Urteil des BVerwG vom 12.09.2014

Leistung des Arbeitgebers, Mitbestimmungsrecht, Form, Bekanntmachung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 PB 8.14
VGH PL 15 S 1404/13
In der Personalvertretungssache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. September 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Ver-
waltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. Mai
2014 wird verworfen.
G r ü n d e :
1. Die allein auf den Zulassungsgrund der Abweichung gestützte Beschwerde
nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 6. Mai 2014 ist unzulässig, weil sie nicht in einer den
Begründungsanforderungen gerecht werdenden Weise aufzeigt, dass die
Rechtsbeschwerde wegen Divergenz zuzulassen ist.
Nach den gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG entsprechend anzuwendenden § 92
Abs. 1 Satz 2 und § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ist die Rechtsbeschwerde zuzulas-
sen, wenn der angefochtene Beschluss von einer Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des
Bundes, des Bundesverwaltungsgerichts oder, solange eine Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts in der Rechtsfrage noch nicht ergangen ist, von
einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Oberverwaltungsgerichts
bzw. Verwaltungsgerichtshofs oder eines anderen Oberverwaltungsgerichts
bzw. Verwaltungsgerichtshofs abweicht und die Entscheidung auf dieser Ab-
weichung beruht. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist die
Entscheidung, von der der angefochtene Beschluss abweicht, zu bezeichnen
(§ 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG). Eine die Rechtsbe-
schwerde eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die
Beschwerde einen abstrakten, inhaltlich bestimmten, die angefochtene Ent-
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scheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der
Rechtsprechung eines der aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die
Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift
widersprochen hat (stRspr; vgl. z.B. Beschlüsse vom 28. Juli 2014 - BVerwG
5 PB 1.14 - juris Rn. 9 und vom 28. März 1994 - BVerwG 6 PB 22.93 - AP Nr. 8
zu § 92a ArbGG 1979, jeweils m.w.N.). Eine solche Divergenz kann auch dann
anzunehmen sein, wenn beide Entscheidungen auf der Grundlage von ver-
schiedenen, aber inhaltsgleichen Rechtsnormen ergangen sind (vgl. Beschluss
vom 28. Januar 2004 - BVerwG 6 PB 10.03 - Buchholz 251.2 § 91 BlnPersVG
Nr. 2 S. 1 f.). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung
der Rechtssätze, die das betreffende Gericht in seiner Rechtsprechung aufge-
stellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen nicht (vgl. Beschluss vom
28. Juli 2014 a.a.O. Rn. 9). Gemessen daran ist die Beschwerde nicht ausrei-
chend begründet.
Die Beschwerde ist der Auffassung, der angefochtene Beschluss weiche von
dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. November
2004 (- 17 P 03.2122 - juris) ab. Die beiden Entscheidungen zugrunde liegen-
den Rechtsnormen des § 79 Abs. 1 Nr. 5 des Landespersonalvertretungsgeset-
zes i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. Februar 1996 (GBl S. 205), zuletzt ge-
ändert durch Gesetz vom 9. November 2010 (GBl S. 793, 955), bzw. des
Art. 75 Abs. 4 Nr. 4 des Bayerischen Personalvertretungsgesetz i.d.F. vom
11. November 1986 (GVBl S. 349), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli
2013 (GVBl S. 450), sind vergleichbare Rechtsgrundlagen, die sich in identi-
schen Rechtssätzen konkretisieren. Beide Regelungen sind im Wortlaut iden-
tisch. Sie sind im Wesentlichen wortgleich mit Die
Vorbildfunktion des bundesrechtlichen Mitbestimmungstatbestandes hat sich
auf beide landesrechtliche Regelungen uneingeschränkt ausgewirkt. Werden
bei der Anwendung dieses Landesrechts zum Begriff „Fragen der Lohngestal-
tung“ voneinander abweichende Rechtssätze gebildet, so ermöglicht dies glei-
chermaßen die Divergenzrüge, wie dies auch bei diesbezüglich abweichenden
Konkretisierungen bei der Anwendung von Bundesrecht im Verhältnis zum
Landesrecht (und umgekehrt) der Fall wäre (Beschluss vom 14. März 2000
- BVerwG 6 PB 23.99 - juris Rn. 4).
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Aus Sicht der Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in der angegriffenen
Entscheidung den Rechtssatz aufgestellt, die Entscheidung zur Festsetzung
leistungsbezogener Entgelte betreffe nicht die Strukturform des Entgelts. Damit
weiche er von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ab, der in seinem Be-
schluss vom 10. November 2004 - 17 P 03.2122 - den Rechtssatz aufgestellt
habe, dass es sich bei der Entscheidung zur Einführung von leistungsbezoge-
nen Entgelten in Form von Zielvereinbarungen um Lohngestaltung handele und
die Strukturformen des Entgelts betroffen seien. Damit ist eine Divergenz schon
deshalb nicht in der geforderten Weise dargetan, weil beide Gerichte die von
der Beschwerde formulierten Rechtssätze in den bezeichneten Entscheidungen
nicht aufgestellt haben (a). Dessen ungeachtet legt die Beschwerde auch nicht
in einer den Anforderungen des § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG genügenden
Weise dar, dass die angegriffene Entscheidung von dem in Bezug genomme-
nen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht (b).
