Urteil des BVerwG vom 30.03.2007

Form, Gefahr, Spiel, Bargeld

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 14.07
OVG 1 Bf 318/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. März 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn
und Dr. Graulich
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Hamburgischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 21. November 2006 wird zurück-
gewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Klägerin strebt die Zulassung der Revision insoweit an, als das Oberver-
waltungsgericht ihre Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Ver-
waltungsgerichts hinsichtlich ihres ersten Hilfsantrags zurückgewiesen hat. Mit
diesem Hilfsantrag hat die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass Unterhaltungsspielgeräte, die über ei-
nen Hinterlegungsspeicher verfügen, an dem der Teil-
nehmer ohne Möglichkeit des Nachmünzens nur einmalig
einen bestimmten Betrag als Einsatz hinterlegt, der nach
Spielbeginn nicht weiter erhöht werden kann, sondern im
günstigsten Fall nach Spielbeendigung ganz oder teilweise
als nicht verbraucht erstattet wird, keine Spielgeräte mit
Gewinnmöglichkeit im Sinne des § 33c GewO sind.
Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag dahin verstanden, dass es sich bei
den gemeinten Spielgeräten „um Fun-Games in der Art der in der Spielhalle
vorgefundenen Geräte handeln (soll), deren Hinterlegungsspeicher lediglich
modifiziert werden soll“. An anderer Stelle des Beschlusses heißt es, dass es
sich um nicht zugelassene Fun-Games mit Hinterlegungsspeicher ohne Nach-
münzmöglichkeit handeln solle. Diese Fun-Games werden dadurch umschrie-
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ben, dass dem Spieler der in Form von Geldmünzen oder Token zu erbringen-
de Einsatz bis zu 50 € in Form von Spielpunkten auf einem Hinterlegungsspei-
cher gutgeschrieben wird, den er nach Verlust durch den erfolgreichen Einsatz
weiterer Spielpunkte zurückgewinnen und sich in Form von Token oder Bargeld
auszahlen lassen kann.
Das Oberverwaltungsgericht hat den so verstandenen Feststellungsantrag als
zulässig, aber unbegründet beurteilt. Es hat die umschriebenen Spielgeräte als
Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit im Sinne des § 33c GewO angesehen.
2. Die Beschwerde, die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen
Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2
VwGO) gestützt wird, bleibt ohne Erfolg.
a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur
zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revi-
siblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des
Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechts-
frage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis
auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen
soll.
Die Klägerin rügt zunächst in ausführlicher Weise die vom Oberverwaltungsge-
richt vertretene Rechtsauffassung und hält ihr eine andere entgegen. Das ge-
nügt den dargestellten Darlegungsanforderungen für sich allein nicht. Der Be-
schwerdebegründung lässt sich jedoch entnehmen, dass die Klägerin es für
klärungsbedürftig hält, ob „ein Spielgerät, an dem ein Spieler je nach Spielver-
lauf entweder kostenfrei oder für einen von vornherein feststehenden Einsatz,
der im Verlauf des Spiels nicht weiter erhöht werden kann, spielen kann, ein
Spielgerät ‚mit Gewinnmöglichkeit’ im Sinne des § 33c GewO (ist)“. Diese Frage
muss auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137
Abs. 2 VwGO) und seines daran anknüpfenden, von der Klägerin nicht mit einer
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Verfahrensrüge angegriffenen Verständnisses des Feststellungsantrags dahin
verstanden werden, ob Spielgeräte, die dem Spieler den durch Geldmünzen
oder Token zu erbringenden Einsatz bis zu 50 € in Form von Spielpunkten auf
einem Hinterlegungsspeicher gutschreiben, die er nach Verlust durch den er-
folgreichen Einsatz weiterer Spielpunkte zurückgewinnen und sich in Form von
Token oder Bargeld auszahlen lassen kann, auch dann Spielgeräte mit Ge-
winnmöglichkeit im Sinne des § 33c GewO sind, wenn der Spieler den Einsatz
nicht über den geleisteten Einsatz hinaus erhöhen kann.
