Urteil des BVerwG vom 15.05.2008

Staatsexamen, Universität, Rechtliches Gehör, Prüfungsordnung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 5 C 18.07
OVG 4 A 2168/05
Verkündet
am 15. Mai 2008
von Förster
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2008
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Franke, Dr. Brunn,
Prof. Dr. Dörig und Prof. Dr. Berlit
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Ober-
verwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 1. Juni 2007 geändert.
Die Berufung des Beklagten wird mit der Maßgabe zu-
rückgewiesen, dass der Beklagte verpflichtet wird, der
Klägerin für das Studium der Rechtswissenschaften mit
dem Ziel Staatsexamen an der Universität zu Köln für den
Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis September 2003
als weitere Ausbildung Ausbildungsförderung in gesetzli-
cher Höhe als Bankdarlehen nach § 17 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1, § 18c BAföG zu bewilligen.
Die Klägerin trägt 1/4, der Beklagte 3/4 der Kosten des
gerichtskostenfreien Verfahrens.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin begehrt Ausbildungsförderung für das Studium der Rechtswissen-
schaften mit dem Ziel Staatsexamen im Anschluss an den deutsch-franzö-
sischen Magisterstudiengang der Rechtswissenschaft der Universität zu Köln
und der Universität Paris I, den sie mit dem Abschluss als Magister Legum,
LL.M Paris/Köln und Maîtrise en droit absolviert hat.
Die Klägerin nahm zum Wintersemester 1998/1999 an der Universität Köln das
Studium der Rechtswissenschaften mit dem Ziel Staatsexamen auf und begann
zugleich den deutsch-französischen Magisterstudiengang Rechtswissenschaf-
ten der Universitäten Köln und Paris I nach der entsprechenden Prüfungsord-
nung der Universität Köln vom 10. Januar 1991. Dieser Studiengang dient der
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integrierten Ausbildung im deutschen und französischen Recht. Die Ausbildung
findet zunächst zwei Jahre an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni-
versität Köln sowie anschließend zwei Jahre an der Universität Paris I statt und
wird mit der Magisterprüfung der Universität Paris I abgeschlossen. Aufgrund
dieser Abschlussprüfung verleiht die Universität Köln den akademischen Grad
Magister Legum (LL.M Paris/Köln) und die Universität Paris I den akademi-
schen Grad Maîtrise en droit.
Die Klägerin studierte zunächst vier Semester Rechtswissenschaften an der
Universität Köln und erhielt hierfür ab Dezember 1999 Förderleistungen. Im
Anschluss setzte sie zum Wintersemester 2000/2001 das Studium für vier Se-
mester an der Universität Paris I fort und erhielt dafür bis Juni 2002 ebenfalls
Ausbildungsförderung im Wege des Auslands-BAföG. Dabei war sie für den
Zeitraum vom 5. bis zum 7. Semester weiterhin an der Universität Köln einge-
schrieben, jedoch - wie in der Studien- und Prüfungsordnung vorgesehen - be-
urlaubt. Nach Abschluss des Studiums in Paris verlieh die Universität Köln der
Klägerin am 4. Juli 2002 den Titel Magister Legum, LL.M Paris/Köln und die
Universität Paris I den Titel Maîtrise en droit. Nach der Rückkehr aus Paris
setzte sie im August 2002 das Studium der Rechtswissenschaften an der Uni-
versität Köln im Sommersemester 2002 als achtem Studiensemester und unter
Berücksichtigung der Beurlaubung als fünftem Fachsemester fort. Sie schloss
das Studium mit dem ersten Staatsexamen im September 2004 erfolgreich ab.
Bereits am 23. Juli 2002 hatte die Klägerin erneut Förderleistungen für das
Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Köln mit dem Ziel
Staatsexamen beantragt. Mit Bescheid vom 22. November 2002 lehnte der Be-
klagte diesen Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe den deutsch-
französischen Studiengang mit dem Magister Legum abgeschlossen und damit
einen berufsqualifizierenden Abschluss nach § 7 Abs. 1 BAföG erlangt; die
Voraussetzungen für die Förderung einer weiteren Ausbildung nach § 7 Abs. 2
BAföG lägen nicht vor.
