Urteil des BVerwG vom 27.09.2006

Betäubungsmittelgesetz, Bier, Straftat, Überprüfung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 16.06
VGH 11 UE 1193/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Graulich
und Dr. Bier
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 28. Dezember 2005 wird zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 50 € festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die auf die Grundsatz- (1.) und Divergenzrüge (2.) gestützte Beschwerde bleibt
ohne Erfolg.
1. Der Kläger macht im Wege der Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)
geltend, das Berufungsurteil gehe bei der rechtlichen Bewertung der Beschlag-
nahme seines Handys durch die Polizei von einem unzutreffenden Verständnis
von § 40 Nr. 4 HSOG aus. Danach könnten die Polizeibehörden eine Sache si-
cherstellen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass
sie zur Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebraucht oder
verwertet werden soll. Das Berufungsgericht bejahe das Bestehen einer ge-
genwärtigen Gefahr, indem unterstellt werde, dass der Kläger mittels seines
Handys gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen habe. Das Gericht werte
die Regelung in § 40 HSOG dahingehend, dass zwischen einem Anruf per
Handy als „Werkzeug“ und einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz
ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen könne. Die Unmittelbarkeitsbewer-
tung müsse sich aber auf den Gegenstand der Sicherstellung beziehen, wäh-
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rend ein Handy jedoch nur ein Gegenstand sei, der allenfalls mittelbar zur Ver-
wirklichung einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz diene. Das Urteil
verstoße gegen das Übermaßverbot und verletze die Grundrechte des Klägers
aus Art. 2 i.V.m. Art. 1 und Art. 3 GG.
Eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts wird damit
nicht aufgezeigt. Dies gilt auch, soweit sich die Beschwerde gegen eine ihrer
Ansicht nach verfassungswidrige Auslegung des Landesrechts wendet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die
Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und/oder Anwendung von
Landesrecht die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die
Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab
angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grund-
sätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. Beschluss vom 15. Dezember 1989
- BVerwG 7 B 177.89 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277; Beschluss vom
1. September 1992 - BVerwG 11 B 24.92 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 171).
Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und
Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Rege-
lungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen
Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl. Beschluss vom
19. Juli 1995 - BVerwG 6 NB 1.95 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104). Wird
eine Vorschrift des Landesrechts als bundesverfassungsrechtlich bedenklich
angesehen, ist im Einzelnen darzulegen, gegen welche verfassungsrechtliche
Norm verstoßen wird und ob sich bei der Auslegung dieser Bestimmung Fragen
grundsätzlicher Bedeutung stellen, die sich nicht aufgrund bisheriger oberstge-
richtlicher Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts -
beantworten lassen (vgl. Beschluss vom 25. März 1999 - BVerwG 6 B 16.99 -
juris). Einer Darlegung dieser Voraussetzungen wird nicht schon dadurch ge-
nügt, dass die maßgebliche Norm als verfassungsrechtlich bedenklich angese-
hen wird. Vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, gegen welche verfassungs-
rechtlichen Normen verstoßen wird und ob sich bei der Auslegung dieser Nor-
men alsdann Fragen grundsätzlicher Bedeutung stellen, die sich noch nicht auf
Grund bisheriger oberstgerichtlicher Rechtsprechung - insbesondere des Bun-
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desverwaltungsgerichts - beantworten lassen (Beschluss vom 10. Februar 2004
- BVerwG 6 B 3.04 -).
Daran fehlt es. Die aufgeworfene Frage betrifft nicht die Auslegung des bun-
desverfassungsrechtlichen Übermaßverbotes oder eines der vom Kläger ange-
führten Grundrechte aus Art. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 14 und Art. 3 GG, son-
dern die Vereinbarkeit der vom Berufungsgericht gefundenen Auslegung des
zum nicht revisiblen Landesrecht gehörenden § 40 Nr. 4 HSOG mit den vorge-
nannten Normen und Rechtsgrundsätzen der Bundesverfassung. Eine die Re-
visionszulassung rechtfertigende Frage grundsätzlicher Bedeutung ist deshalb
nicht dargelegt.
2. Im Wege der Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) macht der Kläger
geltend, das Berufungsurteil weiche von Urteilen und Beschlüssen des Bun-
desverfassungsgerichts ab, „die der kantschen Objektformel folgen und das
Übermaß verbieten“.
Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist
nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet,
wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entschei-
dung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem
in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensol-
chen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz
in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss
vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 18); für die behauptete Abweichung von einer Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts (oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe
des Bundes) gilt Entsprechendes (vgl. Beschluss vom 21. Januar 1994
- BVerwG 11 B 116.93 - Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 22). Das Aufzeigen
einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das
Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt
weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer
Grundsatzrüge (vgl. Beschluss vom 17. Januar 1995 - BVerwG 6 B 39.94 -
Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).
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Diesen Darlegungserfordernissen genügt die Beschwerde nicht. Der Kläger legt
nicht dar, mit welchem abstrakten Rechtssatz im Berufungsurteil gegen einen
abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
verstoßen worden sein könnte. Was er stattdessen rügt, ist eine angebliche
fehlerhafte Rechtsanwendung, deren Überprüfung erst Gegenstand einer zuge-
lassenen Revision sein könnte.
II
Die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels hat der Kläger zu tragen
(§ 154 Abs. 2 VwGO). Der Streitwert bestimmt sich nach § 47 Abs. 1 und 3,
§ 52 Abs. 1 GKG.
Büge Dr. Graulich Dr. Bier
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