Urteil des BVerwG vom 18.02.2014

Rechtliches Gehör, Rüge, Fehlerhaftigkeit, Verfahrensrecht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 PKH 51.13
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Februar 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Häußler
beschlossen:
Der Antrag des Klägers, ihm für eine Anhörungsrüge ge-
gen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom
4. Dezember 2013 - BVerwG 5 B 42.13 - Prozesskosten-
hilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen,
wird abgelehnt.
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G r ü n d e :
Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden, weil das beabsich-
tigte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO
i.V.m. § 114 Satz 1 und § 121 Abs. 1 ZPO). Die beabsichtigte Anhörungsrüge
des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 4. Dezember 2013
- BVerwG 5 B 42.13 -, mit dem der Senat die Beschwerde des Klägers gegen
die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungs-
gerichts vom 4. Dezember 2012 zurückgewiesen hat, kann keinen Erfolg ha-
ben, weil der Senat den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Ge-
hörs nicht im Sinne von § 152a Abs. 1 Nr. 2 VwGO in entscheidungserheblicher
Weise verletzt hat.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen
der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.
Eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings nur dann dargetan, wenn
sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekom-
men ist (BVerfG, Beschluss vom 28. März 1985 - 1 BvR 1245/84, 1254/84 -
BVerfGE 69, 233 <246>). Die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem
Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BVerfG,
u.a. Beschluss vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 - BVerfGE 42, 364 <368>).
Deshalb müssen, wenn ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt wer-
den soll, im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Vor-
bringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen
oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (BVerfG,
u.a. Beschlüsse vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>
und vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <187 f.>). Die An-
hörungsrüge dient der Kontrolle des Gerichts, ob es das Gebot rechtlichen Ge-
hörs im vorgenannten Sinne verletzt hat (Beschluss vom 7. April 2011
- BVerwG 5 PKH 5.11 - juris Rn. 2). Im Hinblick auf die Begründung eines da-
rauf gerichteten Prozesskostenhilfeantrags ist es erforderlich, dass dieser das
Vorliegen eines Anhörungsmangels in groben Zügen erkennen lässt (vgl. zur
Darlegung von Zulassungsgründen für Nichtzulassungsbeschwerden etwa Be-
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schlüsse vom 8. September 2008 - BVerwG 3 PKH 3.08 - juris Rn. 3 und vom
30. Juli 2012 - BVerwG 5 PKH 8.12 - juris Rn. 2, jeweils m.w.N.). Das ist hier
nicht der Fall. Eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf
Gewährung rechtlichen Gehörs hat der Kläger auch im vorgenannten Sinne
nicht aufgezeigt (§ 152a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 VwGO).
In seinem Schriftsatz zur Begründung seines Prozesskostenhilfebegehrens vom
27. Dezember 2013 (S. 1 ff.) unterbreitet der Kläger erneut den umfänglichen
Streitstoff aus den vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Er
rügt eine Verletzung rechtlichen Gehörs, weil der Senat im Nichtzulassungsbe-
schwerdeverfahren neben der anwaltlichen Begründung dieser Beschwerde
den „Gesamtvortrag des Klägers mit gesamten im Berufungsverfahren einge-
reichten Schriftsätzen, einschließlich aller anwaltlichen Schreiben (und) der
gleichsam zu würdigenden PKH-Antragsschrift vom 04.02.2013“ im tragenden
Wesensgehalt ausgeblendet habe.
Dieser Vortrag und die damit verbundenen einzelnen Angriffe des Klägers ver-
kennen den Prüfungsumfang und den Prüfungsmaßstab, den der Senat bei der
Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde zu legen hat.
Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist ein Zwischenverfahren, das
nur dazu dient festzustellen, ob ein geltend gemachter gesetzlicher Zulas-
sungsgrund tatsächlich gegeben ist. In diesem Verfahren prüft das Bundesver-
waltungsgericht ausschließlich das inhaltliche Vorbringen der Beschwerdebe-
gründung, so dass Verweisungen auf früheres schriftsätzliches Vorbringen
grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind (vgl. Beschluss vom 19. November
1993 - BVerwG 1 B 179.93 - Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 13). Die Be-
gründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss den gesetzlichen Darlegungs-
anforderungen (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) entsprechen und als solche
schlüssig sein; das Gericht ist nicht gehalten, sämtlichen Vortrag aus vorange-
gangenen Verfahren auf etwaige Anhaltspunkte für Zulassungsgründe durchzu-
sehen. Viele der vom Kläger nunmehr vorgebrachten Gründe und die diesen
zugrunde liegenden Umstände waren zudem nicht Gegenstand der anwaltli-
chen Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde. So rügt der Kläger (im
Schriftsatz zur Begründung seines Prozesskostenhilfebegehrens vom
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27. Dezember 2013, S. 8, 9) etwa eine Verletzung des Anspruchs auf rechtli-
ches Gehör und eine Überraschungsentscheidung des Oberverwaltungsge-
richts. Diese Verfahrensrügen sind aber - unabhängig davon, ob sie überhaupt
zur Darlegung eines Zulassungsgrundes geeignet sein konnten - im Verfahren
der Nichtzulassungsbeschwerde nicht bzw. nicht in substantiierter Form vorge-
bracht worden.