Auf die nach Zurückweisung des Widerspruchs erhobene Klage hat das Ver-
waltungsgericht Köln mit Urteil vom 15. Februar 2005 den Beklagten antrags-
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gemäß verpflichtet, der Klägerin für das Studium der Rechtswissenschaften mit
dem Ziel Staatsexamen an der Universität zu Köln für den Bewilligungszeitraum
Oktober 2002 bis September 2003 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe
zu gewähren. Der Klägerin stehe gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG ein Anspruch
auf Gewährung von Ausbildungsförderung für das Studium mit dem Ziel
Staatsexamen als Erstausbildung zu, da der zuvor erworbene Grad Magister
Legum keinen berufsqualifizierenden Abschluss darstelle.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht Münster mit
Urteil vom 1. Juni 2007 das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die
Klage abgewiesen. Die Klägerin habe den deutsch-französischen Studiengang
mit dem Magister Legum berufsqualifizierend im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1
BAföG abgeschlossen; bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise befä-
hige der Abschluss zu vielen staatlich nicht reglementierten Berufen. Im Übri-
gen sei die Verleihung eines Magistergrades gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 HRG in
Verbindung mit dem maßgeblichen Landeshochschulrecht lediglich für einen
berufsqualifizierenden Abschluss möglich. Der Abschluss könne weder gemäß
§ 7 Abs. 1 Satz 3 BAföG unberücksichtigt bleiben noch könne ein Förderungs-
anspruch der Klägerin in entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 1a BAföG
begründet werden. Die Fortsetzung des Jurastudiums der Klägerin nach Ab-
schluss des deutsch-französischen Magisterstudienganges könne einem Mas-
ter- oder Magisterstudiengang im Sinne des § 19 HRG bereits im Hinblick auf
die in § 19 Abs. 4 HRG vorgesehene Gesamtregelstudienzeit von höchstens
fünf Jahren nicht gleichgestellt werden. Ferner bestünden Bedenken, ob der
deutsch-französische Magisterstudiengang im Hinblick auf das erste Staatsex-
amen inhaltlich einer im Wesentlichen grundständigen Bachelor-Ausbildung
vergleichbar sei. Der Magisterstudiengang enthalte zu großen Teilen Ausbil-
dungsinhalte, die das französische Recht beträfen und auf denen das weitere
rechtswissenschaftliche Studium bis zum ersten Staatsexamen nicht aufbaue.
Der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf Gewährung weiterer Ausbildungs-
förderung nach § 7 Abs. 2 BAföG zu. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 BAföG lägen nicht vor, da danach nur ergänzende, also in sich
selbstständige Ausbildungen gefördert werden könnten. Eine Förderung gemäß
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§ 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG sei nicht möglich, weil die hierfür maßgeblichen be-
sonderen Umstände des Einzelfalles nicht gegeben seien. Der hier allein in Be-
tracht zu ziehende besondere Umstand, nämlich das von der Klägerin ange-
strebte Ausbildungsziel, das sich als „Volljuristin mit vertieften Kenntnissen im
französischen Recht“ umschreiben lasse, betreffe nicht lediglich die Klägerin,
sondern eine Vielzahl von Teilnehmern des gleichen Studienganges. Unabhän-
gig hiervon könne das in § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG ausdrücklich erwähnte ange-
strebte Ausbildungsziel nur dann ein besonderer Umstand im Sinne der Vor-
schrift sein, wenn es sich auf ein durch Ausbildungs-, Prüfungs- oder Lauf-
bahnbestimmungen festgelegtes Berufsbild beziehe, was hier nicht der Fall sei.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 7 Abs. 1, 1a und 2
BAföG sowie Verfahrensmängel. Ihr stehe ein Anspruch auf Förderung gemäß
§ 7 Abs. 1 Satz 3 BAföG zu, da es sich bei dem Magistergrad um einen im Aus-
land erworbenen Abschluss handele. Ähnlich wie in dem vom Bundesverwal-
tungsgericht mit Beschluss vom 17. Oktober 2006 (- BVerwG 5 B 78.06 - juris)
entschiedenen Fall bestehe ein Anspruch in analoger Anwendung von § 7
Abs. 1a BAföG. Mit dem Bundesverwaltungsgericht sei auch bei einer nicht „ty-
