Urteil des BVerwG vom 12.09.2013

Bundespolizei, Prinzip des Gesetzesvorbehalts, Vorbehalt des Gesetzes, Arzneimittel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 5 C 33.12
VGH 2 S 2076/11
Verkündet
am 12. September 2013
Werner
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, Dr. Häußler
und Dr. Fleuß
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Verwal-
tungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. August
2012 geändert und die Berufung des Klägers gegen das
Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. März
2011 insgesamt zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revi-
sionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger begehrt Heilfürsorgeleistungen für eine Hyaluronsäure-Therapie.
Er ist Polizeihauptmeister der Bundespolizei und erhält im Fall einer Erkrankung
Heilfürsorge. Der Umfang der Heilfürsorgeleistungen ist vom Bundesministe-
rium des Innern in den Heilfürsorgevorschriften für die Bundespolizei vom 6.
November 2005 geregelt worden. Danach werden die Kosten ärztlich verordne-
ter Arzneimittel nur nach den Bestimmungen des gesetzlichen Krankenversi-
cherungsrechts und nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschus-
ses (der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der Deutschen Krankenhaus-
gesellschaft und des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen) übernommen.
Da der Kläger an einer Hüftgelenksabnutzung leidet, verabreichte ihm der be-
handelnde Arzt fünf Injektionen des Medizinprodukts Ostenil (Wirkstoff Hyal-
uronsäure). Dieses Medizinprodukt dient als künstlicher Ersatz fehlender Ge-
lenkflüssigkeit und soll dadurch schmerzlindernde Wirkung entfalten. Die Be-
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klagte lehnte die Übernahme der am 25. Oktober 2011 in Rechnung gestellten
Kosten in Höhe von 500 € ab, weil das verabreichte Mittel nicht zu den vom
Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannten Medizinprodukten gehöre. Der
Kläger vertritt die Auffassung, dass die von den Heilfürsorgevorschriften für die
Bundespolizei vorgenommene Einschränkung des Heilfürsorgeanspruchs man-
gels gesetzlicher Grundlage unwirksam sei.
Das Verwaltungsgericht hat seine Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichts-
hof Baden-Württemberg hat der Berufung hinsichtlich des Kostenerstattungsan-
spruchs stattgegeben. Die Ausgestaltung der Heilfürsorge für Polizeivollzugs-
beamte des Bundes bedürfe zwar einer gesetzlichen oder auf Gesetz beruhen-
den Regelung. Bis zum Erlass der angekündigten Rechtsverordnung sei jedoch
von der Weitergeltung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift auszugehen. Da-
her bestehe auch grundsätzlich die Beschränkung auf die von dem Gemeinsa-
men Bundesausschuss anerkannten Medikamente und Medizinprodukte. Der
Ausschluss des hier einschlägigen Medizinprodukts beruhe jedoch auf einem
sogenannten Systemversagen. Der Bundesausschuss habe bei der Fortschrei-
bung des Verordnungsausschlusses von Chondroprotektiva keine medizinische
Überprüfung vorgenommen und sich mit der Wirksamkeit der Hyaluronsäure-
Therapie nicht befasst. Auf Grund der mangelnden Befassung des Ausschus-
ses mit dem Produkt könne eine Sperrwirkung nicht eintreten. Da es gewichtige
Stimmen in der Wissenschaft gebe, nach denen die Behandlung zur Schmerz-
linderung führen könne, komme der Einschätzung des behandelnden Arztes
über die medizinische Wirksamkeit entscheidende Bedeutung zu. Bei einer ent-
sprechenden ärztlichen Verordnung müssten folglich die Behandlungskosten
übernommen werden.
Die Beklagte stützt ihre Revision im Wesentlichen darauf, dass die in der All-
gemeinen Verwaltungsvorschrift enthaltenen Leistungseinschränkungen noch
für eine Übergangszeit wirksam seien. Für das Medizinprodukt Ostenil ergebe
sich ein Leistungsausschluss daraus, dass es der Gemeinsame Bundesaus-
schuss nicht in Anlage V seiner Arzneimittelrichtlinie als verschreibungsfähig
anerkannt habe. Der Kläger könne auch nicht ausnahmsweise so gestellt wer-
den, als habe der Gemeinsame Ausschuss Ostenil anerkannt. Der Ausnahme-
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fall des Systemversagens liege nicht vor, solange der Hersteller nicht die An-
erkennung seines Medizinprodukts durch den Bundesausschuss betrieben ha-
be. Es bestehe auch kein durch wissenschaftliche Studien hinreichend unter-
mauerter Konsens in Bezug auf den therapeutischen Nutzen. Darüber hinaus
bezögen sich die wissenschaftlichen Untersuchungen fast ausnahmslos auf die
Erkrankung der Kniegelenke, so dass die Behandlung im Hüftbereich als
Off-Label-Use grundsätzlich nicht zugelassen sei. Die Beklagte zieht ferner aus
den von ihr ausgewerteten und vorgelegten medizinischen Gutachten den
Schluss, dass Hyaluronsäure zur Behandlung des Hüftgelenks ungeeignet sei.
