Urteil des BVerwG vom 15.06.2009

Verfahrensmangel, Bier, Meinung, Entstehung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 12.09
VGH 10 B 08.1677
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Juni 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Graulich und Dr. Bier
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 18. November 2008 wird zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 1 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Abweichungs- (1.), Grundsatz- (2.) und Verfahrensrüge (3.) gestütz-
te Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.
1. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist
nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet,
wenn die Beschwerde - vorliegend eine Abweichung von der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts rügend - einen inhaltlich bestimmten, die ange-
fochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die
Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf-
gestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tra-
genden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen
hat (vgl. Beschluss vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310
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§ 133 VwGO Nr. 18). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde
nicht.
Der vom Kläger in Bezug genommene Gerichtsbescheid des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 26. Juni 1997 - BVerwG 1 A 10.95 - (Buchholz 452.00 § 93
VAG Nr. 1) ist nicht zu Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG ergangen, auf wel-
chem das streitgegenständliche Urteil beruht, sondern zu § 13 des Verwal-
tungsvollstreckungsgesetzes - VwVG - des Bundes. Die Abweichung in einem
tragenden abstrakten Rechtssatz kommt schon deshalb nicht in Betracht. Im
Übrigen benennt die Beschwerde keinen das angefochtene Berufungsurteil tra-
genden abstrakten Rechtssatz, der einem in dem Gerichtsbescheid des Bun-
desverwaltungsgerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz widerspräche,
sondern rügt lediglich die - vermeintlich - fehlerhafte Anwendung von Rechts-
sätzen des Bundesverwaltungsgerichts. Damit zeigt sie keine Divergenz im
Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
2. Die Beschwerde bleibt aber auch ohne Erfolg, soweit der Beschwerdeführer
sie - innerhalb der in § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO bezeichneten Frist - sinnge-
mäß auch auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO gestützt haben sollte. Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde zu
Unrecht geltend gemacht, das Urteil beruhe auf der Abweichung von einer Ent-
scheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wird aber durch die Behauptung
einer Abweichung in Wirklichkeit eine Rechtsfrage aufgeworfen, die der Rechts-
sache grundsätzliche Bedeutung gibt, so ist die Revision wegen dieser Frage
zuzulassen (Beschluss vom 11. Mai 1966 - BVerwG 8 B 109.64 - BVerwGE 24,
91 = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 51). In einem solchen Falle muss aber die
auf diese Weise als vermeintlich rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage in ei-
nem Revisionsverfahren geklärt werden können (Beschluss vom 4. Dezember
2006 - BVerwG 2 B 57.06 - juris Rn. 3). Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil
es an einer klärungsfähigen Frage des Bundesrechts fehlt (a). Die Beschwerde
wirft aber darüber hinaus auch - soweit sie den Zusammenhang mit Bundes-
recht herstellt - keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage auf (b).
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a) Das angegriffene Urteil beruht in dem von der Beschwerde angesprochenen
Teil nicht auf revisiblem Recht. Die Revision kann nach § 137 Abs. 1 VwGO nur
darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von
Bundesrecht (Nr. 1) oder einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes
eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz
des Bundes übereinstimmt (Nr. 2), beruht. Dies ist nicht der Fall, denn der Klä-
ger behauptet die fehlerhafte Anwendung von Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG,
an die er Rechtsfragen knüpft. Das Verwaltungsvollstreckungsrecht der Länder
gehört aber nicht zum Verwaltungsverfahrensrecht i.S.v. § 137 Abs. 1 Nr. 2
VwGO, sondern zum irrevisiblen Landesrecht (Beschluss vom 30. November
1994 - BVerwG 4 B 243.94 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 59 S. 5).
b) Die Beschwerde bringt zwar vor, es stehe „offensichtlich eine Verletzung von
Bundesrecht, namentlich Art. 20 Abs. 3 GG im Raum (§ 132 Abs. 1 Nr. 1
VwGO)“. Wenn man Art. 36 Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG die Möglichkeit der An-
drohung eines „Gesamtzwangsgeldes“ entnehmen wollte, werde gegen diesen
Grundsatz der Bundesverfassung verstoßen. Mit diesem Vorbringen wird aber
keine klärungsbedürftige Frage i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgeworfen.