penreinen“ Umsetzung der Reform der Studienabschlüsse zugunsten des Stu-
denten von einer Förderungswürdigkeit auszugehen. Entgegen der Annahme
des Oberverwaltungsgerichts handele es sich bei dem Magisterstudiengang um
ein grundständiges Studium, da die Lehrinhalte, welche auf das juristische
Staatsexamen vorbereiteten, unmittelbar an die im Grundstudium erworbenen
Kenntnisse anknüpften. Ferner lägen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2
Satz 2 BAföG vor, wobei die erforderlichen besonderen Umstände nicht nur in
einem Berufsziel „Volljuristin mit vertieften Kenntnissen des französischen
Rechts“, sondern in der veralteten Ausgestaltung der Studiengänge zu sehen
seien. Im Rahmen des § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG sei ausreichend, dass das Be-
rufsbild des Volljuristen rechtlich ein erstes Staatsexamen voraussetze.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
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II
Die Revision der Klägerin ist überwiegend begründet. Das Oberverwaltungsge-
richt hat die Klage unter Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1
VwGO) insgesamt abgewiesen. Der Klägerin steht entgegen der Annahme des
Verwaltungsgerichts zwar kein Anspruch auf Förderung des weiteren Studiums
der Rechtswissenschaften mit dem Ziel erstes Staatsexamen als Erstausbil-
dung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG zu (1.). Sie hat jedoch einen Anspruch
auf volldarlehensweise Förderung als weitere Ausbildung gemäß § 7 Abs. 2
Satz 2 BAföG für den Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis September 2003
(2.). Die Verfahrensrügen greifen nicht durch (3.).
1. Zu Recht geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass die Klägerin mit
ihrem am 4. Juli 2002 verliehenen Magister Legum einen berufsqualifizierenden
Abschluss im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG erworben hat und deshalb
keine teildarlehensweise Förderung der weiteren Ausbildung als Erstausbildung
in Betracht kommt. Entgegen der Auffassung der Revision stellt der von der
Klägerin erworbene Magister Legum einen berufsqualifizierenden Abschluss im
Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG dar (a), der nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 3
BAföG unberücksichtigt bleiben kann (b). Der Klägerin steht auch kein Förde-
rungsanspruch in entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 1a BAföG zu (c).
a) Das Oberverwaltungsgericht hat in dem von der Klägerin erworbenen Magis-
tergrad zutreffend einen berufsqualifizierenden Abschluss im Sinne von § 7
Abs. 1 Satz 1 BAföG gesehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts ist ausschlaggebend, ob der Auszubildende in dem von
ihm durchlaufenen Ausbildungsgang einen Ausbildungsstand erreicht hat, der
ihm die Aufnahme eines Berufs ermöglicht. Dies ist der Fall, wenn durch eine
Abschlussprüfung die rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung eines Be-
rufs erfüllt oder beim Fehlen solcher Rechtsvorschriften die hierfür tatsächlich
erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erlangt worden sind. Ein berufsquali-
fizierender Abschluss ist dann gegeben, wenn der Auszubildende eine als Zu-
gangsvoraussetzung für einen Beruf durch Rechts- oder Verwaltungsvorschrif-
ten des Staates oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft vorgesehene
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Prüfung bestanden hat. Ein berufsqualifizierender Abschluss ist aber auch dann
anzunehmen, wenn der Auszubildende eine Ausbildungsstätte im Sinne des § 2
Abs. 1 BAföG besucht und am Ende der Ausbildung an dieser Ausbil-
dungsstätte Kenntnisse und Fertigkeiten erworben hat, die ihn, ohne dass dies
in einer Prüfung nachgewiesen werden muss, zur Aufnahme eines Berufs be-
fähigen. Abzustellen ist dabei nicht auf subjektive Vorstellungen des Auszubil-
denden, sondern allein auf die objektiven Gegebenheiten (vgl. hierzu Urteile
vom 19. April 1988 - BVerwG 5 C 12.85 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 71
S. 32 und vom 28. Oktober 1992 - BVerwG 11 C 5.92 - Buchholz 436.36 § 7
BAföG Nr. 105).
