Urteil des BVerwG vom 24.02.2015

Geschäftsführung, Wirksame Vertretung, Treu Und Glauben, Leiter

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 5 P 4.14
OVG 62 PV 24.12
In der Personalvertretungssache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Februar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Fleuß
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Be-
schluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg
- Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes -
vom 26. September 2013 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob die Antragstellerin die am 25. April
2012 durchgeführte Wahl des Beteiligten in zulässiger und begründeter Weise
angefochten hat.
Am Wahltag waren bei der betreffenden Agentur für Arbeit 1 964 Personen be-
schäftigt. 2 221 weiteren Personen, die ebenfalls in einem Dienst- oder Arbeits-
verhältnis zu der Agentur standen, waren zu diesem Zeitpunkt Tätigkeiten in
einer gemeinsamen Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und eines kom-
munalen Trägers zugewiesen. Der Wahlvorschlag des Wahlvorstandes der Ar-
beitsagentur sah vor, dass der zu wählende Beteiligte aus 19 Mitgliedern be-
stehe. Bei der Bestimmung der Größe des Beteiligten ging der Wahlvorstand
von 4 185 zu berücksichtigenden Beschäftigten aus.
Der Antragsteller hat die Wahl des Beteiligten angefochten und beantragt, fest-
zustellen, dass die Anzahl der zu wählenden Mitglieder des Beteiligten nicht 19,
sondern 13 betrage, hilfsweise die Wahl für ungültig zu erklären. Das Verwal-
tungsgericht hat dem Hilfsantrag stattgegeben und den Antrag im Übrigen ab-
gelehnt. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die hiergegen erhobene Be-
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schwerde des Beteiligten den Beschluss des Verwaltungsgerichts geändert und
den Antrag abgelehnt. Der Antragstellerin habe die Befugnis zur Anfechtung der
Wahl gefehlt. Das Wahlanfechtungsrecht stehe dem Leiter der Dienststelle zu.
Leiter der Dienststelle sei die Geschäftsführung. Diese könne sich durch eines
ihrer Mitglieder vertreten lassen. Der Anfechtungsantrag sei indes nicht von der
Geschäftsführung als Kollegialorgan, vertreten durch die Antragstellerin, son-
dern von der Antragstellerin im eigenen Namen gestellt worden. Für eine ge-
willkürte Vertretung sei nichts ersichtlich. Der Antragstellerin habe es bereits an
dem Willen gemangelt, in fremdem Namen zu handeln. Die Frage der Wahl-
anfechtungsbefugnis der Antragstellerin sei auch entscheidungserheblich. Denn
der als einheitliches Wahlanfechtungsbegehren zu wertende Antrag sei im Üb-
rigen zulässig und begründet. Der Personalrat bestehe in Dienststellen mit in
der Regel 1 001 bis 2 000 Beschäftigen aus 13 Mitgliedern. Zu den "in der Re-
gel Beschäftigten" gehöre nur, wer der Dienststelle, in der gewählt werde, zu-
gehöre. Dienststellenzugehörig sei ein Beschäftigter, der in die Dienststelle ein-
gegliedert sei, d.h. in der Dienststelle nach Weisungen ihres Leiters an der Er-
füllung öffentlicher Aufgaben mitwirke. An einer entsprechenden Eingliederung
fehle es in Bezug auf Beamtinnen und Beamte sowie Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, denen ungeachtet des fortbestehenden Dienst- oder Arbeitsver-
hältnisses zu ihrer bisherigen Dienststelle nach beamten- und tarifrechtlichen
Regelungen kraft Gesetzes oder im Einzelfall Tätigkeiten in einer gemeinsamen
Einrichtung zugewiesen worden seien.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Antragstellerin eine Verletzung des materi-
ellen wie auch des Verfahrensrechts. In materiellrechtlicher Hinsicht sei sie zur
Anfechtung der Wahl befugt gewesen, da sie das Anfechtungsverfahren in Ver-
tretung der Geschäftsführung eingeleitet habe. Die Geschäftsführung habe sie
zumindest konkludent bevollmächtigt, das Anfechtungsrecht in Wahrnehmung
der Funktion des Dienststellenleiters auszuüben. Nach der internen Aufgaben-
verteilung habe es ihr oblegen, die Geschäftsführung in personalvertretungs-
rechtlichen Angelegenheiten zu vertreten. Daher habe sie den Antrag nicht im
eigenen, sondern im Namen der Geschäftsführung gestellt. Der Wille, in frem-
dem Namen zu handeln, sei bereits durch den Umstand erkennbar, dass sie als
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ständige Ansprechpartnerin des Beteiligten auftrete. Die Beschwerdeentschei-
dung verletze sie zudem in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
Der Beteiligte verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Der angefochtene
Beschluss beruht nicht auf der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung
einer Rechtsnorm (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Zu
Recht hat das Oberverwaltungsgericht der Antragstellerin die Befugnis zur An-
fechtung der Wahl des Beteiligten abgesprochen (1.). Die Entscheidung verletzt
die Antragstellerin auch nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen
Gehörs (2.).
1. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Antragstellerin sei nicht be-
fugt gewesen, die Wahl des Beteiligten anzufechten, steht im Einklang mit § 25
BPersVG.
Danach kann unter anderem der Leiter der Dienststelle binnen einer Frist von
12 Arbeitstagen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerech-
net, die Wahl beim Verwaltungsgericht anfechten, wenn gegen wesentliche
Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren ver-
stoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch
den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
Die Agenturen für Arbeit werden gemäß § 383 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetz-
buches Drittes Buch - Arbeitsförderung -, zuletzt geändert durch Gesetz vom
19. Juli 2007 (BGBl. I S. 1457), - SGB III - von einer Geschäftsführerin, einem
Geschäftsführer oder einer Geschäftsführung geleitet. Eine Geschäftsführung
besteht nach § 383 Abs. 1 Satz 2 SGB III aus einer oder einem Vorsitzenden
und bis zu zwei weiteren Mitgliedern. Gemäß § 7 Satz 1 BPersVG handelt für
die Dienststelle ihr Leiter. Abweichend vBPersVG handelt für die
Agenturen für Arbeit und die Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit
gemäß § 88 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 BPersVG die Geschäftsführung. Diese nimmt
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die Funktion des Dienststellenleiters wahr. Dass sich die Geschäftsführung
nach § 88 Nr. 2 Satz 2 BPersVG durch eines oder mehrere der jeweiligen Mit-
glieder vertreten lassen kann, nimmt ihr die Eigenschaft der Dienststellenleitung
nicht, da § 88 Nr. 2 Satz 2 BPersVG keinen Anhalt dafür liefert, neben der Stell-
vertretung auch eine Delegation dieser Funktion zu ermöglichen (BVerwG, Be-
schluss vom 11. Oktober 2013 - 6 PB 27.13 - Buchholz 250 § 88 BPersVG Nr. 1
Rn. 3 m.w.N.). Hier wurde der Wahlanfechtungsantrag nicht von der Geschäfts-
führung gestellt, sondern von der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat inso-
weit nicht als Stellvertreterin der Geschäftsführung im Sinne des § 164 Abs. 1
BGB gehandelt. Eine wirksame Vertretung liegt schon deshalb nicht vor, weil
der Antrag nicht im Einklang mit dem Offenkundigkeitsprinzip erkennbar im
Namen der Geschäftsführung gestellt wurde (§ 164 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2
BGB). Ein entsprechender Vertretungswille kann dem insoweit maßgeblichen
Wahlanfechtungsantrag nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnommen wer-
den.
Der nach § 25 BPersVG bei dem Verwaltungsgericht zu stellende Antrag ist
eine Prozesserklärung. Solche prozessualen Willenserklärungen sind vom
Rechtsbeschwerdegericht - ebenso wie vom Revisionsgericht - ohne Bindung
an eine Auslegung durch die Vorinstanz eigenständig auszulegen (stRspr, vgl.
