Urteil des BVerwG vom 27.07.2015

Änderung der Klage, Zusammenschluss Von Gemeinden, Auskunftserteilung, Software

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 12.15
OVG 16 A 1494/14
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Juli 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und Hahn
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Januar 2015
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Klägerin kann keinen Erfolg haben. Die von der Klägerin
vorgetragenen Gesichtspunkte ergeben nicht, dass einer der geltend gemach-
ten Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO vorliegt.
Andere als diese Gesichtspunkte kann der Senat aufgrund des Darlegungser-
fordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht berücksichtigen.
Die Klägerin holt im Auftrag Dritter geschäftsmäßig Melderegisterauskünfte ein
(sog. Meldedatenbroker). Die Beklagte führt als Meldebehörde das örtliche Mel-
deregister. Sie erteilt Auskünfte auch im Wege des automatisierten Abrufs über
das Internet. Zu diesem Zweck ist sie Mitglied in einem Zusammenschluss von
Gemeinden, Gemeindeverbänden und öffentlichen Einrichtungen ("…"). Dieser
hat mit einer Landesgesellschaft den "Vertrag über die Teilnahme am Transak-
tions-Service einfache elektronische Melderegisterauskunft für private Nutzer im
Rahmen der Landesinitiative …" (Transaktionsvertrag) geschlossen, der u.a.
den Betrieb eines Internetportals für Melderegisterauskünfte vorsieht. Im Auf-
trag der Landesgesellschaft betrieb die Klägerin bis Ende 2013 ein solches Por-
tal für die Mitglieder des Dachverbands. Auskunftsersuchen Dritter waren an
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das Portal zu richten, das sie zur elektronischen Bearbeitung an die Meldebe-
hörden und deren Antwort an die Antragsteller weiterleitete. Die rechtliche Prü-
fung verblieb bei den Meldebehörden; die Beklagte hat hierfür die Software "O."
eingerichtet. Seit 2014 ist an die Stelle des Portals der Klägerin die Plattform
"Z." getreten, die im Auftrag der Landesgesellschaft von einem kommunalen
Träger aus Bayern in Zusammenarbeit mit einem Rechenzentrum in Nordrhein-
Westfalen betrieben wird. Die Klägerin bestreitet die Portaleigenschaft dieser
Software.
Die Klägerin will von der Beklagten Melderegisterauskünfte über einen direkten
Zugang zu deren Software "O." ohne Einschaltung der Software "Z." erhalten.
Ihren "Antrag auf Teilnahme an dem Verfahren des automatisierten Abrufs von
Melderegisterauskünften nach § 34 Abs. 1a Meldegesetz NRW" lehnte die Be-
klagte ab. Die Verpflichtungsklage ist in der Berufungsinstanz erfolglos geblie-
ben. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausge-
führt, es sei Sache der Meldebehörde darüber zu entscheiden, in welcher tech-
nischen Form sie Auskunft erteile. Ein Antragsteller könne nur verlangen, dass
die jeweilige Auskunftspraxis auch ihm gegenüber beachtet werde. Die von der
Beklagten gewählte Auskunftserteilung unter Einschaltung eines Portals sei im
nordrhein-westfälischen Meldegesetz ausdrücklich vorgesehen. Bei der Platt-
form "Z." handele es sich um ein Portal im Sinne dieses Gesetzes. Der Betrieb
eines eigenen Portals verschaffe der Klägerin keinen Anspruch auf direkten
Zugang zum Meldedatenbestand der Beklagten. Die Klägerin sei nicht im Besitz
der erforderlichen Zulassung für den Portalbetrieb.
Den erstmals in der Berufungsverhandlung gestellten Hilfsantrag, die Beklagte
zu verpflichten, die Portalbetreiber zu veranlassen, der Klägerin willkürfrei ein-
fache Melderegisterauskünfte auf automatisierte Weise zu erteilen, insbesonde-
re zu einem Preis von 4,00 €, hilfsweise 4,20 €, weiter hilfsweise 4,50 €, äu-
ßerst hilfsweise 5,00 € pro Auskunft, hat das Oberverwaltungsgericht als unzu-
lässige, weil nicht sachdienliche Klageänderung behandelt.
1. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Revision wegen grundsätzlicher
Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulas-
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sen ist. Eine solche Revisionszulassung setzt voraus, dass die Beschwerde
eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinaus-
reichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich
ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der
Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswort-
lauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden
kann (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 -
NVwZ-RR 2015, 416 Rn. 8).
a) Mit der Frage,
ob § 21 Abs. 1, Abs. 1a MRRG ein subjektiv-öffentliches
Recht auf Melderegisterauskunft in den ebenda geregel-
ten Modi vermittelt,
hält die Klägerin zum einen für klärungsbedürftig, ob das Bundesrahmenrecht
einen Auskunftsanspruch dem Grunde nach enthält. Zum anderen will die Klä-
gerin geklärt wissen, ob nach dem Bundesrahmenrecht ein Anspruch auf Aus-
kunftserteilung in einer bestimmten technischen Form besteht.
Die erste Frage ist nicht entscheidungserheblich, weil die Beklagte der Klägerin
auf Antrag einfache Melderegisterauskünfte erteilt - und zwar auch im Wege
des Abrufs über das Internet. Daran ändert nichts, dass die Beklagte hierfür
keinen eigenen Internetzugang eingerichtet hat, sondern sich eines Portals be-
dient. Dieses Vorgehen betrifft nicht das "Ob", sondern das "Wie" der Aus-
kunftserteilung.
Darüber hinaus kann die Frage auf der Grundlage der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts als geklärt gelten. Nach § 21 des Melderechtsrah-
mengesetzes - MRRG -, hier anwendbar in der durch Gesetz vom 28. August
2013 (BGBl. I S. 3458) geänderten Fassung der Bekanntmachung vom 19. April
2002 (BGBl. I S. 1342), entscheidet die Meldebehörde nach pflichtgemäßem
Ermessen, ob sie Antragstellern Auskunft über Vor- und Familiennamen und
Anschriften einzelner bestimmter Einwohner erteilt, wenn deren schutzwürdige
Interessen nicht entgegenstehen (sog. einfache Melderegisterauskunft; vgl.
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BVerwG, Urteile vom 22. Dezember 1987 - 1 C 17.84 - NJW 1988, 1611
<1612> und vom 21. Juni 2006 - 6 C 5.05 - BVerwGE 126, 140 Rn. 21). Dem-
entsprechend hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, es sei anerkannt,
dass Auskunftsuchende einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entschei-
dung unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis hätten.
Davon ausgehend kann die zweite Frage eindeutig beantwortet werden. Steht
bereits die Erteilung einfacher Melderegisterauskünfte an Dritte dem Grunde
nach im Ermessen der Meldebehörde, liegt auf der Hand, dass diese keine
Auskunftserteilung in einer von ihnen bevorzugten, nicht der Verwaltungspraxis
entsprechenden technischen Form verlangen können. Die Zuerkennung eines
derartigen Anspruchs hätte zur Folge, dass die Meldebehörde alle gesetzlich
vorgesehenen Formen der Auskunftserteilung kumulativ bereithalten oder auf
Antrag einrichten müsste. Bereits nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 1a Satz 1
MRRG steht es im Ermessen der Meldebehörde, welche der gesetzlich eröffne-
ten Formen der Auskunftserteilung sie nutzen will (§ 21 Abs. 1a MRRG; § 34
Abs. 1a des Meldegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - MG NRW - in
der Fassung der Bekanntmachung vom 16. September 1997
S. 332>, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Dezember 2009
S. 765>). Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat den Meldebehör-
den die zusätzliche Möglichkeit eröffnet, die Auskunft im Wege des automati-
sierten Abrufs über das Internet nicht über einen eigenen Zugang, sondern über
ein Portal zu erteilen (§ 34 Abs. 1c MG NRW).
Eine Ermessensbindung tritt ein, wenn die Meldebehörde eine bestimmte tech-
nische Form der Auskunftserteilung eingeführt hat. Der einzelne Auskunftsu-
chende hat dann im Regelfall einen Anspruch, dass die Auskunft in der allge-
mein praktizierten Form erteilt wird.
b) Soweit die Klägerin mit der Frage,
ob die Auslegung von § 34 MG NRW durch das Oberver-
waltungsgericht den Rechtsbefehl des § 21 Abs. 1,
Abs. 1a MRRG verletzt,
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rechtsgrundsätzlich geklärt wissen will, ob die bundesrahmengesetzliche Vor-
schrift den Landesgesetzgebern zwingend vorgibt, die Meldebehörden zu ver-
pflichten, einen direkten Internetzugang zu ihrem Meldedatenbestand zu schaf-
fen, kann auf die Ausführungen unter 1. verwiesen werden.