Übereinstimmend hiermit ist das Oberverwaltungsgericht zu Recht davon aus-
gegangen, dass es sich bei dem von der Klägerin erworbenen Magistergrad der
Universität Köln um einen berufsqualifizierenden Abschluss im Sinne von § 7
Abs. 1 Satz 1 BAföG handelt. So stellt die Magisterprüfung die in der Prüfungs-
ordnung (§ 11) vorgesehene planmäßige Beendigung der Ausbildung dar und
befähigt in Deutschland zur Ausübung von gesetzlich nicht reglementierten Be-
rufen, die Rechtskenntnisse voraussetzen. § 1 Abs. 2 der Prüfungsordnung
bestimmt demgemäß, dass durch die Magisterprüfung festgestellt werden soll,
ob der Kandidat die für den Übergang in die berufliche Praxis notwendigen
gründlichen Fachkenntnisse erworben hat. Welchen praktischen beruflichen
Wert insoweit der im Ausland erworbene Magistergrad (hier: Maîtrise en droit
der Universität Paris I) hat, bedarf keiner weiteren Prüfung (vgl. aber zu einem
in Schottland erworbenen LL.M das Urteil vom 28. Oktober 1992 - BVerwG
11 C 5.92 - a.a.O.). Auch die zwingenden hochschulrechtlichen Vorgaben für
die Verleihung des Magistergrades setzen eine berufsqualifizierende Wirkung
des Magisterabschlusses voraus. § 18 Abs. 1 Satz 4 HRG in Verbindung mit
§ 96 Abs. 1 Satz 1 a.F./§ 66 Abs. 1 Satz 1 n.F. Hochschulgesetz Nordrhein-
diglich für einen Abschluss mit berufsqualifizierender Wirkung (vgl. hierzu auch
Karpen in Hailbronner/Geis, Kommentar zum Hochschulrahmengesetz, 11. Lie-
ferung Oktober 1992, Rn. 25 zu § 18 HRG). Für § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG gilt
auch nicht ein vom Hochschulrecht losgelöster, eigenständiger förderungs-
rechtlicher Begriff des berufsqualifizierenden Abschlusses. Wie bereits die Be-
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zugnahme in § 7 Abs. 1a BAföG auf die Bestimmungen des § 18 Abs. 1 Satz 1
bis 3 und § 19 HRG zeigt, folgt das Förderungsrecht vielmehr grundsätzlich den
hochschulrechtlichen Vorgaben.
Auch aus den Bestimmungen der BAföG-VwV kann die Klägerin für sich kein
günstigeres Ergebnis herleiten. Nach Ziffer 7.1.11 BAföG-VwV gilt zwar eine
Promotion dann nicht als (berufsqualifizierender) Abschluss, wenn innerhalb der
Förderungshöchstdauer danach noch ein Staatsexamen angestrebt wird. Ein
Anspruch aufgrund einer Selbstbindung der Verwaltung, auf den sich die
Klägerin beruft, käme allenfalls in dem durch die Verwaltungsvorschrift aus-
drücklich geregelten Fall der Promotion in Betracht. Auch Ziffer 7.1.10 der
BAföG-VwV, wonach bei Konsekutivstudiengängen die bestandene erste Prü-
fung förderungsrechtlich für die Dauer des unmittelbar anschließenden zweiten
Teils der Ausbildung nicht als berufsqualifizierender Abschluss gilt, ist hier be-
reits seinem Wortlaut nach nicht einschlägig.
b) Der von der Klägerin mit dem deutschen Magistergrad erworbene berufsqua-
lifizierende Ausbildungsabschluss kann entgegen der Annahme der Revision im
Rahmen der Förderung einer Erstausbildung nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 3
BAföG unberücksichtigt bleiben. Diese Regelung bezieht sich nur auf im Aus-
land erworbene und dort zur Berufsausübung befähigende Ausbildungsab-
schlüsse nach Satz 2.