BAG, Urteile vom 27. November 2003 - 2 AZR 692/02 - BAGE 109, 47 <53>
m.w.N. und vom 28. August 2008 - 2 AZR 279/07 - NJW 2009, 1293 Rn. 16
m.w.N.; BGH, Urteil vom 16. September 2008 - VI ZR 244/07 - NJW 2009, 751
Rn. 11 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 1998 - 1 B 110.98 -
Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 6 S. 14 und Urteil vom 27. April 1990 - 8 C
70.88 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 1 <5> m.w.N.; vgl. auch Mikosch,
in: GK-ArbGG, Stand November 2014, § 73 Rn. 45 m.w.N. und Eichberger/
Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand März 2014, § 137
Rn. 158 ff. m.w.N.). Bei der Auslegung von Prozesserklärungen sind die für die
Auslegung von Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechts-
grundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April
1990 - 8 C 70.88 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 1 <5>). So ist nicht allein
der Wortlaut maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er
auch aus den Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorge-
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hen kann. Der maßgebende objektive Erklärungswert bestimmt sich danach,
wie der Empfänger nach den Umständen die Erklärung verstehen muss. Für die
Auslegung eines Klageantrags ist auch dessen Begründung heranzuziehen
(vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2008 - VI ZR 244/07 - NJW 2009, 751
Rn. 11 m.w.N.). Dementsprechend ist die Auslegung eines im personalvertre-
tungsrechtlichen Beschlussverfahren gestellten Antrags von dessen Wortlaut
ausgehend am Anlass des Streits der Beteiligten und an dem zu seiner Be-
gründung Vorgetragenen auszurichten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni
1991 - 6 P 8.89 - Buchholz 251.2 § 12 BPersVG Nr. 1 S. 1 <2> m.w.N.; zum
Wahlanfechtungsantrag BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2008 - 6 PB 13.08 -
Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 32 Rn. 5). Die hier vorzunehmende Auslegung
wird auch gesteuert von den Grundsätzen, die für die Annahme eines erkenn-
baren Handelns in fremdem Namen im Sinne des § 164 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 BGB maßgeblich sind. Entscheidend ist auch insoweit der objektive Er-
klärungswert, also wie sich die Willenserklärung nach Treu und Glauben unter
Berücksichtigung der Verkehrssitte für den Empfänger darstellt. Hierbei sind
außer dem Wortlaut der Erklärung alle Umstände zu berücksichtigen, die unter
Beachtung der Verkehrssitte Schlüsse auf den Sinn der Erklärung zulassen
(vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1994 - LwZR 4/93 - BGHZ 125, 175 <178>
m.w.N.). Gemessen daran ist auszuschließen, dass der Wahlanfechtungsantrag
im Namen der Geschäftsführung gestellt wurde.
Der Wortlaut des Antrags weist ganz deutlich in die Richtung, dass die Antrag-
stellerin diesen nicht als Vertreterin der Geschäftsführung, sondern in ihrer
Funktion als Vorsitzende der Geschäftsführung gestellt hat ("… zeige ich
an …", "Antragsteller ist die Vorsitzende der Geschäftsführung der AA … der
Bundesagentur für Arbeit (BA) und damit Dienststellenleiterin der Agentur für
Arbeit."). Das Rubrum des Wahlanfechtungsantrags bezeichnet als Antragstel-
ler "die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit". Nicht anders
verhält es sich hinsichtlich des Rubrums der Beschwerdeerwiderungsschrift der
Antragstellerin und des Rubrums der Gerichtsakte im Beschwerdeverfahren,
das die Antragstellerin auch nicht beanstandet hat. Selbst das Rubrum der
Rechtsbeschwerdeschrift weist sie als diejenige aus, die den Anfechtungsan-
trag stellt, und lässt einen Hinweis auf eine Vertretung der Geschäftsführung
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vermissen. Erst nachdem das Verfahren durch die Geschäftsstelle des Bundes-
verwaltungsgerichts in Abweichung von der Rechtsbeschwerdeschrift mit dem
Rubrum "Geschäftsführung der Agentur für Arbeit" eingetragen worden war, ist
dies im Rubrum der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift - allerdings auch nur
dort - nachvollzogen worden. Soweit die Begründung der Rechtsbeschwerde
auf die "Antragstellerin" Bezug nimmt, bezeichnet sie weiterhin nicht die Ge-
schäftsführung, sondern durchgängig deren Vorsitzende.