Des Weiteren geht auch der Vortrag des Klägers ins Leere, mit dem er den aus
seiner Sicht „diskriminierenden Schriftsatz der Beklagten vom 15.07.2013“ an-
greift, mit dem diese auf die Beschwerdebegründung des Klägers im Nichtzu-
lassungsbeschwerdeverfahren erwidert hat und die der Kläger - wie er im Ein-
zelnen ausführt - für unzutreffend und richtigstellungsbedürftig hält (Schriftsatz
des Klägers vom 27. Dezember 2013, S. 2 ff.). Ebenso kann eine Verletzung
des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht darin liegen, dass der
Kläger im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht noch die Möglichkeit ge-
nutzt hat, seinerseits auf diese Erwiderung der Beklagten zu replizieren. Maß-
geblich für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde und für die
Erfolgsaussichten der hierauf bezogenen vom Kläger beabsichtigten Anhö-
rungsrüge ist nicht - wie der Kläger möglicherweise annimmt - eine Auseinan-
dersetzung damit, ob und inwieweit der Vortrag der Beklagten im Nichtzulas-
sungsbeschwerdeverfahren zutraf, sondern ob der Senat das Vorbringen zu
den Zulassungsgründen, die der Kläger im anwaltlichen Schriftsatz innerhalb
der zweimonatigen Begründungsfrist (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) vorgebracht
hat, nicht berücksichtigt oder nicht in Erwägung gezogen hat. Das war jedoch
nicht der Fall. Der Senat hat das Beschwerdevorbringen sowohl zur Kenntnis
genommen, es in Erwägung gezogen und sich in dem Beschluss vom 4. De-
zember 2013 - BVerwG 5 B 42.13 - in der gebotenen Weise damit auseinander
gesetzt.
Schließlich vermag der Kläger auch mit den zahlreichen Angriffen, mit denen er
die inhaltliche Richtigkeit des genannten Beschlusses des Senats bzw. dessen
Vereinbarkeit mit materiellem oder Verfahrensrecht in Zweifel zu ziehen ver-
sucht und ihn „antragsbegründend richtigstellen“ möchte (Schriftsatz des Klä-
gers vom 27. Dezember 2013, S. 6 ff.), eine Verletzung des Anspruchs auf Ge-
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währung rechtlichen Gehörs nicht darzutun. Das gilt etwa beispielhaft für die
Rüge, der angegriffene Beschluss des Senats sei „falsch und irreführend, je-
denfalls in Bezug auf das Sozialhilferecht …, dass die geltend gemachten Zu-
lassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 (VwGO) nicht vorlägen, bloß
weil das BSG nicht in dieser Vorschrift genannt sei“ (a.a.O. S. 6). Abgesehen
davon, dass der Senat die Divergenzrüge selbständig tragend auch deshalb als
nicht hinreichend dargelegt erachtet hat, weil der Kläger der Sache nach nur
einen Rechtsanwendungsfehler geltend gemacht hatte, der die Zulassung der
Revision wegen Divergenz nicht zu rechtfertigen vermochte, lässt sich mit den
Vorwürfen des Klägers gegen die inhaltliche Richtigkeit des angegriffenen
Nichtzulassungsbeschlusses ein Anhörungsmangel nicht aufzeigen. Mit Ein-
wendungen, die sich auf die Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung beziehen, kann
eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht be-
gründet werden. Dieser Anspruch gebietet nur, dass - wie bereits oben darge-
legt - das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung
gezogen wird, nicht aber, dass das Gericht den Vorstellungen oder Rechtsan-
sichten eines Beteiligten folgt (vgl. etwa Beschluss vom 20. März 2013
- BVerwG 7 C 3.13 - juris Rn. 2 m.w.N.).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2
VwGO ).
Vormeier
Dr. Störmer
Dr. Häußler
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