Auch die von der Revision im Anschluss an das - zum Erwerb eines „Baccalau-
reus Legum“ im Rahmen eines auch auf den Abschluss Staatsexamen gerich-
teten Studiengangs an der Bucerius Law School ergangene - Urteil des Ober-
verwaltungsgerichts Hamburg vom 11. Mai 2006 (- 4 Bf 408/05 - FamRZ 2007,
309; vgl. nachgehend Beschluss des Senats vom 17. Oktober 2006 - BVerwG
5 B 78.06 - juris) vorgeschlagene entsprechende Anwendung des § 7 Abs. 1
Satz 3 BAföG kommt jedenfalls hier nicht in Betracht. Das Oberverwaltungsge-
richt Hamburg hat zwar der Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 3 BAföG den auch
in Fällen ohne Auslandsbezug anwendbaren Rechtsgedanken entnommen,
dass ein Ausbildungsabschluss für die weitere Förderung unschädlich sein soll,
wenn er eine in ein anderes Studium eingebettete - gleichsam durchgangsweise
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und als „Nebenprodukt“ erworbene - berufsqualifizierende Ausbildung beendet,
auf die es dem Studierenden nicht ankam. Ein solcher Fall liegt hier jedoch
nicht vor. Die Revision verkennt insoweit schon, dass die Klägerin - anders als
im Fall des Oberverwaltungsgerichts Hamburg - einen akademischen Grad
nicht gleichsam nebenbei, sondern durch zusätzliche, dem Studienziel Staats-
examen nicht immanente Leistungen erworben hat.
Unabhängig hiervon sprechen die Gesetzgebungsgeschichte und systemati-
sche Erwägungen dagegen, § 7 Abs. 1 Satz 3 BAföG eine derart weitgehende
gesetzgeberische Wertung zu entnehmen. Zweck der Regelung, die auf Initiati-
ve des Bundesrates in das 15. BAföGÄndG vom 19. Juni 1992 (BGBl I S. 1062)
eingefügt wurde, ist es lediglich, Studierenden die Möglichkeit zu erhalten, ein in
ein Inlandsstudium eingebettetes Auslandsstudium förderungsunschädlich auch
dann durchzuführen, wenn dieses im Ausland berufsqualifizierend abge-
schlossen wird. Durch § 7 Abs. 1 Satz 3 BAföG sollte lediglich eine als zu weit-
gehend empfundene Auswirkung von § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG in den Fällen
abgemildert werden, in denen im Rahmen eines Auslandsstudiums ein dort als
berufsqualifizierend geltender Abschluss gleichsam nebenbei erworben worden
ist. Auf inländische Abschlüsse wie den von der Universität Köln verliehenen
Magistergrad der Klägerin lässt sich dieses Regelungsanliegen nicht übertra-
gen.
c) Im Ergebnis zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht ferner § 7 Abs. 1a
BAföG nicht angewandt. Eine direkte Anwendung scheitert bereits daran, dass
es sich bei dem weiteren Studium der Rechtswissenschaft mit dem Ziel
Staatsexamen weder um einen Master- oder Magisterstudiengang im Sinne von
§ 19 Abs. 3 HRG noch um einen postgradualen Diplomstudiengang im Sinne
von § 18 Abs. 1 Satz 1 bis 3 HRG oder um einen entsprechenden Studiengang
in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union handelt. Auch eine
entsprechende Anwendung kommt hier - anders als in Fällen einer nicht „typen-
reinen“ Umsetzung des Bologna-Prozesses (vgl. den bereits zitierten Beschluss
vom 17. Oktober 2006 - BVerwG 5 B 78.06 - a.a.O.) - nicht in Betracht. § 7
Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 BAföG verlangt nämlich, dass der Auszubildende außer
dem Bachelor- oder Bakkalaureusstudiengang noch keinen Studiengang abge-
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schlossen haben darf. § 7 Abs. 1a BAföG ist daher auch nicht analog anwend-
bar, wenn der vorausgehende grundständige Studiengang bereits mit einem
traditionellen Hochschulabschluss im Sinne von § 18 Abs. 1 HRG, etwa einem
Diplom oder wie hier mit einem Magistergrad, abgeschlossen worden ist.