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Ergänzend führt er insbesondere
aus, dass seines Erachtens die Übergangszeit für die weitere Anwendung der
Heilfürsorgevorschrift abgelaufen sei. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungs-
gerichts zum Gesetzesvorbehalt im Beihilferecht vom 17. Juni 2004 habe das
Verwaltungsgericht Frankfurt bereits mit Urteil vom 25. April 2005 darauf auf-
merksam gemacht, dass im Heilfürsorgerecht der Bundespolizei das gleiche
Normierungsdefizit bestehe. Die dem Gesetzgeber einzuräumende Übergangs-
frist sei - wie im Beihilferecht - im Herbst 2009 abgelaufen. Nach Ablauf dieser
Frist seien grundsätzlich alle nicht im Widerspruch zu allgemeinen wissen-
schaftlichen Erkenntnissen stehenden Behandlungen erstattungsfähig, wenn
sie ärztlicherseits verordnet worden seien.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat unter
Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) dem Kläger einen Kos-
tenerstattungsanspruch gewährt. Er ist zwar zutreffend davon ausgegangen,
dass die Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Heilfürsor-
ge für Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte der Bundespolizei
nach § 70 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (Heilfürsorgevorschriften für
die Bundespolizei - HfVBPOL) vom 6. November 2005 (GMBl 2005 S. 1228)
nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts ge-
nügt (1.) und dass sie gleichwohl für eine Übergangszeit angewendet werden
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kann (2.). Danach hat der Kläger zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Heil-
fürsorgeleistungen in Form der Erstattung von kassenärztlich erbrachten Leis-
tungen (3.). Diesem Anspruch steht jedoch ein (noch) rechtswirksamer Leis-
tungsausschluss entgegen (4.).
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Heilfür-
sorgevorschriften für die Bundespolizei im Jahr 2011 den Anforderungen des
verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts nicht entsprochen haben und auch
derzeit nicht entsprechen.
Kostenerstattungsanspruchs ist - wie beim beihilferechtlichen Kostenerstat-
tungsanspruch - die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der
Aufwendungen (vgl. Urteil vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 C 35.04 -
BVerwGE 125, 21 = Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 17 jeweils Rn. 11). Daher ist
vorliegend auf die Rechtslage am 25. Oktober 2011, dem Tag der Rechnungs-
stellung für die ärztliche Behandlung des Klägers mit Hyaluronsäure, abzustel-
len.
b) Damals bestimmte § 70 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) in
der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juni 2009 (BGBl I S. 1434), zuletzt
geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 28. April 2011 (BGBl I S. 687
- BBesG 2011), dass den Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei Heilfürsor-
ge gewährt wird. Ob aus diesem gesetzlichen Anspruch auf Fürsorge im Krank-
heitsfall lediglich ein Anspruch auf Behandlung durch staatliche Ärzte und Kran-
kenhäuser des Bundes oder auch ein Anspruch auf Behandlung durch Kassen-
ärzte und auf Kostenerstattung für kassenärztlich verschriebene Medikamente
folgt, war dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu entnehmen. Hierzu fanden sich
lediglich in den Heilfürsorgevorschriften für die Bundespolizei nähere Regelun-
gen. Daher konnte das Bestehen und der Umfang des Kostenerstattungsan-
spruchs nur aus der gesetzlichen Regelung in Verbindung mit der hierzu erlas-
senen Verwaltungsvorschrift hergeleitet werden (vgl. Urteil vom 27. November
2003 - BVerwG 2 C 38.02 - BVerwGE 119, 265 <266> = Buchholz 240 § 69
BBesG Nr. 6 S. 5).