Diese Frage kann anhand der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts ohne das Erfordernis der Durchführung eines Revisionsver-
fahrens dahin beantwortet werden, dass die Verhinderung des Nachmünzens
den Charakter des Spielgerätes nicht entscheidungserheblich verändert.
Die Fragestellung der Klägerin geht von der Sicht aus, dass es sich bei der Be-
spielung des Gerätes mit dem einmal geleisteten Einsatz nur um ein Spiel han-
delt. Diese Sicht berücksichtigt jedoch nicht genügend die Rechtsprechung des
beschließenden Senats. Dieser hat sich in seinen Urteilen vom 23. November
2005 - BVerwG 6 C 8 und 9.05 - (Buchholz 451.20 § 33c GewO Nr. 6 =
GewArch 2006, 153 und 158) eingehend mit den sog. Fun-Games befasst und
diese als Spielgeräte im Sinne des § 33c GewO angesehen. Dabei hat er an-
genommen, dass jeder einzelne Spielvorgang, beginnend mit dem Einsatz der
einzelnen Münze oder des einzelnen Token, als „Spiel“ angesehen werden
muss. In den seinerzeit zu beurteilenden Fällen waren die Spielgeräte mit ei-
nem Spielpunktekonto versehen. Daraus folgt, dass es für den Senat ohne Be-
deutung war, ob die einzelne Münze oder der einzelne Token durch eine Abbu-
chung von dem Punktekonto repräsentiert wird. Wesentlich ist, dass jeder ein-
zelne Spieltakt gesondert betrachtet wird. Kann dem Spieler je nach Spielglück
der bislang eingesetzte Betrag, wenn auch vermittelt durch ein Punktekonto,
ganz oder teilweise zurückgewährt werden, so liegt im Sinne der Rechtspre-
chung des Senats ein Gewinnspielgerät vor. Dafür ist es ohne Bedeutung, ob
der Spieler über seinen bereits geleisteten, im Hinterlegungsspeicher registrier-
ten Betrag hinaus noch weitere Beträge dem Spielgerät zuführen kann oder
nicht. Diese Möglichkeit kann das Gewinn- und Verlustrisiko erhöhen, hat aber
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über dieses quantitative Element hinaus keine weitere Bedeutung. Der Hinweis
in der Beschwerdebegründung auf das Urteil vom 30. Januar 1968 - BVerwG
1 C 44.67 - (BVerwGE 29, 82 = Buchholz 451.20 § 33e GewO Nr. 3 = GewArch
1968, 81) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dort ist ausgeführt worden,
dass bei einem Gewinnspielgerät mit Münzspeicher und dahin modifizierter sog.
Zehnervorlage, dass nach jedem durch eine Münze ausgelösten Spielvorgang
durch Knopfdruck der im Speicher befindliche Vorrat an Münzen zurückgezahlt
wird, der Einsatz erst dann getätigt ist, wenn die einzelne Münze den
Spielvorgang ausgelöst hat, eben weil sie nicht durch Knopfdruck zurückgefor-
dert worden ist. Nichts anderes gilt für den durch eine Punktanzahl „gefüllten“
Hinterlegungsspeicher. Wenn entsprechend der Auslegung des Gerätes eine
bestimmte Anzahl von Punkten dem Spielvorgang zugeführt worden ist, ist der
Einsatz getätigt. Werden infolge des Verlaufs des Spielvorgangs Punkte gutge-
schrieben, so ist ein Gewinn erzielt, auch wenn dieser im günstigsten Falle nur
alle bisherigen Einsätze auszugleichen geeignet ist.
Die Klägerin lenkt mit ihren Ausführungen zum Freispiel den Blick darauf, dass
bei strenger Betrachtung auch ein Freispiel eines Unterhaltungsspielgerätes ein
„Gewinn“ sein kann. Bisher ist nicht der Schluss gezogen worden, dass allein
die Gewährung eines Freispiels ein Spielgerät zum Gewinnspielgerät im Sinne
des § 33c GewO macht. Auch wenn an dieser Rechtsauffassung festgehalten
wird, ergeben sich daraus keine zwingenden Folgerungen für die Beurteilung
von Fun-Games mit Hinterlegungsspeicher ohne Möglichkeit des Nachmün-
zens.