2. Der Klägerin steht jedoch für den hier allein streitigen Zeitraum von Oktober
2002 bis September 2003 ein Anspruch auf Förderung einer weiteren Ausbil-
dung im Sinne von § 7 Abs. 2 BAföG im Wege des Volldarlehens nach § 17
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 18c BAföG zu.
Eine solche Förderung ist zwar, wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht aus-
geführt hat, nicht gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG möglich, da nach dieser
Bestimmung lediglich ergänzende, also insbesondere Aufbau-, Vertiefungs- und
Zusatzstudiengänge, aber nicht in sich selbständige Ausbildungen gefördert
werden können (vgl. Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Mai 2005, Rn. 26.3 zu § 7
BAföG).
Erfüllt sind aber die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG:
a) § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG begründet einen Anspruch auf Ausbildungsförde-
rung für eine einzige weitere Ausbildung, wenn die besonderen Umstände des
Einzelfalles, insbesondere das angestrebte Ausbildungsziel, dies erfordern. Ob
ausnahmsweise ein derartiger Härtefall vorliegt, ist unter Anlegen eines stren-
gen Auslegungsmaßstabs zu entscheiden (stRspr; vgl. grundlegend Urteile vom
26. Januar 1978 - BVerwG 5 C 39.77 - BVerwGE 55, 205 <211>, vom 3. Juni
1988 - BVerwG 5 C 49.84 - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 77 S. 51, vom
28. Oktober 1992 - BVerwG 11 C 5.92 - a.a.O. und vom 24. Juni 1982
- BVerwG 5 C 23.81 - FamRZ 1983, 100). Die Bestimmung hat nicht die Funk-
tion eines Auffangtatbestandes, der die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 5 BAföG
bestimmten Tatbestände aus Gründen der Billigkeit ergänzt oder erweitert. Da
§ 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG auf „besondere Umstände des Einzelfalles“ abstellt,
muss es sich um Umstände handeln, die nicht gleichzeitig eine Vielzahl von
Auszubildenden in gleicher Weise betreffen. Das ist etwa der Fall, wenn - vom
angestrebten Ausbildungsziel her gesehen - eine erste berufsqualifizierend ab-
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geschlossene Ausbildung nicht ausreicht oder der Auszubildende sich eine be-
reits abgeschlossene Berufsausbildung nicht mehr zunutze machen kann (vgl.
Urteile vom 13. April 1978 - BVerwG 5 C 54.76 - BVerwGE 55, 325 <336>, vom
12. Februar 1991 - BVerwG 5 C 57.79 - BVerwGE 61, 342 <349 f.> und vom
3. Juni 1988 - BVerwG 5 C 49.84 - a.a.O.).
b) Solche besonderen Umstände sind hier bei einer Gesamtschau der Beson-
derheiten des vorliegenden Einzelfalles gegeben. Die Klägerin hatte, was für
sich allein keine Härte begründete, von Anfang an - und in Übereinstimmung
mit der Studien- und Prüfungsordnung - als Studienabschluss auch das erste
Juristische Staatsexamen angestrebt und sich mit diesem Studienziel aus-
drücklich immatrikuliert, um „Volljuristin“ zu werden, d.h. um die Befähigung
zum Richteramt nach § 5 DRiG, die Zugangsvoraussetzung für weitere juristi-
sche Berufe insbesondere den des Rechtsanwalts ist (vgl. § 4 BRAO), erwer-
ben und die hierfür vorausgesetzten weiteren Ausbildungsabschnitte (Vorberei-
tungsdienst und zweites Juristisches Staatsexamen) absolvieren zu können.
