Urteil des BVerwG vom 10.08.2015

Versetzung, Abgrenzung, Anwartschaft, Eingriff

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 PB 9.15
OVG 62 PV 12.13
In der Personalvertretungssache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. August 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer
beschlossen:
Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Nichtzulassung
der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Oberverwal-
tungsgerichts Berlin-Brandenburg - Fachsenat für Perso-
nalvertretungssachen des Bundes - vom 20. Februar 2015
wird verworfen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Beteiligten nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1
ArbGG hat keinen Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen der von der Beteiligten geltend ge-
machten grundsätzlichen Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechts-
frage zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92
Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt einer Rechtsfrage nur zu,
wenn mit ihr eine für die erstrebte Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche
Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des
Rechts der Klärung bedarf. Die Rechtsfrage muss zudem klärungsfähig sein,
was der Fall ist, wenn sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz beantwortet werden
kann. Das Darlegungserfordernis des § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 2
i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 ArbGG setzt die Formulierung einer be-
stimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde-
entscheidung erheblichen Rechtsfrage sowie die Angabe voraus, worin die all-
gemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht (vgl. BVerwG,
Beschluss vom 28. Juli 2014 - 5 PB 1.14 - juris Rn. 4). Daran gemessen kommt
die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht in Betracht.
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Die von der Beteiligten für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage,
"Kann der örtliche Personalrat einer Agentur für Arbeit
bzw. der Bezirkspersonalrat der übergeordneten Regio-
naldirektion die Zustimmung zu einer Versetzung gemäß
§ 75 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG und/oder Zuweisung gemäß
§ 75 Abs. 1 Nr. 4a BPersVG beachtlich (und begründet)
mit der Begründung verweigern, es bestehe die durch
Tatsachen begründete Besorgnis, dass durch die Maß-
nahme andere Beschäftigte benachteiligt werden, wenn
diesen eine Tätigkeit in einem Jobcenter zugewiesen ist
und sie in diesem Jobcenter tätig sind?" (Beschwerdebe-
gründung vom 18. Mai 2015 S. 4),
und die sie ergänzenden Ausführungen erfüllen nicht die gesetzlichen Darle-
gungsanforderungen.
Soweit sich die Frage auf den "örtlichen Personalrat" bezieht, wird die Be-
schwerde den an die Darlegung einer Grundsatzrüge zu stellenden Anforde-
rungen schon deshalb nicht gerecht, weil sie von einem Sachverhalt ausgeht,
den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 29. Januar 2014 - 5 B 1.13 - juris Rn. 4). Der Frage liegt die Annahme zu-
grunde, der örtliche Personalrat habe seine Zustimmung zur Versetzung und
Zuweisung wegen der Besorgnis ungerechtfertigter Benachteiligung anderer
Beschäftigter verweigert. Dies hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt.
Nach seiner Ansicht kommt es auf die Gründe, die der örtliche Personalrat für
seine Weigerung schriftlich dargelegt habe, nicht mehr an, wenn sich der Vor-
gang wie hier bereits im Stufenverfahren befinde (vgl. BA S. 6).
Darüber hinaus fehlt es an einer ordnungsgemäßen Darlegung der Klärungsbe-
dürftigkeit. Der Inhalt der zu klärenden Rechtsfrage muss der Beschwerdebe-
gründung zweifelsfrei zu entnehmen sein. Andernfalls kann die Klärungsbedürf-
tigkeit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfrage nicht beurteilt
werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juni 2009 - 6 PB 10.09 - juris Rn. 2).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde in mehrfacher Hinsicht nicht. Die
Frage und die sie ergänzenden Ausführungen lassen bereits nicht mit letzter
Klarheit erkennen, ob der letzte Halbsatz der Frage mit dem Wort "diesen" auf
Personen Bezug nimmt, die dem Jobcenter bereits angehören oder auf Perso-
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nen, die dem Jobcenter erst künftig angehören sollen. Soweit die Beteiligte im
letztgenannten Sinne verstanden werden möchte, bleibt unklar, ob damit die
Beschäftigten gemeint sind, deren Versetzung und/oder Zuweisung Gegen-
stand des konkreten Zustimmungsverfahrens ist oder andere Beschäftigte, die
ebenfalls eine Versetzung an die betreffende Agentur für Arbeit und/oder Zu-
weisung an das betreffende Jobcenter anstreben. Des Weiteren ist der Be-
schwerdebegründung nicht mit der gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit zu
entnehmen, was geklärt werden soll. Die aufgeworfene Frage ist ihrem Wortlaut
nach auf die Klärung der Frage gerichtet, ob die Zustimmung zur Versetzung
und/oder Zuweisung wegen einer durch Tatsachen begründeten Besorgnis ei-
ner Benachteiligung anderer Beschäftigter verweigert werden könne. Demge-
genüber soll sie nach den weiteren Ausführungen der Beschwerdebegründung
die Zuständigkeit der Personalräte der Agenturen für Arbeit und Bezirksperso-
nalräte der Regionaldirektionen in Abgrenzung zu den Personalräten der Job-
center betreffen (vgl. Beschwerdebegründung vom 18. Mai 2015 S. 8). Dies hat
allerdings in der Formulierung der Frage keinen hinreichenden Niederschlag
gefunden. Soweit die aufgeworfene Frage als Frage nach der Zulässigkeit der
Begründung zu verstehen ist, genügt die Beschwerde auch deshalb nicht den
Darlegungsanforderungen, weil sie den gesetzlichen Zustimmungsverweige-
rungsgrund des § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG ("die durch Tatsachen begründete
Besorgnis besteht, dass durch die Maßnahme […] andere Beschäftigte benach-
teiligt werden") im Wesentlichen wörtlich wiedergibt, ohne Aspekte aufzuzeigen,
die insoweit einen Klärungsbedarf in rechtlicher Hinsicht begründen könnten.
