Urteil des BVerwG vom 04.03.2004

Anwendung des Rechts, Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit, Kontrolle

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 14.04
OVG 20 A 1524/03
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. März 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H a h n und V o r m e i e r
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 13. November 2003 wird ver-
worfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie
genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die
erstrebte Revisionszulassung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft,
die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher
Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt in-
soweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für
die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und
außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausge-
hende Bedeutung bestehen soll (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B
261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Dem trägt die Be-
schwerde nicht ausreichend Rechnung.
Die Beschwerde möchte geklärt wissen, ob "die Auffassung des Berufungsgerichts
zutreffend (ist), dass die Rechtswidrigkeit der Indizierungsentscheidung wegen Ver-
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fahrensfehlern die Klägerin gleichwohl nicht in ihren Rechten i.S. des § 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO verletzt". Mit dieser Frage rügt die Klägerin der Sache nach eine un-
richtige Anwendung des Rechts durch das Oberverwaltungsgericht, was nicht zur
Zulassung der Revision führen kann. Davon abgesehen ist den Begründungsanfor-
derungen auch deshalb nicht genügt, weil sich die Klägerin nicht in der gebotenen
Weise mit den von ihr beanstandeten Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts
auseinander setzt. Soweit sich die Vorinstanz mit der Frage von angeblich grund-
sätzlicher Bedeutung beschäftigt hat, muss sich die Beschwerdebegründung mit
Blick auf das Gebot der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fra-
ge mit der Auffassung des Berufungsgerichts auseinander setzen (vgl. Beschluss
vom 1. Oktober 2003 - BVerwG 6 B 58.03 - Umdruck S. 4; Beschluss vom 9. März
1993 - BVerwG 3 B 105.92 - NJW 1993, 2825 <2826>). Das Oberverwaltungsgericht
hat die Verletzung eigener Rechte der Klägerin durch die von ihm festgestellte feh-
fochtene Entscheidung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien unter-
liege der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Auf diese Erwägung geht die
Beschwerde ein, indem sie darlegt, für die Verletzung eigener Rechte durch Verstö-
ße gegen Verfahrensrecht komme es nicht auf den Umfang der gerichtlichen Nach-
prüfung an. Das Oberverwaltungsgericht hat die Verletzung subjektiver Rechte da-
rüber hinaus mit einer anderen Begründung abgelehnt. Es hat unterstellt, die Vor-
schriften über die Besetzung des Zwölfergremiums dienten grundsätzlich auch dem
Schutz subjektiver Rechte. Dieser Schutz erstreckt sich aber aus der Sicht des
Oberverwaltungsgerichts nur auf den Mindeststandard der Gremienbesetzung, der
durch den festgestellten Verfahrensfehler nicht berührt sei. Mit dieser Erwägung setzt
sich die Beschwerde nicht auseinander.
Die Klägerin erachtet es ferner für grundsätzlich bedeutsam, ob "die Auffassung des
Berufungsgerichts zutreffend (ist), wonach der in der Rechtsprechung des Bundes-
verwaltungsgerichts für Konflikte des Jugendschutzes mit der Kunstfreiheit entwickel-
te Entscheidungsvorrang der Bundesprüfstelle auf Konflikte mit der Meinungsfreiheit
nicht zu übertragen sei, mit der Folge, dass die Verwaltungsgerichte berechtigt und
verpflichtet sind, eine im Verwaltungsverfahren unterlassene Abwägung ('Abwä-
gungsausfall') nachzuholen". Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der
Revision. Mit ihr bringt die Klägerin der Sache nach zum Ausdruck, dass sie die Auf-
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fassung des Oberverwaltungsgerichts, dieses habe die Abwägung zwischen Jugend-
schutz und Meinungsfreiheit selbst vorzunehmen, nicht teilt. Die angebliche Unrich-
tigkeit der angefochtenen Entscheidung kann indes - wie dargelegt - der Beschwerde
nicht zum Erfolg verhelfen. Davon abgesehen setzt sich die Klägerin auch nicht in
der gebotenen Weise mit den hier in Rede stehenden Erwägungen des Oberverwal-
tungsgerichts auseinander. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts hingewiesen, nach der der Vorgang der "eigentli-
chen Abwägung" der Belange des Jugendschutzes und der verfassungsrechtlich
gewährleisteten Kunstfreiheit mit dem Ziel der Herstellung praktischer Konkordanz
durch die Bundesprüfstelle einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unter-
liegt (vgl. Urteil vom 26. November 1992 - BVerwG 7 C 20.92 - BVerwGE 91, 211
<216 f.>). Es hat diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall als nicht einschlägig
angesehen, weil es hier nicht um die Abwägung des Jugendschutzes mit der verfas-
sungsrechtlich gewährleisteten Kunstfreiheit gehe, sondern um eine Abwägung mit
der von Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Meinungsfreiheit. Aus der Sicht des Oberver-
waltungsgerichts kommt ein Letztentscheidungsrecht der Bundesprüfstelle deshalb
nicht in Betracht, weil die Meinungsfreiheit - anders als die Kunstfreiheit - nicht vor-
behaltlos gewährleistet ist und die hier vorzunehmende Abwägung deshalb die ver-
fassungsrechtlich vorgesehene Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG konkretisiert. Die Be-
schwerdebegründung geht auf diese Erwägung nicht ein.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 14 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Bardenhewer Hahn Vormeier