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Durch das Gesetz zur Neuregelung der Professorenbesoldung und zur Ände-
rung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Professorenbesoldungsneurege-
lungsgesetz) vom 11. Juni 2013 (BGBl I S. 1514) wurde § 70 Abs. 2 BBesG neu
gefasst und das Bundesministerium des Innern ermächtigt, in Bezug auf das
Heilfürsorgerecht der Bundespolizei eine Rechtsverordnung im Einvernehmen
mit dem Bundesministerium der Finanzen in Anlehnung an das Fünfte Buch
Sozialgesetzbuch und das Elfte Buch Sozialgesetzbuch zu erlassen. Von dieser
erst am 1. August 2013 in Kraft getretenen Verordnungsermächtigung hat das
Bundesministerium des Innern jedoch bislang keinen Gebrauch gemacht, so
dass sich das Bestehen und der Umfang eines heilfürsorgerechtlichen Kosten-
erstattungsanspruchs weiterhin nur mithilfe der Verwaltungsvorschrift vom
6. November 2005 ermitteln lässt.
c) Dieses Regelungssystem genügt nicht dem Grundsatz des Vorbehalts des
Gesetzes, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfas-
sungssystem des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) ergibt. Dieser
Grundsatz verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden
normativen Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der parlamenta-
rische Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu
treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern oder schlicht dem Verwaltungs-
vollzug überlassen. Wann danach eine Regelung durch den parlamentarischen
Gesetzgeber erforderlich ist, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbe-
reich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen
(Urteil vom 19. Juli 2012 - BVerwG 5 C 1.12 - BVerwGE 143, 363 = Buchholz
271 LBeihilfeR Nr. 42 jeweils Rn. 12 m.w.N.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt der Vorbehalt
des Gesetzes auch für das Beihilferecht (Urteile vom 17. Juni 2004 - BVerwG
2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <105> = Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 123 S. 9,
vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11
Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94 jeweils Rn. 11 f. und vom 19. Juli 2012 a.a.O. jeweils
Rn. 12). Ob und welche Leistungen der Dienstherr im Falle von Krankheit und
Pflegebedürftigkeit erbringt, ist für den Beamten und seine Familie von heraus-
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ragender Bedeutung. Die Leistungen gestalten den Fürsorgegrundsatz aus und
bestimmen mit über das dem Beamten gewährte Niveau der Alimentation. Die
persönlichen Rechtsverhältnisse der Beamten, die insoweit nicht Teil der
Staatsorganisation sind und auch nicht in einem „besonderen Gewaltverhältnis“
stehen, hat der parlamentarische Gesetzgeber normativ zu gestalten. Der Ge-
setzgeber selbst hat in der Bandbreite seiner verfassungsrechtlichen Möglich-
keiten das Leistungssystem zu bestimmen, das dem Beamten und seiner Fami-
lie Schutz im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, festzulegen,
welche „Risiken“ erfasst werden, für welche Personen Leistungen beansprucht
werden können, nach welchen Grundsätzen Leistungen erbracht und bemes-
sen oder ausgeschlossen werden und welche zweckidentischen Leistungen
und Berechtigungen Vorrang haben (Urteil vom 17. Juni 2004 a.a.O. S. 110
bzw. S. 14). Ferner muss der parlamentarische Gesetzgeber die Verantwortung
für wesentliche Einschränkungen des Beihilfestandards übernehmen. Ansons-
ten könnte die Exekutive das durch die Besoldungs- und Versorgungsgesetze
festgelegte Alimentationsniveau durch Streichungen und Kürzungen von Beihil-
feleistungen eigenmächtig absenken. Dem Gesetzesvorbehalt unterliegen auch
Beihilfekürzungen in Form von Selbstbeteiligungen, wenn sie die Schwelle der
Geringfügigkeit überschreiten (Urteile vom 20. März 2008 a.a.O. jeweils Rn. 11
und vom 19. Juli 2012 a.a.O. jeweils Rn.13).