Eine darüber hinausgehende allgemeine Frage des revisiblen Rechts wirft die
Klägerin insoweit nicht auf. Die Auslegung des § 34 MG NRW durch das Ober-
verwaltungsgericht ist in einem Revisionsverfahren nur insoweit klärungsfähig,
als es um die Vereinbarkeit mit § 21 MRRG geht (BVerwG, Urteil vom 21. Juni
2006 - 6 C 5.05 - BVerwGE 126, 140 Rn. 17; Beschluss vom 12. November
1992 - 1 B 174.92 - NVwZ-RR 1993, 186).
Für die hier maßgeblichen Regelungen des § 34 Abs. 1c MG NRW gibt § 21
MRRG keinen inhaltlichen Rahmen vor. Nach § 21 Abs. 1a MRRG können die
Landesgesetzgeber die Erteilung sog. einfacher Melderegisterauskünfte im
Wege des automatisierten Abrufs über das Internet zulassen. Der Regelung
lässt sich keine Aussage darüber entnehmen, in welcher technischen Form dies
geschehen soll. Insbesondere verhält sie sich nicht zu Portallösungen, die an
die Stelle des direkten Zugriffs auf den behördlichen Meldedatenbestand treten
und die Bearbeitung eines Auskunftsersuchens durch mehrere Meldebehörden
ermöglichen (vgl. Medert/Süßmuth/Dette-Koch, Melderecht des Bundes und der
Länder, § 21 MRRG Rn. 25l).
Demzufolge ist der Gestaltungsspielraum der Landesgesetzgebung insoweit
nicht bundesrahmenrechtlich eingeschränkt. Die Regelungen des § 34 Abs. 1c
MG NRW, die den automatisierten Internetabruf von Meldedaten über ein Portal
zulassen und Voraussetzungen für den Betrieb eines solchen Portals aufstellen,
sind Ausdruck der autonomen, bundesrahmenrechtlich nicht gesteuerten Recht-
setzung des Landesgesetzgebers. Ihre Auslegung durch das Oberverwaltungs-
gericht kann revisionsgerichtlich nur auf die Vereinbarkeit mit Bundesverfas-
sungsrecht nachgeprüft werden. Dies gilt insbesondere für die Einwendungen
der Klägerin gegen die Rechtsauffassungen des Oberverwaltungsgerichts zum
Bedeutungsgehalt der in § 34 Abs. 1c MG NRW verwendeten Begriffe des ei-
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genen Zugangs der Meldebehörde und des Portals, die keine Entsprechung in
§ 21 Abs. 1a MRRG finden.
c) Aus mehreren Gründen nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam sind die Fra-
gen, die sich damit befassen,
ob die Auslegung des § 34 MG NRW durch das Oberver-
waltungsgericht das Willkürverbot nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m.
Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, weil sie unangemessen und
völlig fernliegend ist und/oder sich nicht innerhalb der
Wortlautgrenze hält.
Der Bedeutungsgehalt des bundesverfassungsrechtlichen Willkürverbots ist in
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Danach verletzt
eine Rechtsanwendung den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG
in seiner Ausprägung als Willkürverbot, wenn sie unter keinem denkbaren As-
pekt mehr rechtlich vertretbar ist, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass die
Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht.
Diese Annahme liegt nahe, wenn die Rechtsanwendung eine offensichtlich ein-
schlägige Norm nicht berücksichtigt oder den Inhalt einer Norm in krasser Wei-
se missdeutet. Von einer Missdeutung kann nicht gesprochen werden, wenn die
Rechtsanwendung das Ergebnis einer eingehenden Beschäftigung mit der
Rechtslage unter Anwendung juristischer Auslegungsmethoden ist und sie nicht
außerhalb des sachlich noch Vertretbaren liegt (stRspr; vgl. nur BVerfG, Be-
schluss vom 13. November 1990 - 1 BvR 275/90 - BVerfGE 83, 82 <84> ; Urteil
vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1934/93 - BVerfGE 96, 189 <193>; Kammerbeschluss
vom 30. April 2015 - 1 BvR 2274/12 - juris Rn. 11 f.).
Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf die von der Klägerin als willkürlich
bezeichnete Auslegung und Anwendung des § 34 Abs. 1c MG NRW durch das
Oberverwaltungsgericht offensichtlich nicht vor:
Dies gilt zum einen für die Auslegung der gesetzlichen Begriffe des eigenen
Zugangs und des Portals im Sinne von § 34 Abs. 1c MG NRW. Das Oberver-
waltungsgericht hat ausgeführt, dass nach § 34 Abs. 1c Satz 1 MG NRW zwei
technische Möglichkeiten für den automatisierten Abruf von Auskünften über
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das Internet in Betracht kommen, nämlich der Abruf über einen eigenen Zugang
der Meldebehörde oder über ein Portal. Davon ausgehend ist nach seiner
Rechtsauffassung der gesetzliche Begriff des eigenen Zugangs dadurch ge-
kennzeichnet, dass der Antragsteller unmittelbar in Kontakt zur Meldebehörde
bzw. zu der von ihr installierten Software tritt. Die Meldebehörde wickelt das
Auskunftsersuchen in eigener Regie ab. Demgegenüber ist der Kontakt mit dem
Auskunftsersuchenden beim Betrieb eines Portals auf dieses "ausgelagert"; die
rechtliche Prüfung des Auskunftsersuchens bleibt der Meldebehörde vorbehal-
ten. Der gesetzliche Begriff des Portals ist nach der Rechtsauffassung des
Oberverwaltungsgerichts in § 34 Abs. 1c Satz 2 MG NRW abschließend um-
schrieben, während die Sätze 3 bis 5 die Voraussetzungen für den rechtmäßi-
gen Betrieb eines Portals benennen.
Das Oberverwaltungsgericht ist zu diesen Auslegungsergebnissen gelangt, in-
dem es die herkömmlichen Methoden der Gesetzesauslegung angewandt hat.
Es hat sich seine rechtlichen Überzeugungen aufgrund einer Auseinanderset-
zung mit Wortlaut, Systematik, Normzweck und Entstehungsgeschichte der
entscheidungserheblichen Regelungen gebildet. Es erschließt sich nicht, aus
welchem Grund die Auslegung des § 34 Abs. 1c MG NRW und die darauf beru-
hende rechtliche Würdigung der festgestellten Tatsachen willkürlich sein könn-
ten. Die Klägerin beruft sich auf das Willkürverbot, um den Rechtsauffassungen
des Oberverwaltungsgerichts zum Inhalt irrevisiblen Landesrechts ihre eigenen
abweichenden Rechtsauffassungen entgegen zu setzen.
Der Willkürvorwurf der Klägerin liegt auch in Bezug auf die Rechtsauffassungen
des Oberverwaltungsgerichts fern, das von der Beklagten genutzte Portal wer-
de in öffentlich-rechtlicher Form und auf deren Veranlassung betrieben. Jeden-
falls vertretbar und daher nicht willkürlich ist die Annahme des Oberverwal-
tungsgerichts, der öffentlich-rechtliche Charakter des Portalbetriebs ergebe sich
aus der öffentlich-rechtlichen Organisationsform der Betreiber, die staatlicher
Aufsicht unterlägen. Gleiches gilt für die Annahme, die erforderlichen Kontroll-
und Weisungsbefugnisse gegenüber den Portalbetreibern seien in dem Trans-
aktionsvertrag festgelegt; sie würden vom Dachverband im Auftrag seiner Mit-
glieder wahrgenommen.
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Soweit die Klägerin Einwendungen gegen die Annahmen des Oberverwal-
tungsgerichts erhebt, die Landesgesellschaft sei nicht in die technischen und
organisatorischen Dienstleistungen des Portals einbezogen, die Beklagte könne
sowohl auf die gleichmäßige Zulassung der Anfragenden als auch auf die Höhe
des Entgelts für Abrufe Einfluss nehmen, bezeichnet sie die fallbezogenen
rechtlichen Schlussfolgerungen als willkürlich, die das Oberverwaltungsgericht
aus den nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellten Tatsachen gezogen
hat. Gleiches gilt für die rechtliche Beurteilung des Oberverwaltungsgerichts,
die Klägerin als Meldedatenbroker betriebe selbst ein Portal im Sinne von § 34
Abs. 1c MG NRW, wenn sie direkten Internetzugang zu dem Meldedatenbe-
stand der Beklagten erhielte. Die Klägerin hält die Schlüsse des Oberverwal-
tungsgerichts jeweils für unrichtig, weil sie die tatsächlichen Verhältnisse selbst
grundlegend anders beurteilt. Sie setzt sich jedoch nicht mit den oben darge-
stellten Voraussetzungen einer willkürlichen Rechtsanwendung auseinander.
