Urteil des BVerwG vom 25.06.2015

Ausbildung, Unterbrechung, Beurlaubung, Rückforderung

BVerwGE: ja
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Ausbildungs-, Graduierten- und Berufsbildungsförderung
Rechtsquelle/n:
BAföG § 15 Abs. 2a, § 20 Abs. 2 Satz 2, § 53 Satz 1 Nr. 2, § 53
Satz 3
SGB I § 60 Abs. 1 Nr. 2
SGB X § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, § 50
Abs. 1 Satz 1
VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1
Satz 3, § 188 Satz 2 Halbs. 1
VwVfG § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3
Stichworte:
Ausbildungsförderung; Ausbildungsunterbrechung; Beurlaubung vom Studium;
Bewilligungsbescheid; Änderung des Bewilligungsbescheids; Erkankung;
Fahrlässigkeit; Förderungsfähigkeit der Ausbildung; lex specialis:
Rechtsstaatsprinzip; Rückforderung von Ausbildungsförderung; Rückzahlung;
Spezialgesetz; Spezialität; Sonderregelung; Urlaubssemester;
Urlaubsbewilligung; Unterbrechen der Ausbildung; Verdrängung kraft Spezialität;
Vertrauensschutz; Vertreten; Vorwerfbarkeit.
Leitsatz:
Ein Auszubildender kann auch dann nach § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG zur
Rückzahlung verpflichtet sein, wenn er seine Ausbildung aus Gründen unterbricht
- wie der Inanspruchnahme eines Urlaubssemesters wegen Krankheit -, die er
nicht zu vertreten hat. § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG stellt sich insoweit nicht als
Regelung dar, die als vorrangiges Spezialgesetz die Anwendbarkeit des § 53
Satz 1 Nr. 2 BAföG ausschließt.
Urteil des 5. Senats vom 25. Juni 2015 - BVerwG 5 C 15.14
I. VG Schleswig vom 10. Juni 2013
Az: VG 15 A 145/12
II. OVG Schleswig vom 5. Juni 2014
Az: OVG 3 LB 4/14
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 5 C 15.14
OVG 3 LB 4/14
Verkündet
am 25. Juni 2015
...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Fleuß und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms
für Recht erkannt:
Das Verfahren über die Revision des Beklagten wird
eingestellt.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-
Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Juni 2014
wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Ausbildungsförderung für
Zeiten, in denen er sich wegen Krankheit vom Studium beurlauben ließ.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger für sein Studium an der Fachhochschule
Ausbildungsförderung für die Zeit von Oktober 2010 bis September 2011 in Hö-
he von 439 € monatlich. Während seines zweiten Studiensemesters, am 9. Juni
2011, erfuhr der Kläger, dass er an Krebs erkrankt war. Entsprechend ärztlicher
Empfehlung, sich körperlich zu schonen, besuchte er in der Zeit vom 13. Juni
bis zum 3. Juli 2011 keine Lehrveranstaltungen. Danach nahm er wieder an
Vorlesungen teil. Am 13. Juli 2011 entsprach die Fachhochschule dem Antrag
des Klägers, ihn für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2011 wegen
Krankheit zu beurlauben. Die Urlaubsbescheinigung enthielt den Hinweis, dass
eine Teilnahme an Vorlesungen, Praktika oder Prüfungen nicht möglich sei.
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Nachdem der Kläger diese Bescheinigung im Oktober 2011 bei dem Beklagten
eingereicht hatte, setzte dieser mit Bescheid vom 28. Oktober 2011 den Förde-
rungsbetrag für die Zeit von April bis September 2011 auf Null fest und forderte
die für diesen Zeitraum gewährte Ausbildungsförderung zurück. Die Bewilligung
habe sich als rechtswidrig herausgestellt, weil für ein Urlaubssemester keine
Förderung geleistet werden dürfe. Diesen Bescheid hob der Beklagte auf den
Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 13. Januar 2012 auf und begrenzte
die Rückforderung auf die für die Zeit von Juli bis September 2011 geleistete
Ausbildungsförderung in Höhe von 1 317 €.
Der erneute Widerspruch des Klägers und die anschließend erhobene Klage
blieben ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung
abgewiesen, die Rechtmäßigkeit der Rückforderung ergebe sich aus § 20
Abs. 2 Satz 1 BAföG. Der Kläger habe die Ausbildung aus einem von ihm zu
vertretenden Grund unterbrochen. Trotz der Erkrankung sei es seine Entschei-
dung gewesen, das zweite Semester als Urlaubssemester zu nehmen und da-
mit keine förderungsfähige Ausbildung zu absolvieren.
Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht die im Streit ste-
henden Bescheide des Beklagten hinsichtlich der Rückforderung für den Monat
Juli 2011 aufgehoben. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.