Diese Grundsätze sind auf das Heilfürsorgerecht der Bundespolizei übertrag-
bar. Zwar gehört die freie Heilfürsorge wie die Beihilfe nicht zu den hergebrach-
ten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Auch deckt die Heilfürsorge nur die
Ansprüche des Polizeivollzugsbeamten im Krankheits- und Pflegefall ab, sichert
also grundsätzlich nicht deren Angehörige. Gleichwohl ist die Ausgestaltung der
Heilfürsorge für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten von herausragender
Bedeutung. Der grundsätzliche Anspruch auf Heilfürsorgeleistungen und deren
Umfang bestimmen die Qualität der Versorgung bei Krankheit und Pflegebe-
dürftigkeit. Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit, die Sicherung
einer menschenwürdigen Existenz sowie die Wahrung eines amtsangemesse-
nen Lebensunterhalts trotz laufender Aufwendungen für die Risikovorsorge
oder besonderer Belastungen wegen Krankheit und Hilflosigkeit sind hochran-
gige Schutzgüter. Es ist für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten insbe-
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sondere von wesentlicher Bedeutung, ob sie nur Zugang zu der vom Dienst-
herrn bereitgestellten polizeiärztlichen Betreuung haben oder ob und in wel-
chem Umfang sie auch kassen- oder privatärztliche Versorgung in Anspruch
nehmen können. Diese Fragen prägen Art und Umfang der vom Dienstherrn
gewährten medizinischen Fürsorge. Ferner bestimmen sie das den Polizeivoll-
zugsbeamten gewährte Alimentationsniveau mit. Vom Umfang der staatlich ge-
währten Heilfürsorge hängen die Notwendigkeit und die Kosten einer zusätzli-
chen privaten Krankheits- und Pflegefallvorsorge ab. Die Heilfürsorgevorschrif-
ten für die Bundespolizei haben daher eine den Beihilfevorschriften vergleichba-
re Bedeutung.
Daher erfordert es der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts, dass auch im Be-
reich der Heilfürsorge für die Bundespolizei der parlamentarische Gesetzgeber
zumindest die tragenden Strukturprinzipien und wesentliche Einschränkungen
des Heilfürsorgerechts selbst regelt. Diesen Anforderungen genügen die im
Jahr 2011 geltenden Vorschriften nicht. Aus der gesetzlichen Regelung des
§ 70 Abs. 2 BBesG 2011 lässt sich lediglich der Kreis der Anspruchsberechtig-
ten, nicht aber Art und Umfang der Heilfürsorgeleistungen bestimmen. Inhaltli-
che Maßstäbe für das „Ob“ und „Wie“ der zu gewährenden medizinischen oder
finanziellen Leistungen gibt das Gesetz nicht vor. Die hierzu ergangene Allge-
meine Verwaltungsvorschrift vom 6. November 2005 enthält zwar das fehlende
Regelungsprogramm. Sie gestaltet weitgehend originär das Heilfürsorgerecht
der Bundespolizei, indem sie ein System von Sachleistungen und Kostenerstat-
tungsansprüchen konstituiert, die leistungsbegründenden Anlässe definiert, den
Leistungsumfang begrenzt und die Konkurrenzsituation mit anderen Leistungen
löst. Sie genügt jedoch als rein administrative Bestimmung nicht dem Grundsatz
des Gesetzesvorbehalts. Die in § 71 Abs. 2 BBesG enthaltene Befugnis des
Bundesministeriums des Innern zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvor-
schriften ist keine Ermächtigung, Normen im formellen Sinne zu erlassen (vgl.
Urteil vom 17. Juni 2004 a.a.O. S. 110 bzw. S. 14).
Demzufolge ist auch der Gesetzgeber beim Erlass des Professorenbesol-
dungsneuregelungsgesetzes im Anschluss an die instanzgerichtliche Recht-
sprechung (VG Frankfurt, Urteil vom 25. April 2005 - 9 E 5909/04 - juris
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Rn. 15 ff.; VG Würzburg, Urteil vom 20. Juli 2010 - W 1 K 10.235 - juris Rn.13;
VG Düsseldorf, Urteil vom 15. Juni 2012 - 13 K 8100/10 - juris Rn. 31 ff.) davon
ausgegangen, dass die Ausgestaltung des Heilfürsorgeanspruchs durch bloße
Verwaltungsvorschriften nicht dem Prinzip des Gesetzesvorbehalts entspricht
(BTDrucks 17/12455 S. 65 f.). Dadurch, dass § 70 Abs. 2 BBesG 2013 als we-
sentliche Strukturprinzipien der polizeilichen Heilfürsorge die Absicherung des
Krankheits- und Pflegerisikos in Anlehnung an das Fünfte und Elfte Buch So-
zialgesetzbuch vorgeschrieben und das Bundesministerium des Innern zum Er-
lass einer Rechtsverordnung ermächtigt hat, ist zwar ein erster Schritt zur
Schaffung einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage getan. Allerdings ist
jedenfalls bis zum Erlass der angekündigten Rechtsverordnung das normative
Defizit nicht beseitigt.
