Urteil des BVerwG vom 15.06.2012

Verfassungsrecht, Gaststätte, Rauchverbot, Bundesverfassung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 3.12
VGH 10 S 2533/09
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Juni 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich und Prof. Dr. Hecker
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 18. Oktober 2011 wird zurück-
gewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Klägerin wendet sich im Wege der Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungs-
gerichtshofs. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hält die Frage für klärungsbedürftig, ob die Verhaltensfreiheit der
Raucher im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Gleichbehandlungsgebot
des Art. 3 Abs. 1 GG dergestalt eingeschränkt werden kann, dass das Rauchen
in den Gaststättenbereichen untersagt werden darf, die in Passagen bzw. Ein-
kaufszentren liegen, welche selbst nicht in den Geltungsbereich des jeweiligen
Nichtraucherschutzes fallen. Die Beschwerde zeigt mit dieser Frage keinen Klä-
rungsbedarf im Hinblick auf revisibles Recht auf.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die
Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung oder Anwendung von Lan-
desrecht die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die
Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab ange-
führten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzli-
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cher Bedeutung aufwirft (vgl. Beschluss vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 7 B
177.89 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277; Beschluss vom 1. September
1992 - BVerwG 11 B 24.92 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 171). Die angebli-
chen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit
im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Ent-
scheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der
Beschwerdebegründung darzulegen (vgl. Beschluss vom 19. Juli 1995
- BVerwG 6 NB 1.95 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104). Wird eine Vorschrift
des Landesrechts - vorliegend § 7 Abs. 1 LNRSchG - als bundesverfassungs-
rechtlich bedenklich angesehen, ist im Einzelnen darzulegen, gegen welche
verfassungsrechtliche Norm verstoßen wird und ob sich bei der Auslegung die-
ser Bestimmung Fragen grundsätzlicher Bedeutung stellen, die sich nicht auf-
grund bisheriger oberstgerichtlicher Rechtsprechung - insbesondere des Bun-
desverwaltungsgerichts - beantworten lassen (vgl. Beschluss vom 25. März
1999 - BVerwG 6 B 16.99). Einer Darlegung dieser Voraussetzungen wird nicht
schon dadurch genügt, dass die maßgebliche landesrechtliche Norm als ver-
fassungsrechtlich bedenklich angesehen wird. Vielmehr ist im Einzelnen darzu-
legen, gegen welche verfassungsrechtlichen Normen verstoßen wird und ob
sich bei der Auslegung dieser Normen alsdann Fragen grundsätzlicher Bedeu-
tung stellen, die sich noch nicht aufgrund bisheriger oberstgerichtlicher Recht-
sprechung - insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts - beantworten las-
sen (Beschluss vom 10. Februar 2004 - BVerwG 6 B 3.04).
Daran fehlt es. Die mit der Grundsatzrüge aufgeworfene Frage betrifft nicht die
Auslegung des bundesverfassungsrechtlichen Grundsatzes der Handlungsfrei-
heit (Art. 2 Abs. 1 GG) i.V.m. dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1
GG), sondern die Vereinbarkeit des nicht revisiblen Landesrechts - in der durch
den Verwaltungsgerichtshof gefundenen Auslegung von § 7 Abs. 1 LNRSchG -
mit den vorgenannten Normen der Bundesverfassung. Eine die Revisionszulas-
sung allein rechtfertigende Frage von grundsätzlicher Bedeutung in Bezug auf
diese Verfassungsnormen ist damit nicht dargelegt worden. Die Prüfung der
rechtmäßigen Anwendung des die Klägerin belastenden Landesrechts ist dem
Revisionsgericht verwehrt.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin gemäß § 154 Abs. 2
VwGO zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m.
§ 52 Abs. 2 GKG.
Neumann
Dr. Graulich
Prof. Dr. Hecker
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Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Polizeirecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
VwGO
§ 42 Abs. 2, § 43 Abs. 1
LNRSchG
§ 7 Abs. 1
Stichworte:
Rauchverbot; Nichtraucherschutz; Gaststätte, Einkaufspassage; Außengastro-
nomie; Handlungsfreiheit; Gleichbehandlung; Grundsatzrüge; Verfassungs-
recht.
Leitsatz:
Die Klägerin als Inhaberin des streitbefangenen Lokals ist nicht gehindert, ihr
negatives Feststellungsinteresse aus einer drohenden Beeinträchtigung von
Rechten ihrer Kunden beim Gaststättenbesuch abzuleiten.
Beschluss des 6. Senats vom 15. Juni 2012 - BVerwG 6 B 3.12
I. VG Karlsruhe vom 29.09.2009 - Az.: VG 11 K 4149/08 -
II. VGH Mannheim vom 18.10.2011 - Az.: VGH 10 S 2533/09 -