Urteil des BVerwG vom 22.01.2015

Qualifikation, Wirt, Kurs, Verordnung

BVerwGE: nein
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Prüfungsrecht, abgesehen von Laufbahnprüfungen für Beamte,
aber einschl. der ersten und zweiten jur. Staatsprüfung
Rechtsquelle/n:
ImmoFachwPrV § 2 Abs. 3
Titelzeile:
Zulassung zur beruflichen Fortbildungsprüfung zum Geprüften
Immobilienfachwirt
Stichwort/e:
Berufliche Fortbildungsprüfung zum Geprüften Immobilienfachwirt;
Zulassungsvoraussetzungen; kein zwingendes Erfordernis
immobilienwirtschaftlicher Berufserfahrungen; berufliche Handlungsfähigkeit.
Leitsatz/-sätze:
Die berufliche Handlungsfähigkeit im Sinne von § 2 Abs. 3 ImmoFachwPrV setzt
nicht zwingend voraus, dass der Zulassungsbewerber Berufserfahrungen im
Bereich der Immobilienwirtschaft gesammelt hat. Ausreichend ist die Teilnahme
an einem längeren Ausbildungskurs zur Vorbereitung auf die Prüfung, sofern der
Zulassungsbewerber nach dem Gesamtbild seiner Qualifikation nicht hinter dem
Niveau der von § 2 Abs. 1 ImmoFachwPrV erfassten Bewerber zurückbleibt.
Beschluss des 6. Senats vom 22. Januar 2015 - BVerwG 6 B 2.15
I. VG Hamburg vom 12. Oktober 2012
Az: VG 2 K 1308/11
II. OVG Hamburg vom 28. Oktober 2014
Az: OVG 3 Bf 245/12
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 2.15
OVG 3 Bf 245/12
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Januar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und Prof. Dr. Hecker
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberver-
waltungsgerichts vom 28. Oktober 2014 wird zurückge-
wiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerde-
verfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin erwarb 1992 nach einem geisteswissenschaftlichen Studium den
Grad eines Magisters. Nach beruflichen Tätigkeiten in einer Unternehmensbe-
ratung, in Werbeunternehmen sowie in einer Eventagentur ist sie seit 2006 im
Bereich der Werbung selbständig tätig. Seit diesem Jahr hat sie auch für Sylter
Immobilien- und Vermietungsunternehmen einzelne marketingorientierte Tätig-
keiten ausgeführt. Von April 2010 bis Oktober 2011 besuchte sie den auf
70 Tage (500 Unterrichtsstunden) veranschlagten Ausbildungskurs „Geprüfte
Immobilienfachwirtin (IHK)“ bei einem Tochterunternehmen der Beklagten. Ih-
ren Antrag auf Zulassung zur Fortbildungsprüfung „Geprüfte Immobilienfachwir-
tin“ lehnte die Beklagte ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne
Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat das Begehren der Klägerin, die Beklagte zur Zulas-
sung zur genannten Prüfung zu verpflichten, abgewiesen. Das Oberverwal-
tungsgericht hat dem Begehren stattgegeben. Die in § 2 Abs. 3 der Verordnung
über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Immobilienfach-
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wirt/Geprüfte Immobilienfachwirtin - ImmoFachwPrV - normierten Zulassungs-
voraussetzungen lägen vor. Danach müsse ein Zulassungsbewerber neben
einer allgemeinen beruflichen Handlungsfähigkeit Grundkenntnisse aus dem
Bereich der Immobilienwirtschaft besitzen, deren Niveau jedoch unterhalb der
von § 2 Abs. 2 ImmoFachwPrV geforderten Schwelle liegen dürfe. Ob die Klä-
gerin, von deren allgemeiner beruflicher Handlungsfähigkeit wegen ihrer berufli-
chen Erfahrungen auszugehen sei, bereits aufgrund ihrer Tätigkeiten für Sylter
Immobilien- und Vermietungsunternehmen über hinreichende immobilienwirt-
schaftliche Grundkenntnisse verfüge - wofür manches spreche -, bedürfe keiner
Vertiefung. Jedenfalls verfüge sie hierüber aufgrund ihrer Teilnahme an dem
Kurs „Geprüfte Immobilienfachwirtin (IHK)“.
II
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechts-
sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde der Beklagten gegen
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist unbegründet und daher zurückzu-
weisen.