2. Trotz dieses Mangels hält der Senat es für hinnehmbar, für eine Übergangs-
zeit von der Weitergeltung der Heilfürsorgevorschriften auszugehen. Damit ist
gewährleistet, dass die Leistungen im Fall der Krankheit und Pflegebedürftigkeit
nach einem einheitlichen Handlungsprogramm erbracht werden, das hinsicht-
lich des Inhalts jedenfalls bislang in aller Regel keinen Anlass zu Beanstandun-
gen aus der Sicht höherrangigen Rechts geboten hat. Eine andere Beurteilung
dürfte erst dann angezeigt sein, wenn der Verordnungsgeber in einem über-
schaubaren Zeitraum seiner Normierungspflicht nicht nachkommt (vgl. Urteil
vom 17. Juni 2004 - BVerwG 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 111 = Buchholz 232
§ 79 BBG Nr. 123 S. 15) und dadurch eine andere Vorgehensweise erzwingt
(vgl. Urteil vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 2.07 - BVerwGE 131, 234 =
Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 17 jeweils Rn. 9 f.).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Zeitraum, in dem übergangsweise zur
Verhinderung eines Leistungsvakuums die weitere Anwendung der heilfürsor-
gerechtlichen Verwaltungsvorschrift hingenommen wird, noch nicht abgelaufen.
Zwar hätte der Gesetzgeber bereits die Beanstandung der Beihilfevorschriften
des Bundes im Urteil vom 17. Juni 2004 (a.a.O.) zum Anlass nehmen können,
auch die Heilfürsorgevorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz des
Gesetzesvorbehalts hin zu untersuchen. Gleichwohl kann sich die verwaltungs-
gerichtliche Beanstandung eines Regelungsdefizits und die gerichtliche Be-
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stimmung eines Übergangszeitraums aus Gründen der Rechtssicherheit und
Rechtsklarheit jedenfalls in der Regel - und so auch hier - nur auf die im jeweili-
gen Verfahren beanstandete Normierungslücke beziehen. Andere auch ähnlich
gelagerte Regelungsbereiche müssen von der Rechtsprechung jeweils geson-
dert untersucht und gegebenenfalls beanstandet werden. Es trifft zwar zu, dass
verschiedene Instanzgerichte das normative Defizit im Bereich der Heilfürsorge
der Bundespolizei schon früh aufgezeigt haben (vgl. VG Frankfurt, Urteil vom
25. April 2005 a.a.O.; VG Würzburg, Urteil vom 20. Juli 2010 a.a.O.). Eine
Handlungspflicht des Bundesgesetzgebers kann es hier jedoch erst geben,
wenn auch die Überprüfung durch ein oberstes Bundesgericht die Feststellung
einer mit dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts unvereinbaren Rechtslage
ergeben hat.
Für die Dauer der Übergangszeit bleibt im Bereich der Heilfürsorge der Bun-
despolizei die Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 6. November 2005 weiter
anwendbar. Das Bundesministerium des Innern ist jedoch nicht berechtigt,
durch Änderungen der Verwaltungsvorschrift das bestehende Heilfürsorgerecht
zum Nachteil der Polizeivollzugsbeamten zu reformieren. Ferner setzt die weite-
re Anwendbarkeit von Leistungsausschlüssen und Leistungseinschränkungen
voraus, dass die jeweilige Regelung nicht aus anderen Gründen gegen höher-
rangiges Recht verstößt. Als Maßstab kommt insbesondere die Fürsorgepflicht
des Dienstherrn in Betracht, soweit sie als hergebrachter Grundsatz des Be-
rufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlichen
Schutz genießt (vgl. Urteil vom 26. Juni 2008 a.a.O. jeweils Rn. 12).
3. Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger grundsätzlich einen Rechts-
anspruch auf Erstattung der Kosten für kassenärztlich erbrachte Leistungen
nach den Heilfürsorgebestimmungen der Bundespolizei.
a) Nach § 70 Abs. 2 BBesG 2011 und Nr. 1.1 HfVBPOL hat der Kläger als akti-
ver Polizeivollzugsbeamter im Krankheitsfall (Nr. 1.3 HfVBPOL) grundsätzlich
Anspruch auf Heilfürsorge als Sachleistung durch staatliche Ärzte (Nr. 1.4
Abs. 1 HfVBPOL) und, wenn - wie hier - eine Krankenversicherungskarte erteilt
worden ist, durch Kassenärzte (Nr. 1.4 Abs. 4 HfVBPOL). Kostenerstattung er-
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folgt nur in den von der Verwaltungsvorschrift ausdrücklich vorgesehenen Fäl-
len (Nr. 1.4. Abs. 2 HfVBPOL). Insbesondere werden nach Nr. 9.1 HfVBPOL die
Kosten für Arzneimittel übernommen, soweit sie nach den Bestimmungen des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den Richtlinien des ge-
meinsamen Bundesausschusses verordnungsfähig sind.