Im Übrigen betreffen die Rügen der willkürlichen Rechtsanwendung, die sich
nicht auf die Auslegung der landesgesetzlichen Begriffe des eigenen Zugangs
und des Portals beziehen, allesamt die Rechtmäßigkeit des Portalbetriebs, auf
die es nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts für den Erfolg
der Klage nicht ankommt (vgl. Abdruck des Berufungsurteils, Seite 30, 41 f.).
Auch aus diesem Grund sieht der Senat insoweit von einer weiteren Begrün-
dung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
d) Die Frage,
ob die Klägerin wie die anderen Wettbewerber in dem
Markt der sog. Meldedatenbroker ein derivatives Teilha-
berecht aus Art. 12 Abs. 1 GG auf Ausschöpfung der Leis-
tungskapazitäten der Beklagten für die Auskunftserteilung
sowie auf gleichheitskonforme Verteilung der Leistungen
hat,
ist nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam, weil sie auf der Grundlage der Recht-
sprechung von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht eindeutig
beantwortet werden kann. Danach vermittelt das Grundrecht der Berufsfreiheit
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grundsätzlich keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung bei der Berufsaus-
übung; insbesondere ist der Staat nicht grundgesetzlich verpflichtet, bestimmte
Leistungen zur Verfügung zu stellen, um die Berufsausübung zu fördern
(stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - BVerfGE
97, 169 <175> und Kammerbeschluss vom 3. Juli 2001 - 1 BvR 2337, 2338/00 -
NVwZ 2002, 197 <198>; BVerwG, Urteile vom 12. Juni 1970 - 7 C 70.68 -
BVerwGE 35, 269 <275> und vom 26. Juni 1970 - 7 C 143.66 - BVerwGE 35,
319 <323>). Die Klägerin kann ihrer beruflichen Tätigkeit als Meldedatenbroker
auch in Bezug auf Melderegisterauskünfte der Beklagten nachgehen, indem sie
das für Auskunftsersuchen Dritter eingerichtete Portal benutzt. Den Einsatz ei-
nes eigenen Portals neben oder anstelle des von der Beklagten eingeschalteten
Portals kann die Klägerin schon deshalb nicht verlangen, weil sie nicht im Be-
sitz der erforderlichen Zulassung für den Betrieb eines Portals nach § 34
Abs. 1c Satz 5 MG NRW ist.
2. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass das Berufungsurteil auf einer Di-
vergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO beruht. Dieser Revisionszulassungs-
grund setzt voraus, dass das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben
Rechtsvorschrift einen seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz
aufgestellt hat, der einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts zu der-
selben Rechtsvorschrift widerspricht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom
19. August 1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).
Daran fehlt es hier: Die Klägerin begründet ihre Divergenzrüge mit einer Abwei-
chung des Berufungsurteils von einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsge-
richts in dem Urteil vom 21. August 2003 - 3 C 49.02 - (BVerwGE 118, 379).
Danach ergibt sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG
ein Leistungsanspruch aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung, wenn diese
eine bestimmte Ermessenspraxis des Inhalts etabliert hat, bestimmte im Er-
messen stehende Leistungen zu gewähren. Die Klägerin benennt jedoch keinen
davon abweichenden Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, der das Beru-
fungsurteil tragen könnte. Ungeachtet dessen hat sich die Beklagte insoweit
gebunden, als sie einfache Melderegisterauskünfte an Dritte nicht über einen
eigenen Zugang, sondern unter Einschaltung eines Portals erteilt.
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Die hilfsweise für den Fall, dass die Divergenzrüge nicht durchgreifen sollte,
erhobene Grundsatzrüge mit der Frage, ob die von dem Berufungsgericht vor-
genommene Auslegung und Rechtsanwendung des § 34 MG NRW das bun-
desrechtliche Rechtsinstitut der Verwaltungspraxis i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ver-
letzt, zeigt angesichts der von der Klägerin selbst angeführten Rechtsprechung
keinen allgemeinen Bedarf an der Klärung von Inhalt und Reichweite des all-
gemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG in Bezug auf die Selbstbin-
dung der Verwaltung auf. Erneut macht die Klägerin in der Sache geltend, das
Oberverwaltungsgericht habe ihre Klage aufgrund einer fehlerhaften Würdigung
der festgestellten Tatsachen zu Unrecht abgewiesen.