Mit Recht weist die Klägerin auf das wesentliche Ziel des gewerblichen Spiel-
rechts hin, die Gefahr zu vermeiden, dass der Spieler unangemessen hohe
Verluste in kurzer Zeit erleidet (§ 33e Abs. 1 GewO). Dieses Ziel erfordert es,
dass die hier in Rede stehenden Geräte nur dann aufgestellt werden dürfen,
wenn für sie eine Bauartzulassung besteht, die diese Gefahr verhindert. Denn
sonst bestünde keine Gewähr dafür, dass Spieltakte und Einsätze nicht so
ausgelegt werden, dass die Spieler unangemessen hohe Verluste erleiden. Ein
unangemessen hoher Verlust ist auch dann zu verhindern, wenn er nicht durch
Ausbeutung eines durch gesteigerte Gewinnerwartung geschaffenen Anreizes,
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sich mit unkontrollierter Risikobereitschaft einer Verlustgefahr auszusetzen,
erzielt wird. Die von der Klägerin angeführten Passagen aus den Urteilen vom
9. Oktober 1984 - BVerwG 1 C 11.83 - (Buchholz 451.20 § 33i GewO Nr. 4 =
GewArch 1985, 64) und vom 30. März 1993 - BVerwG 1 C 16.91 - (Buchholz
451.20 § 33i GewO Nr. 14 = GewArch 1993, 323) betreffen die Regelung des
§ 33i Abs. 2 Nr. 3 GewO, die einen Erlaubnisversagungsgrund für eine Spiel-
hallenerlaubnis darstellt. Im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Spielgerät
dem § 33c GewO unterfällt, ist diese Vorschrift grundsätzlich ohne Bedeutung.
Hier geht es vorrangig um das gerätebezogene Schutzniveau des § 33e Abs. 1
GewO und erst daraus folgend um eine auf den Betrieb des Gewerbes bezo-
gene Beurteilung. Zu § 33i Abs. 2 Nr. 3 GewO hat der Senat überdies bereits in
den Urteilen vom 23. November 2005 ausgeführt, dass die allein auf Gewinn-
spielgeräte zugeschnittene bisherige Rechtsprechung, auf die die Klägerin hin-
weist, möglicherweise einer Überprüfung bedarf. Eine solche Prüfung könnte
ein Revisionsverfahren, wie es die Klägerin anstrebt, aber nicht leisten. Denn
die umstrittenen Geräte dürfen schon deshalb nicht in der Spielhalle der Kläge-
rin aufgestellt werden, weil für sie die erforderliche Bauartzulassung fehlt. Eine
Prüfung der Voraussetzungen des § 33i Abs. 2 Nr. 3 GewO könnte daher nicht
erfolgen.
b) Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung von der Rechtsprechung der
in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte ist ebenfalls nicht gegeben.
Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne der ge-
nannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine
Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen
Rechtssatz abgerückt ist, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten
Gerichte aufgestellt hat. Dabei müssen die Rechtssätze sich grundsätzlich auf
dieselbe Rechtsnorm beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebe-
gründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Ent-
scheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz
gestützt hat. Daran fehlt es. Die Klägerin zeigt keine divergierenden Rechtssät-
ze der beiden Entscheidungen auf, sondern meint, das Oberverwaltungsgericht
habe die Urteile des Senats vom 23. November 2005 unzutreffend auf die hier
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gegebene Konstellation übertragen. Abgesehen davon ist das Oberverwal-
tungsgericht auch in der Sache nicht von diesen Entscheidungen abgewichen.
Das ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Revisionszulas-
sungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Fest-
setzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Bardenhewer Dr. Hahn Dr. Graulich
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