b) Das Mittel Ostenil fällt als Medizinprodukt unter den Begriff des Arzneimittels
im Sinne der Nr. 9.1 HfVBPOL. Zwar sind hyaluronsäurehaltige Fertigspritzen
auf Grund ihrer rein physikalischen Wirkungsweise bei Gelenkerkrankungen als
Medizinprodukte und nicht als Arzneimittel im Sinne des § 2 des Gesetzes über
den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) in der hier maßgebli-
chen Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl I S. 3394),
zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juli 2011 (BGBl I S. 1398 - AMG
2011), anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - I ZR 193/06 - PharmR
2010, 297 <299>). Diese Begriffsbestimmung ist jedoch angesichts des Zwe-
ckes des Arzneimittelgesetzes, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln
zu sorgen, nicht ohne Weiteres auf das Heilfürsorgerecht zu übertragen, das
die Verpflichtung des Dienstherrn zur Übernahme der Krankenbehandlung der
Polizeivollzugsbeamten regelt (vgl. Urteil vom 30. Mai 1996 - BVerwG 2 C
5.95 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 16). Vielmehr spricht der Zweck der Verwal-
tungsvorschrift, den Polizeivollzugsbeamten umfassenden Schutz im Krank-
heitsfalle in einem der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbaren Aus-
maß zu gewähren, für ein weites Verständnis des Arzneimittelbegriffs. Denn
auch das im Abrechnungszeitpunkt maßgebliche Recht der gesetzlichen Kran-
kenversicherung sieht in § 31 Abs. 1 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch
vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2477), zuletzt geändert durch Art. 12 Abs. 3
des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) - SGB V 2011 -, grundsätz-
lich die Einbeziehung bestimmter Medizinprodukte in die Arzneimittelversor-
gung vor. Auch bezweckte die Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni
1993 über Medizinprodukte (ABl EWG Nr. L 169 vom 12. Juli 1993 S. 1) - wie
der vierte Erwägungsgrund deutlich macht - mit der Einführung der Kategorie
der Medizinprodukte keine Änderung im Leistungsspektrum des öffentlichen
Gesundheitssystems und des Krankenversicherungssystems. Dies legt eben-
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falls die Annahme nahe, dass unter den heilfürsorgerechtlichen Arzneimittelbe-
griff der Nr. 9.1 HfVBPOL grundsätzlich auch Medizinprodukte fallen.
4. Der Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme ist jedoch wirksam ausge-
schlossen. Nach Nr. 9.1 HfVBPOL werden nur Kosten für Arzneimittel über-
nommen, die nach den Bestimmungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
in Verbindung mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ver-
ordnungsfähig sind.
a) Die damit verbundene dynamische Verweisung auf die im Bereich der ge-
setzlichen Krankenversicherung geltenden Leistungseinschränkungen bei Arz-
neimitteln ist - wie im früheren Beihilferecht - ungeachtet der dagegen be-
stehenden verfassungsrechtlichen Bedenken jedenfalls für eine Übergangszeit
grundsätzlich hinnehmbar (vgl. Urteil vom 28. Mai 2008 - BVerwG 2 C 24.07 -
Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 126 S. 4 und vom 6. November 2009 - BVerwG 2 C
60.08 - juris Rn. 24). Auch bleibt - entgegen der Ansicht des Klägers - ein aus-
reichender individueller Rechtsschutz der betroffenen Beamten gegen einzelne
in Bezug genommene Leistungseinschränkungen bestehen. Im Verwaltungs-
rechtsweg kann auch während der Übergangszeit die Vereinbarkeit eines Leis-
tungsausschlusses mit anderen Gesetzes- und Verfassungsbestimmungen gel-
tend gemacht werden und gegebenenfalls zur Unanwendbarkeit einzelner Leis-
tungsausschlüsse führen (vgl. Urteil vom 6. November 2009 a.a.O. Rn. 18 ff.).
b) Im vorliegenden Fall ergibt sich der Leistungsausschluss daraus, dass nach
der zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung geltenden Fassung des § 31 Abs. 1
Satz 2 SGB V 2011 Medizinprodukte nur dann ausnahmsweise in die Arzneimit-
telversorgung aufgenommen werden, wenn die Richtlinien des Gemeinsamen
Bundesausschusses dies vorsehen. Damit übereinstimmend bestimmt der hier
maßgebliche § 27 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesaus-
schusses über die Versorgung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Ver-
sorgung vom 18. Dezember 2008/22. Januar 2009 (BAnz Nr. 49a S. 1
- Arzneimittel-Richtlinie 2011), dass Medizinprodukte nur ausnahmsweise in die
Arzneimittelversorgung nach § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V einbezogen sind.