Soweit die Beteiligte die aufgeworfene Frage als Frage nach der Abgrenzung
der Zuständigkeiten der Personalvertretungen verstanden wissen möchte, legt
sie Tatsachen zugrunde, die das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat.
Sie geht davon aus, dass keiner der anderen Beschäftigten in der Agentur für
Arbeit B… S… tätig gewesen sei, für die der ursprünglich zur Zustimmung auf-
geforderte örtliche Personalrat zuständig gewesen sei (vgl. Beschwerdebe-
gründung vom 18. Mai 2015 S. 5). Nach den Feststellungen des Oberverwal-
tungsgerichts, gegen die keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen
erhoben wurden, hat der Antragsteller indessen mit den Beschäftigten Br…,
H… und L… auch Beschäftigte aus dem Bereich des örtlichen Personalrats der
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Agentur für Arbeit B… S… benannt, die in das besagte Jobcenter wechseln
wollten (vgl. BA S. 3 und 9).
2. Die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen der von der Beteiligten geltend ge-
machten Divergenz zuzulassen.
Nach den gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG entsprechend anzuwendenden § 92
Abs. 1 Satz 2 und § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ist die Rechtsbeschwerde zuzulas-
sen, wenn der angefochtene Beschluss von einer Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des
Bundes, des Bundesverwaltungsgerichts oder, solange eine Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer
Entscheidung eines anderen Senats desselben Oberverwaltungsgerichts bzw.
Verwaltungsgerichtshofs oder eines anderen Oberverwaltungsgerichts bzw.
Verwaltungsgerichtshofs abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung
beruht. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Entschei-
dung, von der der angefochtene Beschluss abweicht, zu bezeichnen (§ 92a
Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG). Eine die Rechtsbeschwerde
eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwer-
de einen abstrakten, inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tra-
genden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtspre-
chung eines der aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Ent-
scheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift wi-
dersprochen hat. Eine solche Divergenz kann auch dann anzunehmen sein,
wenn beide Entscheidungen auf der Grundlage von verschiedenen, aber in-
haltsgleichen Rechtsnormen ergangen sind (stRspr; vgl. z.B. BVerwG, Be-
schluss vom 15. September 2014 - 5 PB 2.14 - juris Rn. 2 m.w.N.). Gemessen
daran ist die Beschwerde der Beteiligten schon nicht ausreichend begründet.
Die Beteiligte sieht einen Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts darin, dass das Oberverwaltungsgericht angenommen habe,
"[b]ereits die Nicht-Berücksichtigung im Rahmen der Zuweisung zu einer be-
stimmten Dienststelle kann die Besorgnis der Benachteiligung der nicht berück-
sichtigten, in anderen Dienststellen tätigen Arbeitnehmer begründen" (vgl. Be-
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schwerdebegründung vom 18. Mai 2015 S. 9). Demgegenüber habe das Bun-
desverwaltungsgericht im Beschluss vom 4. Juni 1993 - 6 P 33.91 - (Buchholz
251.2 § 86 BlnPersVG Nr. 3) den Rechtssatz aufgestellt, "[d]ie Besorgnis einer
Benachteiligung anderer Beschäftigter liegt nur dann vor, wenn infolge der be-
absichtigten Maßnahme (zumindest) tatsächliche Nachteile der Beschäftigten
der betroffenen Dienststelle zu befürchten sind" und diesen Rechtssatz im Be-
schluss vom 21. März 2007 - 6 P 4.06 - (BVerwGE 128, 212) sowie im Be-
schluss vom 7. April 2010 - 6 P 6.09 - (BVerwGE 136, 271) bestätigt (vgl. Be-
schwerdebegründung vom 18. Mai 2015 S. 10). Damit ist eine Divergenz schon
deshalb nicht in der gebotenen Weise dargetan, weil weder dem angefochtenen
Beschluss des Oberverwaltungsgerichts noch den in Bezug genommenen Be-
schlüssen des Bundesverwaltungsgerichts der ihm bzw. ihnen jeweils zuge-
schriebene Rechtssatz zu entnehmen ist. Bei den von der Beteiligten wiederge-
gebenen Rechtssätzen handelt es sich vielmehr um wertende Interpretationen
und die Zusammenfassung von zum Teil aus ihrem für das Verständnis erfor-
derlichen Kontext herausgelösten Ausführungen der jeweiligen Gerichte.
Selbst wenn der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der ihm von
der Beteiligten zugeschriebene Rechtssatz zu entnehmen wäre, ginge die Di-
vergenzrüge fehl. Denn das Oberverwaltungsgericht ist von diesem Rechtssatz
nicht abgewichen. Die gegenteilige Behauptung der Beteiligten basiert auf ei-
nem Missverständnis des angefochtenen Beschlusses. Das Oberverwaltungs-
gericht ist in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass bei einer Mitbe-
stimmung - wie hier - außerhalb einer Bestenauslese ein Eingriff in ein Recht,
eine rechtlich erhebliche Anwartschaft oder eine andere rechtlich erhebliche
Position für eine Benachteiligung im Sinne von § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG nicht
erforderlich sei, sondern rein tatsächliche Belastungen ausreichen könnten (vgl.
BA S. 8).
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a
Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.
Vormeier
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