Die Beklagte hält sinngemäß für klärungsbedürftig, ob die von § 2 Abs. 3
ImmoFachwPrV geforderte „berufliche Handlungsfähigkeit“ auch auf Berufser-
fahrungen in der Immobilienwirtschaft gründen muss. Dieser Frage kommt kei-
ne rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu,
da sie sich mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesauslegung
ohne weiteres mit dem Oberverwaltungsgericht verneinen lässt (vgl. zu diesem
prozessualen Maßstab etwa: BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2014 - 6 B
25.14 - juris Rn. 5).
Die Ansprüche auf Zulassung zur Prüfung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4
ImmoFachwPrV setzen gemäß § 2 Abs. 2 ImmoFachwPrV jeweils voraus, dass
der Zulassungsbewerber Berufspraxis vorweisen kann, die inhaltlich wesentli-
che Bezüge zu den in § 1 Abs. 2 ImmoFachwPrV genannten Aufgaben hat. Ein
entsprechendes Erfordernis hat der Verordnungsgeber für die Zulassung nach
§ 2 Abs. 3 ImmoFachwPrV nicht aufgestellt. Gemäß dieser Vorschrift muss der
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Zulassungsbewerber durch Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise
glaubhaft machen, „Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Hand-
lungsfähigkeit) erworben zu haben, die die Zulassung zur Prüfung rechtferti-
gen“. Der Verordnungsgeber hat keine Aussage getroffen, auf welche Weise
diese Handlungsfähigkeit erworben werden soll. Eine Zulassung zur Prüfung
nach § 2 Abs. 3 ImmoFachwPrV mag regelmäßig nicht gerechtfertigt sein, so-
fern der Zulassungsbewerber bislang überhaupt nicht nachweislich mit Fragen
der Immobilienwirtschaft befasst gewesen ist. Nicht zwingend gefordert ist je-
doch, dass eine Befassung gerade durch eine immobilienwirtschaftliche Berufs-
tätigkeit erfolgt ist. Für ein gegenteiliges Verständnis gibt der Wortlaut der Vor-
schrift nichts her. Hätte der Verordnungsgeber das Vorliegen immobilienwirt-
schaftlicher Berufserfahrungen für unabdingbar erachtet, hätte er dies - so wie
im Falle des § 2 Abs. 2 ImmoFachwPrV - mühelos im Normtext zum Ausdruck
bringen können. Der zuständigen Stelle bleibt es unbenommen, die Prüfung so
anzulegen, dass nur solche Kandidaten sie bestehen können, die ein hinrei-
chendes Maß an anwendungsorientierten Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähig-
keiten aufweisen. Diese können durchaus auch im Rahmen eines Ausbildungs-
kurses desjenigen Zuschnitts vermittelt werden, wie ihn die Klägerin durchlau-
fen hat.
Die von der Beklagten befürchtete „Aushebelung“ der Zulassungsvorausset-
zungen nach § 2 Abs. 1 und 2 ImmoFachwPrV droht aufgrund dieses Normver-
ständnisses nicht. Der Verordnungsgeber wollte mit § 2 Abs. 3 ImmoFachwPrV
nicht die Zulassung von Bewerbern ermöglichen, deren Qualifikation hinter dem
Niveau der von § 2 Abs. 1 ImmoFachwPrV erfassten Bewerber zurückbleibt. Er
hat lediglich auf Festlegung bestimmter formaler Qualifikationsmerkmale ver-
zichtet und so den Weg für eine wertende Gesamtbetrachtung eröffnet, in die
auch Faktoren einfließen können, die für die Anwendung von § 2 Abs. 1
ImmoFachwPrV keine Rolle spielen und die das Fehlen der dort normierten
Qualifikationsmerkmale zu kompensieren vermögen.
Das Oberverwaltungsgericht hat im konkreten Fall hervorgehoben (UA S. 15),
dass die Klägerin in ihrem bisherigen Berufsleben bereits Etat-, Organisations-
und Personalverantwortung getragen hat. Hieraus auf das Vorliegen allgemei-
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ner beruflicher Handlungsfähigkeit im Sinne von § 2 Abs. 3 ImmoFachwPrV zu
schließen und - vor dem zusätzlichen Hintergrund des genannten Kursbe-
suchs - das Bestehen der Prüfung nicht als aussichtslos einzustufen, begegnet
keinen Bedenken.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstands folgt aus § 47 Abs. 1 und 3,
§ 52 Abs. 2 GKG.
Neumann
Dr. Heitz
Prof. Dr. Hecker
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