Auch die bei der Auslegung des Antrags mit besonderem Gewicht zu berück-
sichtigende Begründung des Antrags spricht dagegen, den Antrag als erkenn-
bar im Namen der Geschäftsführung gestellt zu werten. Anhaltspunkte dafür,
dass die Antragstellerin erkennbar im Namen der bzw. für die Geschäftsführung
hat handeln wollen, finden sich in der Begründung des Antrags im erstinstanzli-
chen Verfahren nicht.
Angesichts des Gewichts dieser Umstände, die gegen ein erkennbares Handeln
in fremdem Namen sprechen, müssen gewichtigere gegenläufige Gesichts-
punkte erkennbar sein, um die Annahme eines erkennbaren Fremdwirkungswil-
lens rechtfertigen zu können. An solchen fehlt es hier. Soweit mit dem Ober-
verwaltungsgericht davon ausgegangen wird, dass die Personalräte bei den
Agenturen für Arbeit in der Vergangenheit dem Auftreten der Vorsitzenden der
Geschäftsführungen in personalvertretungsrechtlichen Angelegenheiten nicht
widersprochen haben, kann dahingestellt bleiben, wie dieser Hinweis im Kon-
text der Begründung des angefochtenen Beschlusses zu verstehen ist, da das
Bundesverwaltungsgericht auch die für die Auslegung des Antrags wesentli-
chen Tatsachen eigenständig zu würdigen hat. Soweit sich diese (als zutreffend
unterstellte) Feststellung auch auf die Antragstellerin bezieht, kann aus ihrem
rügelosen Auftreten in personalvertretungsrechtlichen Angelegenheiten jeden-
falls angesichts der aufgezeigten Umstände nicht geschlossen werden, dass sie
im vorliegenden Fall erkennbar als Vertreterin der Geschäftsführung aufgetre-
ten ist. In gleicher Weise ließe sich dieses Auftreten als Handeln in der Funktion
als originäre Dienststellenleiterin auffassen. Ebenso wenig spricht für einen er-
kennbaren Vertreterwillen, dass die Personalvertretungen das Fehlen einer Be-
vollmächtigung nicht gerügt haben.
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Handelte die Antragstellerin nach alledem nicht in fremdem Namen und war sie
somit nicht wahlanfechtungsbefugt im Sinne des § 25 Alt. 3 BPersVG, so bedarf
es weder der Erörterung, ob sie über die darüber hinaus erforderliche Vertre-
tungsmacht verfügte, noch der Klärung, ob der Wahlanfechtungsantrag auch im
Übrigen zulässig und begründet war.
2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin beruht der angefochtene Be-
schluss nicht auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen
Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
a) Der Antragstellerin ist nicht darin zu folgen, ein Gehörsverstoß liege vor, weil
das Oberverwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung ohne vorhe-
rigen Hinweis ausgeführt habe die Bezugnahme auf den Allgemeinen Teil des
Handbuchs des Dienstrechts der Bundesagentur für Arbeit (HDA) A 707, das
die Antragstellerin in ihrem Beschwerdevorbringen noch nicht einmal erwähnt
habe, sei als Beharren zu verstehen, im eigenen Namen handeln zu wollen. Sie
ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, die Vorinstanz habe ihr Vorbrin-
gen übergangen, dass von einer wirksamen Vertretung gemäß § 88 Nr. 2
Satz 2 BPersVG auszugehen sei.