3. Die Beschwerdebegründung lässt nicht erkennen, dass das Berufungsurteil
auf einem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruht.
a) Den in der Berufungsverhandlung gestellten weiteren Hilfsantrag, die Beklag-
te zu verpflichten, die Portalbetreiber zu veranlassen, der Klägerin einfache
Melderegisterauskünfte auf automatisierte Weise zu bestimmten Preisen zu
erteilen, hat das Oberverwaltungsgericht rechtsfehlerfrei nicht in der Sache be-
schieden. Der Antrag stellt eine Klageänderung dar, die das Oberverwaltungs-
gericht als unzulässig behandeln durfte.
Nach § 91 Abs. 1 VwGO, der nach § 125 Abs. 1 VwGO auch im Berufungsver-
fahren Anwendung findet, ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übri-
gen Beteiligten einwilligen, d.h. sich nach § 91 Abs. 2 VwGO darauf einlassen,
oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Eine Klageänderung liegt
vor, wenn der Kläger den Streitgegenstand des Verfahrens ändert. Dies ist der
Fall, wenn er seine Klage um ein Rechtsschutzbegehren erweitert, das auf der
Grundlage des bisherigen Prozessstoffes nicht beurteilt werden kann (stRspr;
vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 1983 - 1 B 116.83 - DVBl. 1984,
93). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben: Mit dem weiteren Hilfsantrag
hat die Klägerin verlangt, die Beklagte müsse für niedrigere Entgelte für die Por-
talbenutzung Sorge tragen. Dieses neue Klagebegehren hätte es erforderlich
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gemacht, sich mit der Preisgestaltung für die Inanspruchnahme des Portals zu
befassen, wofür der bisherige Prozessstoff nichts hergibt.
Das Oberverwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, weder habe die
Beklagte rechtswirksam in die Klageänderung eingewilligt noch sei diese sach-
dienlich:
Auf der Grundlage seiner bindenden tatsächlichen Feststellungen hat das
Oberverwaltungsgericht die Äußerung des Leiters des Rechtsamts der Beklag-
ten in der Berufungsverhandlung, es werde Klageabweisung zu beantragen
sein, zutreffend als unbeachtlich, weil nicht von dessen Prozessvollmacht ge-
deckt angesehen. Seine Auffassung, die Äußerung stelle nach ihrem Erklä-
rungsinhalt keine Einlassung im Sinne von § 91 Abs. 2 VwGO dar, weil sie sich
inhaltlich nicht mit der Klageänderung befasst habe, beruht auf einer revisions-
gerichtlich nicht zu beanstandenden Auslegung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom
3. März 1995 - 4 B 26.95 - juris Rn. 15 und vom 25. Juni 2009 - 9 B 20.09 -
Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 37 Rn. 5).
Die Entscheidung über die Sachdienlichkeit einer Klageänderung steht im Er-
messen des Tatsachengerichts. Das Revisionsgericht ist darauf beschränkt zu
prüfen, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit ver-
kannt und damit die Grenzen seines Ermessens überschritten hat. Eine Klage-
änderung ist in der Regel als sachdienlich anzusehen, wenn sie der endgültigen
Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten dient und der Pro-
zessstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (stRspr; vgl. BVerwG, Urteil vom
18. August 2005 - 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <136>). Diese Vorausset-
zungen hat das Oberverwaltungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Es hat ange-
nommen, es würden zusätzliche Ermittlungen zu den Kosten des Portalbetriebs
erforderlich werden, die das Verfahren verzögern würden. Nach dem Prozess-
verlauf bis zur Berufungsverhandlung habe die Beklagte keinen Anlass gehabt,
sich mit der Preisgestaltung zu befassen.
b) Ohne Erfolg bleiben auch die Aufklärungsrügen, mit denen sich die Klägerin
gegen die Ablehnung zweier Beweisanträge durch das Oberverwaltungsgericht
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wendet. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass das Oberverwaltungsgericht sei-
ne Pflicht zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt hat.
