht
als Ersatzschule genehmigt oder anerkannt war, zu einem Ab-
schluss führte, der demjenigen einer staatlichen Schule
gleichwertig war. Fehlt es demnach an einer schutzwürdigen
Vertrauensposition, war der Gesetzgeber nicht verpflichtet,
auf Belange der Absolventen von Ergänzungsschulen bei der Re-
gelung der Nachdiplomierung einzugehen.
2. Das angefochtene Urteil weicht auch nicht, wie der Kläger
vorträgt, vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Ju-
ni 1975 - BVerwG 7 C 14.73 - (BVerwGE 48, 305) ab, so dass die
Revision auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen
ist.
Soweit sich die Beschwerde auf eine Abweichung von dem Rechts-
satz beruft, dass es für die Verleihung der Bezeichnung "Inge-
nieur (grad.)" in Hessen keiner gesetzlichen Ermächtigung be-
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darf, liegt eine Abweichung nicht vor, weil sich dieser
Rechtssatz auf eine andere landesrechtliche Rechtslage be-
zieht, die sich im Hinblick auf die gesetzliche Regelung der
Nachdiplomierung in Baden-Württemberg (§ 99 Abs. 2 FHG) von
der seinerzeit zu beurteilenden wesentlich unterscheidet.
Die von der Beschwerde ferner zur Begründung der Divergenz he-
rangezogene Aussage dieser Entscheidung zu Art. 3 Abs. 1 GG
bezieht sich auf die Gleichbehandlung der Abschlussprüfung an
einer staatlich nur g e n e h m i g t e n (Hervorhebung
nur hier) privaten Ingenieurschule mit einer staatlichen Inge-
nieurprüfung an einer öffentlichen oder staatlich anerkannten
privaten Ingenieurschule. Da der Verwaltungsgerichtshof über
die Nachdiplomierung im Falle des Abschlusses der Ausbildung
an einer nicht als Ersatzschule genehmigten Privatschule zu
befinden hatte, ist die erwähnte Aussage nicht einschlägig und
kann nicht zur Grundlage einer Divergenzrüge gemacht werden.
Im Übrigen stützt sich die Beschwerde auf die Bedeutung, die
das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung der
Gleichwertigkeit der Prüfung für die Frage der Nachdiplomie-
rung gegeben hat, und auf die in der genannten Entscheidung
angesprochene Unzulässigkeit der Anknüpfung an formale Merkma-
le. Insoweit bezieht sie sich nicht auf einen divergenzfähigen
Rechtssatz, sondern macht lediglich geltend, dass der Verwal-
tungsgerichtshof die Bedeutung der Gleichwertigkeit der Prü-
fung und die Möglichkeit einer Nachgraduierung auf der Grund-
lage des Art. 3 Abs. 1 GG verkannt habe, indem er sich allein
auf formale Gesichtspunkte gestützt habe. Dies genügt nicht
zur Darlegung einer Abweichung i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 2,
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO (vgl. Beschluss vom 19. August 1997
- BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26
= NJW 1997, 3328). Aus den oben dargelegten Gründen beruhen
die Ausführungen der Beschwerde zudem auf einem unzutreffenden
Verständnis des Berufungsurteils, so dass auch deshalb der Re-
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visionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht gege-
ben ist.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2
VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht
auf § 14 Abs. 1, 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Bardenhewer Gerhardt Vormeier