a) Weder die Vorinstanz noch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof haben
die bezeichneten Rechtssätze in den betreffenden Entscheidungen aufgestellt.
aa) Dem angegriffenen Beschluss ist ein Rechtssatz des Inhalts, die Entschei-
dung zur Festsetzung leistungsbezogener Entgelte betreffe nicht die Struktur-
form des Entgelts, weder ausdrücklich noch sinngemäß zu entnehmen. Viel-
mehr ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, Gegenstand der Mit-
bestimmung sei die Festlegung abstrakter Kriterien zur Bemessung der Leis-
tung des Arbeitgebers, die dieser zur Abgeltung der Arbeitsleistung der Be-
schäftigten oder sonst mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis erbringe, unbe-
schadet ihrer Benennung (BA S. 7 f.). Erfasst würden alle Formen der Vergü-
tung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt würden (BA S. 8). Die
individuelle Lohngestaltung, mithin Regelungen mit Rücksicht auf besondere
Umstände des einzelnen Beschäftigten, bei denen ein innerer Zusammenhang
zu ähnlichen Regelungen für andere Beschäftigte nicht bestehe, unterliege
nicht dem Mitbestimmungsrecht. Bei dem Mitbestimmungstatbestand des § 79
Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LPVG a.F. richte sich die Abgrenzung von Einzelfallgestal-
tung zu kollektivem Tatbestand deshalb danach, ob die Strukturformen des
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Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen betroffen seien oder nicht
(BA S. 9). Bei Leistungsprämien der vorliegenden Art könne sich das Mitbe-
stimmungsrecht nur auf die Aufstellung allgemeiner Kriterienkataloge zur Fest-
setzung dieser Prämien beziehen. Demgemäß hätte der Personalrat bei der
Aufstellung von Richtlinien für die Vereinbarung von Zielvorgaben oder die Ge-
währung von dort vorgesehenen Boni mitzubestimmen. Allein der Umstand,
dass - wie im konkreten Einzelfall - mit Mitarbeitern für die Erreichung bestimm-
ter Ziele Prämien vereinbart worden seien, betreffe noch keine Strukturformen
des Entgelts, was allein das kollektive und den Mitbestimmungstatbestand aus-
lösende Element begründe (BA S. 11).
bb) Ebenso wenig hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in dem von der
Beschwerde herangezogenen Beschluss vom 10. November 2004 - 17 P
03.2122 - ausdrücklich oder sinngemäß den abstrakten Rechtssatz aufgestellt,
dass es sich bei der Entscheidung zur Einführung von leistungsbezogenen Ent-
gelten in Form von Zielvereinbarungen um Lohngestaltung handele und die
Strukturformen des Entgelts betroffen seien. Vielmehr ist auch er in seiner Ent-
scheidung davon ausgegangen, dass das Mitbestimmungsrecht generell-
abstrakte Regelungen, nicht jedoch die Entscheidung über die Lohnfestsetzung
im Einzelfall betreffe (juris Rn. 29). Eine derartige generell-abstrakte Regelung
in Gestalt einer Vergütungsrichtlinie hat er sodann für den konkreten Einzelfall
bejaht (juris Rn. 38).
b) Gemessen daran genügt die Beschwerde nicht den Anforderungen an die
Darlegung einer Divergenz. Sie zeigt nicht auf, dass die angefochtene Ent-
scheidung in ihren tragenden Rechtssätzen einem ebensolchen Rechtssatz des
bezeichneten Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wider-
spricht. Beide Verwaltungsgerichtshöfe gehen jeweils im Einklang mit der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter anderem zu der inhalt-
lich übereinstimmenden Regelung des § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG (vgl. Be-
schlüsse vom 9. Dezember 1998 - BVerwG 6 P 6.97 - BVerwGE 108, 135
<145> = Buchholz 251.5 § 74 HePersVG Nr. 2 S. 13, vom 22. April 1998
- BVerwG 6 P 4.97 - Buchholz 251.91 § 73 SächsPersVG Nr. 1 S. 8, vom
27. Februar 1985 - BVerwG 6 P 9.84 - Buchholz 238.3A § 67 BPersVG Nr. 5
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S. 4, vom 23. Dezember 1982 - BVerwG 6 P 19.80 - Buchholz 238.31 § 79
PersVG BW Nr. 3 S. 6 und vom 26. Juli 1979 - BVerwG 6 P 44.78 - Buchholz
238.3A § 75 PersVG Nr. 11 S. 67) davon aus, dass die Mitbestimmung in Fra-
gen der Lohngestaltung nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LPVG a.F. eine kollektive
(generelle) Regelung als Anknüpfungstatbestand der Beteiligung voraussetzt.
Demgegenüber wendet sich die Beschwerde der Sache nach gegen eine aus
ihrer Sicht fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall. Damit lässt sich eine Di-
vergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG indes nicht darlegen.
2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a
Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.
Vormeier
Stengelhofen
Dr. Fleuß
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