Denn eine Rechtsfrage des Landesrechts wird nicht schon dadurch zu einer
grundsätzlichen Frage des revisiblen Rechts, dass geltend gemacht wird, das
Berufungsgericht habe die Frage unter Verletzung von Bundesrecht - hier von
Bundesverfassungsrecht - beantwortet (Beschluss vom 9. März 1984 - BVer
- Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49). Die Verletzung von
Bundesrecht durch Landesrecht vermag deshalb die Zulassung der Revision
gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dann nicht zu rechtfertigen, wenn nicht das
Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig erscheint.
Hier muss im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung dargelegt werden, dass
der bundesverfassungsrechtliche Maßstab selbst einen die Zulassung der
Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf aufweist (Pietzner, in: Schoch/
Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. 2, Stand Oktober 2008, § 132 Rn. 43
m.w.N.). Eine solche - auf die rechtliche Klärung von Art. 20 Abs. 3 GG gerich-
tete - Rechtsfrage ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.
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Im Übrigen lässt sich die Frage, ob der Adressat eines etwa angedrohten „Ge-
samtzwangsgeldes“ wissen kann, für welche Zuwiderhandlung er welche
Zwangsmaßnahme zu erwarten hat, ohnehin nicht allgemein beantworten, son-
dern hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (s. auch Gerichts-
bescheid vom 26. Juni 1997 a.a.O.).
3. Ebenso bleibt die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ohne Erfolg.
Die Beschwerde sieht einen Verfahrensfehler im Begründungsgang des Beru-
fungsurteils, soweit darin die Textgeschichte der streitgegenständlichen
Zwangsgeldandrohung angeführt wird (UA S. 6). Die dort gezogene Schlussfol-
gerung, „die Fassung der Zwangsgeldandrohung im Widerspruchsbescheid
wurde von der Beklagten in dem gerichtlichen Vergleich und später in dem hier
maßgeblichen Bescheid vom 18. Juli 2001 übernommen und beruht daher er-
kennbar auf den gleichen Erwägungen“, enthält nach Ansicht der Beschwerde
einen Zirkelschluss, weil auf diese Weise, was zu beweisen wäre, bereits als
erwiesen angesehen werde. Darin liege ein Verfahrensmangel, auf dem die
Entscheidung nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen könne.
Diese Rüge führt nicht zum Erfolg, weil sie die Auslegung eines Verwaltungs-
akts angreift, die revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem
sachlichen Recht zuzurechnen ist. Allenfalls eine Verletzung der Denkgesetze
könnte unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die Grundsätze einer
ordnungsgemäßen richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1
VwGO) ausnahmsweise als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden.
Ein solcher Verstoß liegt hier aber ersichtlich nicht vor. Ein Tatsachengericht
verstößt nicht schon dann gegen die Denkgesetze, wenn es nach Meinung des
Beschwerdeführers unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat. Es
muss sich vielmehr um schlechthin unmögliche, von Willkür geprägte Schluss-
folgerungen handeln (s. nur Beschluss vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 B
154.03 – NVwZ 2004, 627). So verhält es sich hier nicht. Das Berufungsgericht
hat die Entstehung der entscheidungserheblichen Fassung der Zwangsgeldan-
drohung und ihr inhaltliches Verständnis ausführlich erörtert und sich daraus
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eine begründete Meinung gebildet, die die durch den Überzeugungsgrundsatz
gezogenen Grenzen wahrt.
4. Auch im Übrigen führt das Beschwerdevorbringen auf keinen Verfahrens-
mangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Insoweit sieht
der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO von einer weiteren Begründung
ab.
5. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist
(§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 47,
52 Abs. 3 GKG.
Dr. Bardenhewer
Dr. Graulich
Dr. Bier