Zur Zeit des Studiums der Klägerin war der Zugang zum juristischen Vorberei-
tungsdienst ausschließlich nach Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Stu-
diums mit dem ersten Staatsexamen eröffnet. Erst seit dem In-Kraft-Treten des
§ 112a DRiG (eingefügt durch Art. 4 des 2. Justizmodernisierungsgesetzes vom
22. Dezember 2006, BGBl I S. 3416) können auch Bewerber zum Vorberei-
tungsdienst zugelassen werden, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen
Union einen gleichwertigen juristischen Universitätsabschluss erworben haben
oder eine Gleichwertigkeitsprüfung ablegen.
Als Besonderheit kommt hinzu, dass die Klägerin - anders als andere Förde-
rungsempfänger - ihre Ausbildung in einer Situation objektiver förderungsrecht-
licher Unsicherheit aufgenommen hat. Wie der Vertreter des beklagten Studen-
tenwerks in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat, hat
auch das Studentenwerk zum Zeitpunkt der Aufnahme der Ausbildung der Klä-
gerin im Jahre 1998/1999 den deutsch-französischen Studiengang noch insge-
samt - einschließlich der Zeit nach Erwerb der Magistergrade bis zum ersten
Staatsexamen - als förderungsfähig angesehen und behandelt. Erst in der Fol-
gezeit habe das Studentenwerk entgegen den Wünschen der juristischen Fa-
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kultät auf Weisung der übergeordneten Bezirksregierung seine Förderungspra-
xis geändert. Die Klägerin durfte daher jedenfalls bei Studienbeginn davon
ausgehen, dass ihr Studium bis zum Staatsexamen gefördert wird; sie wurde
von dem Beklagten auf die geänderte Förderpraxis auch nicht hingewiesen,
obwohl sich ihr Ausbildungsziel aus den Studienbescheinigungen gemäß § 9
BAföG ergab. Zwar lässt sich dem § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG keine abstrakte
Vertrauensschutzregelung entnehmen. Hier ist allerdings zu berücksichtigen,
dass die förderungsrechtliche Unsicherheit mit einer Internationalisierung und
Umstrukturierung der Ausbildung mit Bezug auf juristische Berufe zusammen-
traf.
Die genannten besonderen Umstände betrafen zwar auch Kommilitonen des-
selben Studiengangs zur damaligen Zeit (und allenfalls für eine Übergangspha-
se längstens bis zum In-Kraft-Treten der Neuregelung des § 112a DRiG), aber
insgesamt nach den Angaben des Beklagten nur wenige Förderungsempfänger
unter den 25 bis 30 Studenten des besonderen deutsch-französischen Stu-
diengangs je Semester. Zur Vermeidung einer Härte hat die Klägerin daher
nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG ausnahmsweise Anspruch auf die Gewährung
von weiterer Ausbildungsförderung im Wege des Volldarlehens für die geltend
gemachte Zeit von Oktober 2002 bis September 2003.
3. Ein zur weitergehenden Aufhebung des angegriffenen Urteils des Oberver-
waltungsgerichts führender Verfahrensmangel ist nicht ordnungsgemäß darge-
legt und liegt in der Sache nicht vor.