Nach § 27 Abs. 8 Arzneimittel-Richtlinie 2011 sind die verordnungsfähigen Me-
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dizinprodukte abschließend in einer Übersicht als Anlage V dieser Richtlinie
aufgeführt. Darin findet sich das hier streitige Medizinprodukt Ostenil nicht.
Auch sind keine anderen hyaluronhaltigen Chondroprotektiva aufgeführt.
c) Der damit verbundene Leistungsausschluss kann auch bei heilfürsorgebe-
rechtigten Polizeibeamten ausnahmsweise unbeachtlich sein, wenn er für Mit-
glieder der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gilt. Der Verwaltungsge-
richtshof hat daher im Ansatz zutreffend angenommen, dass es dem Dienst-
herrn verwehrt ist, sich auf einen durch eine Richtlinie des Gemeinsamen Bun-
desausschusses bewirkten Leistungsausschluss zu berufen, wenn sich auch
die gesetzlichen Krankenkassen wegen eines sogenannten „Systemversagens“
hierauf nicht berufen können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialge-
richts sind die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses untergesetz-
liche Normen, von denen nur wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht
abgewichen werden kann. Einen solchen Verstoß gegen die Garantie eines
dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspre-
chenden Krankenbehandlungsanspruchs aus § 27 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1
Satz 3 SGB V nimmt das Bundessozialgericht, dem der Senat insoweit folgt, al-
lerdings zu Recht nur unter engen Voraussetzungen an. Ein Systemmangel
kann vorliegen, wenn das Verfahren vor dem Bundesausschuss von den an-
tragsberechtigten Stellen bzw. dem Bundesausschuss selbst überhaupt nicht,
nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß betrieben wurde und dies auf eine
willkürliche oder sachfremde Untätigkeit bzw. Verfahrensverzögerung zurückzu-
führen ist (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 - SozR
4-2500 § 27 SGB V Nr. 10 Rn. 24 m.w.N.). Eine die Annahme eines System-
versagens rechtfertigende Untätigkeit des Bundesausschusses ist nicht ersicht-
lich. Dagegen spricht bereits, dass dieser bei der Anerkennung neuer Medizin-
produkte grundsätzlich nur auf Antrag, der auch von dem Hersteller gestellt
werden kann, tätig wird (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2006 a.a.O.
Rn. 26 m.w.N.). An einem solchen Antrag fehlt es hier. Jedenfalls scheidet ein
Systemversagen aus, weil sich die Nichtanerkennung des Mittels Ostenil nicht
darauf zurückführen lässt, dass sich die antragsberechtigten Stellen oder der
Bundesausschuss aus sachfremden oder willkürlichen Erwägungen mit der Ma-
terie nicht oder zögerlich befasst haben. Nach den den Senat bindenden tat-
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sächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil ist der medizinische
Nutzen einer Behandlung von Arthrosen mit Hyaluronsäure in der Wissenschaft
umstritten. Neben Studien, die einen therapeutischen Gewinn uneingeschränkt
oder teilweise bejahen, liegen Untersuchungen vor, die die Wirksamkeit vernei-
nen. Bei einer solchen Sachlage beruht die mangelnde Durchführung eines
Verfahrens bei dem Bundesausschuss nicht auf sachfremden oder willkürlichen
Erwägungen. Davon abgesehen ist der Umstand, dass das Mittel Ostenil vom
Bundesausschuss nicht in die Liste der verordnungsfähigen Medizinprodukte
aufgenommen worden ist, auch deshalb nicht Ausdruck eines Systemver-
sagens, weil dies nur bei Arzneimitteln oder Medizinprodukten angenommen
werden kann, deren therapeutischer Nutzen dem allgemein anerkannten Stand
der medizinischen Erkenntnisse entspricht (vgl. BSG, Urteile vom 28. März
2000 - B 1 KR 11/98 R - BSGE 86, 54 <60 f.> und vom 3. Juli 2012 - B 1 KR
23/11 R - NZS 2013, 62 Rn. 28 ff.). Dies ist hier nach den Feststellungen des
Verwaltungsgerichtshofs nicht der Fall.