Die Rüge, der verfassungsrechtlich durcgewährleistete
Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sei verletzt, weil die Vorinstanz
die Ausführungen der Antragstellerin nicht zur Kenntnis genommen und/oder in
Erwägung gezogen habe, erfordert die substantiierte Darlegung dessen, was
die Antragstellerin bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte
und inwiefern dieser weitere Vortrag entscheidungserheblich gewesen wäre
(stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2005 -
Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 81 S. 37 m.w.N.; vom 3. März 2008 - 8 B
95.07 -, juris Rn.11; vom 29. Juni 2011 - 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungs-
wesen Nr. 410 Rn. 7 und vom 28. November 2011 - 5 B 55.11 - juris Rn. 2).
Daran fehlt es hier. Die Antragstellerin hat zum einen nicht aufgezeigt, was sie
gegebenenfalls noch vorgetragen hätte. Zum anderen stützt das Oberverwal-
tungsgericht seine Auffassung, es fehle auch im Beschwerdeverfahren an dem
für eine wirksame Vertretung gemäß § 88 Nr. 2 Satz 2 BPersVG erforderlichen
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Handeln der Antragstellerin in fremden Namen, nicht allein auf das Beharren
der Antragstellerin in Bezug auf ihre Bindung an die HDA A 707, sondern auch
auf den Umstand, dass sie, obwohl sie das Rechtsproblem kannte, ihren Antrag
nicht umgestellt, sondern bis zuletzt im eigenen Namen verteidigt habe.
Daher ist die Rüge im Kern dahingehend zu verstehen, dass das Oberverwal-
tungsgericht dem Vorbringen der Beschwerde nicht gefolgt ist und eine abwei-
chende Rechtsauffassung vertreten hat. Damit kann indes eine Verletzung des
Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht begründet werden
(BVerwG, Beschluss vom 6. August 2012 - 5 B 55.12 - juris Rn. 3).
b) Nichts anderes gilt im Ergebnis für das Vorbringen, die Antragstellerin habe
nicht damit rechnen müssen, dass das Oberverwaltungsgericht ohne vorherigen
Hinweis und trotz geänderter Antragsformulierung in der Beschwerdeinstanz
seine Rechtsauffassung auf die Formulierung des Antrags in der Ich-Form, das
Rubrum und den Wortlaut der Vollmacht stützen würde, da diese Auslegung mit
§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht im Einklang stehe.
Aus dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs folgt keine allgemeine
Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts. Dem Gericht wird keine umfassen-
de Erörterung sämtlicher entscheidungserheblicher Gesichtspunkte abverlangt.
Insbesondere muss es die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine
Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinwei-
sen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst auf-
grund der abschließenden Beratung ergibt. Nur wenn das Gericht an den Vor-
trag eines Beteiligten Anforderungen stellt, mit denen auch ein verständiger
Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Verlaufs des Verfahrens nicht zu
rechnen brauchte, ist es zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung
gehalten, einen entsprechenden Hinweis zu geben (stRspr, vgl.
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Beschluss vom 21. September 2010 - 5 B 44.10 - juris Rn. 12 m.w.N.). Eine
unzulässige Überraschungsentscheidung im vorgenannten Sinne hat das Ober-
verwaltungsgericht nicht getroffen. Es hat bereits in einer Anfrage vor der La-
dung zur mündlichen Anhörung darauf hingewiesen, dass dieses Verfahren mit
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weiteren Parallelverfahren verhandelt werden solle, wobei ein Problem die Fra-
ge der Wahlanfechtungsbefugnis des/der jeweiligen Vorsitzenden der Ge-
schäftsführung sei. Das Problem der Vertretung der Geschäftsführung und die
Rolle des Handbuchs des Dienstrechts der Bundesagentur für Arbeit (HDA)
A 707 sind sodann Gegenstand der im Beschwerdeverfahren ausgetauschten
Schriftsätze gewesen. Die Antragstellerin musste deshalb damit rechnen, dass
sich das Oberverwaltungsgericht dieser Frage unter Einbeziehung der insoweit
relevanten Gesichtspunkte widmet.
Vormeier
Stengelhofen
Dr. Störmer
Dr. Fleuß
Dr. Harms