§ 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG scheide als Rechtsgrundlage für die Rückforderung
aus, weil der Kläger die Unterbrechung seiner Ausbildung nicht zu vertreten
habe. Der Schwere seiner Krebserkrankung und der damit verbundenen psy-
chischen Belastungen werde es nicht gerecht, ihm ab Anfang Juli 2011 wieder
die volle Studierfähigkeit zu unterstellen. Der Beklagte habe seine Bescheide
jedoch zu Recht auf § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG gestützt. Der Kläger habe wegen
der rückwirkend ausgesprochenen Beurlaubung ab April 2011 keine förde-
rungsfähige Ausbildung mehr betrieben, auch wenn er tatsächlich bis zur Beur-
laubung studiert habe. Allerdings greife der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzu-
leitende verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das Ver-
trauen des Klägers auf den Fortbestand der Bewilligung sei bis einschließlich
Juli 2011 schutzwürdig, da er bis dahin nicht damit habe rechnen müssen, aus
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Krankheitsgründen ein Urlaubssemester nehmen zu müssen. Erst Anfang Juli
habe sich herausgestellt, dass er nach der Krebsdiagnose der zusätzlichen Be-
lastung einer Prüfung nicht gewachsen gewesen sei. Mit Beantragung und Be-
willigung der Beurlaubung im Juli 2011 habe der Kläger allerdings gewusst oder
wissen müssen, dass ihm für die Monate August und September 2011 ein För-
deranspruch nicht mehr zustehe. Jeder Bescheid über die Bewilligung von Aus-
bildungsförderung enthalte den Hinweis, dass eine Unterbrechung der Ausbil-
dung sofort zu melden sei, da sie Auswirkungen auf die Leistung von Ausbil-
dungsförderung habe.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 20 Abs. 2 Satz 1
BAföG und des § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG i.V.m. § 50 SGB X. § 20 Abs. 2 Satz 1
BAföG erweise sich trotz zwischenzeitlicher Änderungen im Bundesausbil-
dungsförderungsgesetz weiterhin als Spezialregelung für die Fälle der Unter-
brechung des Studiums aus Krankheitsgründen; § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG sei
daneben nicht anwendbar. Sofern man dies anders beurteile, liege jedenfalls
ein Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes vor. Er habe darauf
vertraut, die erhaltene Ausbildungsförderung auch für die Monate August und
September 2011 behalten zu dürfen. Bis auf die dreiwöchige Unterbrechung
habe er im gesamten Semester studiert. Die rechtlichen und finanziellen Folgen
einer Beurlaubung habe er nicht gekannt und auch nicht kennen müssen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er hatte am 7. November 2014
selbst Revision eingelegt, diese jedoch mit Schriftsatz vom 12. November 2014
zurückgenommen.
II
Das Verfahren über die Revision des Beklagten wird eingestellt, weil er diese
zurückgenommen hat (§ 92 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1
VwGO).
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil steht mit
Bundesrecht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
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Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich die
angefochtenen Bescheide des Beklagten, die im Revisionsverfahren nur noch
bezüglich der Änderung und Rückforderung für die Monate August und Sep-
tember 2011 im Streit stehen, im Ergebnis als rechtmäßig erweisen. Rechts-
grundlage für die Änderung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides des
Beklagten ist § 53 Satz 1 Nr. 2 des Bundesgesetzes über individuelle Förde-
rung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952). Die Be-
fugnis des Beklagten zur Rückforderung der Leistungen folgt aus § 50 Abs. 1
Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren
und Sozialdatenschutz - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar
2001 (BGBl. I S. 130), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Juli 2013 (BGBl. I
S. 2749), - SGB X - in Verbindung mit § 53 Satz 3 Halbs. 2 BAföG.
Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht mehr streitig, dass die Rückforde-
rung des Beklagten für die streitbefangenen Monate August und September
2011 nicht auf § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG gestützt werden kann. Nach dieser
Vorschrift hat der Auszubildende den Förderbetrag für den Kalendermonat oder
den Teil eines Kalendermonats zurückzuzahlen, in dem er die Ausbildung aus
einem von ihm zu vertretenden Grund unterbrochen hat. Zwar lag wegen der
vom Kläger beantragten rückwirkenden Bewilligung eines Urlaubssemesters
durch die Fachhochschule eine Unterbrechung der Ausbildung auch im streiti-
gen Zeitraum vor. Nicht zu beanstanden ist jedoch die Annahme des Oberver-
waltungsgerichts, dass der Kläger diese Unterbrechung wegen seiner Krebser-
krankung nicht im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG zu vertreten hat. Denn
hierfür reicht es nicht aus, wenn der Auszubildende von sich aus die Beurlau-
bung beantragt und damit in formaler Hinsicht auch die Unterbrechung der
Ausbildung veranlasst. Vielmehr hat er den damit gesetzten Grund für die Un-
terbrechung nur dann zu vertreten, wenn zu der Veranlassung das subjektive
Moment der Vorwerfbarkeit oder der Zumutbarkeit, die Unterbrechung zu ver-
hindern, hinzutritt. Dies ist nicht der Fall, wenn - wie hier - die Beantragung des