d) Schließlich verstößt der Leistungsausschluss für das Medizinprodukt Ostenil
auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz oder das verfassungsrechtli-
che Fürsorgeprinzip. Eine Ungleichbehandlung heilfürsorgeberechtigter Beam-
tinnen oder Beamter gegenüber gesetzlich krankenversicherten oder beihilfebe-
rechtigten Personen liegt nicht vor. Im Recht der gesetzlichen Krankenversiche-
rung bestand zum maßgeblichen Zeitpunkt (25. Oktober 2011) aus den vorste-
henden Gründen ebenfalls kein Anspruch auf eine Hyaluronsäure-Therapie bei
Arthrosen. Im Bereich der Beihilfe sah § 22 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über
die Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung
- BBhV) vom 17. Dezember 2009 (BGBl I S. 3922), zuletzt geändert durch Ver-
ordnung vom 13. Juli 2011 (BGBl I S. 1394, 2710 - BBhV 2011) ebenfalls nur
eine Kostenerstattung von Medizinprodukten in entsprechender Anwendung der
Bestimmungen der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 31 Abs. 1 Satz 2
und 3 SGB V 2011) vor, so dass die mangelnde Aufnahme von Ostenil in der
Medizinprodukteliste des Bundesausschusses zum Leistungsausschluss führte.
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht darin, dass Heilfürsorgebe-
rechtigte, denen Ostenil verabreicht wurde, die dafür aufgewendeten Kosten
nicht erstattet bekommen, während die Kosten für Medizinprodukte, die in die
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Arzneimittelversorgung einbezogen sind, vom Dienstherrn im Rahmen der Heil-
fürsorge übernommen werden. Diese Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt,
weil der therapeutische Nutzen von Ostenil umstritten ist, dies hingegen bei
Medizinprodukten, deren Kosten geltend gemacht werden können, nicht der
Fall ist. Schließlich verletzt die Ablehnung der Kostenerstattung für eine Hyal-
uronsäure-Therapie auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Will-
kürverbot, da diese Behandlungsmethode nicht allgemein wissenschaftlich an-
erkannt ist. Aus diesem Grund scheidet auch eine Verletzung der durch Art. 33
Abs. 5 GG gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus (vgl. Urteil vom
29. Juni 1995 - BVerwG 2 C 15.94 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 15 S. 8). Ein
Ausnahmefall, in dem der Dienstherr auch die Kosten einer wissenschaftlich
(noch) nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode übernehmen müsste,
liegt nicht vor.
e) Ist das eingesetzte Medizinprodukt heilfürsorgerechtlich im Sinne der Nr. 9.1
HfVBPOL nicht verordnungsfähig, so sind auch die mit der ärztlichen Applika-
tion des Mittels verbundenen Mehrkosten nach Nr. 1.4 Abs. 6 HfVBPOL nicht
zu erstatten.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens
beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Vormeier
Stengelhofen
Dr. Störmer
Dr. Häußler
Dr. Fleuß
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29
Sachgebiet:
BVerwGE: ja
Beihilfen
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; Art. 33 Abs. 5
BBesG
§ 70 Abs. 2
BBhV
§ 22 Abs. 1 Satz 2
SGB V
§ 31 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 91 Abs. 1 Satz 1
Arzneimittel-
Richtlinie
§ 27 Abs. 1 Satz 2, Abs. 8, Anlage V
HfVBPOL
Nr. 1.1, 1.3, 1.4, 9.1
Stichworte:
Alimentationsprinzip; Arzneimittel; Fürsorgepflicht; beamtenrechtliche -; Ge-
meinsamer Bundesausschuss; dynamische Verweisung; Gesetzesvorbehalt;
Gleichheitssatz; Heilfürsorgeanspruch; Heilfürsorge, Bundespolizei; Heilfürsor-
geleistungen; Hyaluronsäure; Kostenerstattungsanspruch; Krankenversiche-
rungsrecht, gesetzliches -; Medizinprodukt; Systemversagen, krankenversiche-
rungsrechtliches -; Übergangszeit.
Leitsatz:
Die Heilfürsorgevorschriften für die Bundespolizei genügen nicht den Anforde-
rungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts. Der parlamentarische
Gesetzgeber muss zumindest die tragenden Strukturprinzipien und die wesent-
lichen Einschränkungen des Heilfürsorgerechts selbst regeln.
Für eine Übergangszeit sind die Heilfürsorgevorschriften weiter anzuwenden,
soweit sie nicht aus anderen Gründen gegen höherrangiges Recht verstoßen.
Urteil des 5. Senats vom 12. September 2013 - BVerwG 5 C 33.12
I. VG Karlsruhe vom 16.03.2011 - Az.: VG 4 K 3340/08 -
II. VGH Mannheim vom 22.08.2012 - Az.: VGH 2 S 2076/11 -