Eine Aufklärungsrüge genügt den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO, wenn der Beschwerdeführer darlegt, welche Tatsachen das Gericht hät-
te aufklären müssen, welche Beweismittel ihm hierfür zur Verfügung gestanden
hätten, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich erbracht hätte
und inwiefern das angefochtene Urteil auf der Grundlage der materiell-
rechtlichen Auffassung auf der unterbliebenen Aufklärung beruhen kann
(stRspr; vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 2008 - 2 B 119.07 -
Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 5).
Mit dem Beweisantrag des Inhalts, die Beklagte setze die Software "O." ein, die
in tatsächlicher Hinsicht die Qualität eines Portals aufweise und die Anforde-
rungen des § 34 Abs. 1c MG NRW erfülle, hat die Klägerin bereits keine be-
weisbedürftige Tatsache bezeichnet. Es ist unstreitig und bedarf daher nicht
des Beweises, dass die Beklagte die Software "O." einsetzt, um die von der
Plattform "Z." weitergeleiteten Auskunftsersuchen zu bearbeiten und das Er-
gebnis der Bearbeitung an das Portal zu übersenden. Die unter Beweis gestell-
te Frage nach der Eigenschaft von "O." als Portal im Sinne von § 34 Abs. 1c
MG NRW ist eine Rechtsfrage, die aufgrund einer rechtlichen Würdigung der
festgestellten Tatsachen am Maßstab des § 34 Abs. 1c Satz 2 MG NRW zu
beantworten ist. Die von der Klägerin angebotenen Zeugen hätten lediglich ihre
eigene - für das Gericht unverbindliche - Rechtsauffassung zu dieser Frage dar-
legen können. Im Übrigen verkennt die Klägerin, dass es nach der Rechtsauf-
fassung des Oberverwaltungsgerichts für die Frage der Eigenschaft als Portal
nicht auf die technische Machbarkeit eines solchen Einsatzes, sondern auf den
tatsächlichen Einsatz ankommt.
Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Beweisantrag nicht ablehnen
dürfen, durch Zeugenvernehmung den Nachweis zu führen, dass die … Be-
triebs-GmbH & Co. KG nicht in den Transaktionsvertrag eingetreten ist, den der
Dachverband … mit der … Besitz-GmbH & Co. KG geschlossen hat, genügt
den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht. Die Kläge-
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rin hat nicht aufgezeigt, aus welchem Grund die Zeugenvernehmung ein Er-
gebnis hätte erbringen können, das vom Inhalt des von dem angebotenen Zeu-
gen unterzeichneten Schreibens vom 14. März 2007 abweicht. Dieses Schrei-
ben hat die Beklagte in das Berufungsverfahren eingeführt; das Oberverwal-
tungsgericht hat den Inhalt dem Berufungsurteil zugrunde gelegt. Daraus geht
hervor, dass ab 1. Januar 2007 die …-Betriebsgesellschaft Vertragspartner des
Dachverbands … sei. Aufgrund dieses Schreibens hat das Oberverwaltungsge-
richt ohne Darlegung besonderer Umstände zu Recht keinen Anlass zu der be-
antragten Zeugenvernehmung gesehen.
c) Schließlich hat auch die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des
erkennenden Gerichts (§ 138 Nr. 1 VwGO) keinen Erfolg. Aus dem Geschäfts-
verteilungsplan des erkennenden Senats für 2015 geht für den verständigen
Leser unmissverständlich hervor, welche drei der dem Senat angehörenden
vier Berufsrichter an Kollegialentscheidungen mitzuwirken hatten. In dem Ge-
schäftsverteilungsplan ist - wie nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geboten - nach
abstrakt-generellen Kriterien geregelt, welche Berufsrichter in welchen Verfah-
ren Berichterstatter und Mitberichterstatter sind. Es kann als bekannt vorausge-
setzt werden, dass Berichterstatter und Mitberichterstatter die Kollegialent-
scheidungen vorzubereiten haben. Davon ausgehend lässt die abstrakt-
generelle Zuordnung der eingehenden Verfahren an Berichterstatter und Mitbe-
richterstatter nur den Schluss zu, dass diese, nicht aber der nicht mit der Ent-
scheidungsvorbereitung befasste vierte Richter, neben dem Senatsvorsitzen-
den an der jeweiligen Entscheidung mitzuwirken haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Neumann
Dr. Heitz
Hahn
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