Urteil des BVerwG vom 18.03.2009

Rechtliches Gehör, Akteneinsicht, Hund, Offenkundig

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 PKH 1.09
VGH 10 A 842/08
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. März 2009
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen
beschlossen:
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Der Antrag des Klägers, ihm für eine Beschwerde gegen
die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Dezember
2008 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
G r ü n d e :
Dem Kläger kann die begehrte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden; denn
eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bietet keine hinrei-
chende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1, § 121
Abs. 1 ZPO). Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
bis 3, § 133 VwGO) ergibt sich weder aus den Gründen, die der Kläger zur Be-
gründung seines Prozesskostenhilfeantrages bezeichnet hat, noch ist er sonst
erkennbar.
1. Die Revision ist nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssa-
che (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
1.1 Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung tragend darauf gestützt, dass
dem Kläger kein berechtigtes Interesse an der Feststellung zustehe, dass der
im Zuge des Berufungsverfahrens aufgehobene Aufhebungs- und Rückforde-
rungsbescheid auch insoweit, als er nicht bereits durch das Urteil des Verwal-
tungsgerichts aufgehoben worden war, rechtswidrig gewesen sei. Die insoweit
aufgeworfenen Rechtsfragen zur Auslegung und Anwendung des § 113 Abs. 1
Satz 4 VwGO sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ge-
klärt (dazu etwa die Nachweise bei Kienemund, in: Brandt/Sachs ,
Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 3. Aufl., M
meine Prozessvoraussetzungen und Klagearten> Rn. 119 ff.). Der Verwal-
tungsgerichtshof hat im Einklang mit diesen Grundsätzen entschieden, dass ein
Fortsetzungsfeststellungsinteresse hier auch nicht aus dem vom Kläger einge-
leiteten Wiederaufnahmeverfahren folge, weil bei der Prüfung der Rechtswid-
rigkeit des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids allein entscheidungser-
heblich sei, ob dem Kläger vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten im
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Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorzuwerfen sei, weil er verschwiegen ha-
be, keine Miete zu entrichten.
1.2 Aus den zu § 188 VwGO aufgeworfenen Fragen folgt schon deswegen kei-
ne die Revisionszulassung rechtfertigende grundsätzliche Bedeutung, weil das
Bundesverwaltungsgericht in ständiger Praxis, ohne insoweit einen vertiefenden
Begründungsbedarf zu sehen, in Verfahren, in denen um Wohngeld nach dem
Wohngeldgesetz gestritten wird, nicht nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO
Gerichtskostenfreiheit annimmt (BVerwG, Urteil vom 29. September 2005
- BVerwG 5 C 7.03 -), und zwar auch für die Zeit nach der Neufassung durch
das 7. SGG-ÄndG (BVerwG, Beschluss vom 17. Juni 2005 - BVerwG 5 B
115.04 -; s.a. OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. August 2007 - 4 OA 12/06 -
NVwZ-RR 2008, 68). Selbst wenn das Berufungsgericht dies in der Vergangen-
heit anders beurteilt haben und von einer bisherigen Rechtsprechung abgewi-
chen sein sollte, rechtfertigt dies unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die
Zulassung der Revision. Es kommt hinzu, dass hiervon allein die Entscheidung
im Kostenausspruch betroffen wäre.
1.3 Die weiteren von dem Kläger angeschnittenen Rechtsfragen führen schon
deswegen nicht zur Revisionszulassung, weil sie nicht entscheidungserheblich
sind.
2. Einer Revisionszulassung wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) steht
bereits entgegen, dass das Berufungsgericht hier ohne Abweichung von der
Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte und
insbesondere im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse abgelehnt hat.
3. Mit Aussicht auf Erfolg kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
Revision auch nicht auf Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützt
werden. Für einen Verfahrensfehler, der zur Zulassung der Revision führen
könnte, ist auch in Ansehung des Vorbringens des Klägers, der „multiple“, im-
merhin fünffache Verfahrensmängel geltend macht, nichts ersichtlich.
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Das Vorbringen des Klägers vernachlässigt insbesondere, dass für die Frage,
ob ein Verstoß gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103
Abs. 1 GG) und die Entscheidung mit Gründen zu versehen (§ 117 Abs. 2 Nr. 5
VwGO), auf die entscheidungserhebliche Rechtsauffassung des Gerichts abzu-
stellen ist. Es sind zudem nur die für die Entscheidung wesentlichen Gründe
mitzuteilen; ein Gericht hat sich nicht mit jedem einzelnen vorgetragenen Ge-
sichtspunkt auseinanderzusetzen. Auf welchen rechtlichen Gesichtspunkt das
Gericht dabei entscheidungstragend abstellt, ist für die Verfahrensrüge uner-
heblich. Verfahrensrecht gewährt einem Kläger insbesondere auch keinen An-
spruch darauf, dass ein Gericht auch dann, wenn es für die verfahrensbeen-
dende Sachentscheidung hierauf nicht ankommt, Rechtsfragen entscheidet, an
deren Klärung aus Sicht eines Verfahrensbeteiligten ein gesteigertes Interesse
bestehen mag.
4. Der Senat konnte über das Prozesskostenhilfegesuch entscheiden, ohne
dem Antrag nachzugehen, die Akten zu den auf Seite 9 des Schriftsatzes vom
19. Januar 2009 bezeichneten Verfahren beizuziehen, weil es für seine Ent-
scheidung auf deren Inhalt offenkundig nicht ankommen kann. Aus demselben
Grund hatte der Senat weiterhin nicht die bereits zurückgereichten Verwal-
tungsvorgänge, die der Kläger nach Maßgabe des Verwaltungsverfahrensge-
setzes bei der aktenführenden Behörde vor Ort hätte einsehen können, wieder
beizuziehen, um dem Kläger dann Akteneinsicht zu gewähren. Der Anspruch
auf Akteneinsicht nach § 100 VwGO bezieht sich auf die dem Gericht vorgeleg-
ten Akten und gewährt keinen Anspruch darauf, Verwaltungsvorgänge allein
deswegen beizuziehen, um dann Aktensicht gewähren zu können. Die vom
Kläger im Schriftsatz vom 9. Februar 2009 geäußerte Erwartung ist vom Bun-
desverwaltungsgericht weder hervorgerufen noch bekräftigt worden.
5. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO
).
Hund
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