a) Die mit der Revision erhobene Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Sach-
aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO entspricht bereits nicht den Darle-
gungserfordernissen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Klägerin wendet sich
damit - teils eingestreut in ihre materiellrechtlichen Ausführungen - vor allem
gegen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass im Rahmen des Ma-
gisterstudienganges in wesentlichem Umfang Leistungen erbracht werden
müssten, die nicht Gegenstand des Studiums der Rechtswissenschaften mit
dem Abschluss erstes Staatsexamen seien, und dagegen, dass es sich bei dem
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erworbenen Magistergrad um einen berufsqualifizierenden Ausbildungs-
abschluss handele.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert die
Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht die substanziierte
Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auf-
fassung des Oberverwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für
erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Be-
tracht gekommen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich
getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der mate-
riellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Revisions-
führer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Weiterhin muss entwe-
der dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht,
insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachver-
haltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist
oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Er-
mittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen
(stRspr; vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 13. Juli 2007 - BVerwG 9 B 1.07 - ju-
ris). Diesen Erfordernissen genügt die Revision bereits deshalb nicht, weil sie
nicht darstellt, welche Beweiserhebungen sich dem Berufungsgericht hätten
aufdrängen müssen, nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des
Oberverwaltungsgerichts keinen förmlichen Beweisantrag im Sinne von § 86
Abs. 2 VwGO gestellt hatte. Im Übrigen wendet sich die Revision mit ihren Ver-
fahrensrügen gegen die Sachverhaltswürdigung des Oberverwaltungsgerichts,
welche jedoch regelmäßig - und so auch hier - dem sachlichen Recht zuzuord-
nen ist (vgl. Beschlüsse vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 -
Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 = DVBl 1996, 108 und vom 11. August 1999
- BVerwG 11 B 61.98 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 1 VwGO Nr. 19). Die
Revision verkennt dabei außerdem, dass es sich bei der Frage, ob ein be-
rufsqualifizierender Abschluss im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG vorliegt, in
erster Linie um eine Rechtsfrage handelt.
b) Aus ähnlichen Gründen bleibt die von der Klägerin erhobene Rüge einer Ver-
letzung ihres rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) oh-
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ne Erfolg. Die Revision legt schon nicht im Einzelnen dar, welche tatsächlichen
Umstände das Oberverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht zur
Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat. Vielmehr macht sie
der Sache nach allein eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Beru-
fungsgericht geltend und setzt dabei ihre eigene tatsächliche und rechtliche
Würdigung an die Stelle derjenigen des Oberverwaltungsgerichts. Damit lässt
sich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht begründen. Art. 103 Abs. 1
GG verpflichtet die Gerichte nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu fol-
gen, und gewährleistet auch nicht, dass die Entscheidung frei von materiellen
Fehlern ergeht, sondern stellt grundsätzlich nur sicher, dass die Entscheidung
frei von solchen Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund gerade in der unterlas-
senen Kenntnisnahme oder in der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der
Beteiligten haben. Gemessen hieran ergibt sich aus den Darlegungen der Klä-
gerin keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Fehl geht vor
allem ihre Annahme, das Oberverwaltungsgericht habe aufgrund Nichtberück-
sichtigung ihres Sachvortrags unterstellt, dass bereits im Grundstudium der
Magisterausbildung Leistungen zum französischen Recht zu erbringen seien.
Die Revision versteht die Ausführungen auf S. 10 und 11 des angegriffenen
Urteils nicht zutreffend. Im Übrigen ist auch die Klägerin selbst davon ausge-
gangen, dass in dem weiteren Ausbildungsabschnitt in Frankreich „französische
Rechtskenntnisse und auch internationale Rechtskenntnisse vermittelt wurden“
(Revisionsschrift S. 3).
c) Soweit die Revision mit ihren Rügen zugleich eine Verletzung des Überzeu-
gungsgrundsatzes nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend macht, legt sie ei-
nen Verfahrensrechtsverstoß ebenfalls nicht ordnungsgemäß dar. Sie verkennt
dabei wiederum, dass die Sachverhalts- und Beweiswürdigung jedenfalls in
aller Regel revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzuordnen ist. Anhalts-
punkte für das Vorliegen eines möglichen Ausnahmefalles einer gegen Denk-
gesetze verstoßenden oder sonst von Willkür geprägten Sachverhaltswürdi-
gung sind nicht dargetan oder ersichtlich.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
Hund
Dr. Franke
Dr. Brunn
Prof. Dr. Dörig
Prof. Dr. Berlit
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