Urteil des BVerwG vom 29.06.2006

Verfassungskonforme Auslegung, Vergleich, Ausschluss, Begriff

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 C 27.04
OVG 4 A 2604/03
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juni 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt und Dr. Franke
beschlossen:
Der Klägerin und dem Beklagten wird gemäß § 106 Satz 2
VwGO zur Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits
folgender Vergleich vorgeschlagen:
Der Beklagte bewilligt der Klägerin unter Aufhebung der
entgegenstehenden Bescheide für den Bewilligungs-
zeitraum Oktober 2000 bis August 2001 nach Maßgabe
des Bundesausbildungsförderungsgesetzes Ausbil-
dungsförderung unter Anerkennung eines Abzugsbe-
trages in Höhe von 16 500 DM beim Einkommen der
Eltern.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und
der Beklagte je zur Hälfte.
G r ü n d e :
Es bestehen erhebliche Zweifel, ob ein Ausschluss der Berücksichtigung von
Sonderausgaben nach § 10e des Einkommensteuergesetzes bei selbstgenutz-
ten Einfamilienhäusern mit Einliegerwohnung, die nach dem Bewertungsgesetz
als Zweifamilienhäuser anzusehen sind, von der nach seinem Wortlaut auf
selbstgenutzte Einfamilienhäuser bezogenen Abzugsregelung des § 21 Abs. 1
Satz 3 Nr. 2 BAföG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar wäre. Der Senat zieht des-
halb eine verfassungskonforme Auslegung dieser Bestimmung in Betracht, wo-
nach der Begriff des Einfamilienhauses dort einer eigenständigen ausbildungs-
rechtlichen, nicht durch § 75 Abs. 5 des Bewertungsgesetzes festgelegten Aus-
legung unterliegt.
Es erscheint zweifelhaft, ob das mit dem Einkommensabzug verfolgte gesetz-
geberische Ziel durch den Bezug auf Einfamilienhäuser - bewertungsrechtlich
verstanden - in einer den Erfordernissen des Art. 3 Abs. 1 GG genügenden
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Weise umgesetzt worden ist. Mit Rücksicht auf eine mögliche verfassungskon-
forme Auslegung, ggf. auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht so-
wie in Anbetracht insbesondere des Umstandes, dass § 10e EStG nur noch für
eigengenutzte Wohnungen Bedeutung hat, mit deren Herstellung vor dem
1. Januar 1996 begonnen worden ist (vgl. Drenseck, in: Schmidt, EStG,
24. Aufl. 2005, § 10e Rn. 1; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, 5. Aufl. 2005, § 10e
Rn. 2), erscheint dem Senat die vorgeschlagene vergleichsweise Lösung sinn-
voller als eine streitige Entscheidung.
Der Vergleich kommt durch schriftliche Annahme gegenüber dem Gericht zu-
stande (§ 106 Satz 2 VwGO). Um Äußerung der Beteiligten bis zum 27. Juli
2006 wird gebeten.
Dr. Säcker Schmidt Dr. Franke
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