Urlaubssemesters auf eine Erkrankung zurückzuführen ist (BVerwG, Urteil vom
21. Juni 1979 - 5 C 15.78 - BVerwGE 58, 132 <146>).
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Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Rege-
lung des § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG im vorliegenden Fall anwendbar ist und nicht
durch § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG verdrängt wird (1.). Es hat weiter im Ergebnis
zutreffend angenommen, dass die Änderung und Rückforderung für die streit-
befangenen Monate August und September 2011 von der Rechtsgrundlage des
§ 53 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 BAföG i.V.m. § 50 Abs. 1 SGB X gedeckt ist und
dem schutzwürdiges Vertrauen des Klägers nicht entgegensteht (2.).
1. § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG ist als Rechtsgrundlage anwendbar. Entgegen der
Rechtsauffassung des Klägers stellt sich § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG im vorlie-
genden Zusammenhang nicht als Regelung dar, die als vorrangiges Spezialge-
setz die Anwendbarkeit des § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG ausschließt.
Im Ansatz ist davon auszugehen, dass zwei Rechtsnormen, die - wie die ge-
nannten einfachgesetzlichen Regelungen - im gleichen Rangverhältnis zuei-
nander stehen, gleichermaßen Geltung beanspruchen und grundsätzlich ne-
beneinander anwendbar sind, so dass die an ihre Tatbestände geknüpften
Rechtsfolgen gleichrangig nebeneinander eintreten (vgl. BGH, Urteil vom
12. April 1954 - GSZ 1/54 - BGHZ 13, 88 = juris Rn. 18; Larenz/Canaris, Me-
thodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 87 ff. zur sogenannten
Anspruchskonkurrenz). Eine Verdrängung der einen Rechtsnorm durch eine
andere besondere Rechtsnorm kann aber vorliegen, wenn entweder ein Fall
von Spezialität (lex specialis derogat legi generali) gegeben ist, also die ver-
drängende Rechtsnorm sämtliche Merkmale der allgemeinen Normen enthält
und diesen noch ein besonderes Merkmal zur Bildung seines Tatbestandsbe-
griffes hinzufügt, oder wenn zwar ein auf Spezialität (im engeren Sinne) beru-
hendes Rangverhältnis der Rechtsnormen nicht festzustellen ist, das Zurücktre-
ten einer Norm jedoch aus einem ausdrücklichen oder stillschweigenden Ge-
setzesbefehl zu folgern ist (BGH, Urteil vom 12. April 1954 - GSZ 1/54 - BGHZ
13, 88 = juris Rn. 17 f.). So verhält es sich hier nicht.
a) Eine Verdrängung kraft Spezialität im engeren Sinne scheidet aus. Das gilt
auch dann, wenn man es hierfür genügen lässt, dass - obgleich die abstrakten
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Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG und die des § 53 Satz 1 Nr. 2
BAföG nicht wörtlich übereinstimmen - die Anwendungsbereiche dieser beiden
Rechtsnormen sich jedenfalls in den Fällen überschneiden, in denen eine
(krankheitsbedingte) Unterbrechung der Ausbildung vorliegt, und deshalb davon
ausgeht, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG im vorgenannten Sinne sämtliche
Merkmale der allgemeineren Norm des § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG enthält und
diesen noch ein besonderes Merkmal (nämlich das des Vertretens der Unter-
brechung) hinzufügt. Ein Zurücktreten der allgemeineren gegenüber der spezi-
ellen Norm kann nämlich auch kraft Spezialität (im engeren Sinne) nur dann in
Betracht kommen, wenn im konkreten Fall die Tatbestandsmerkmale der spezi-
ellen Norm erfüllt sind und deshalb ein Rückgriff auf die allgemeinere Norm
ausgeschlossen ist. Die Frage, ob die Rechtsfolgen zweier Rechtssätze neben-
einander eintreten sollen oder ob eine die andere verdrängt, stellt sich nur,
wenn auf einen Sachverhalt beide Tatbestände zutreffen. Nur für ihren Anwen-
dungsbereich kann die speziellere die allgemeinere Rechtsnorm verdrängen
(vgl. BFH, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - I B 96/97 - RIW 1998, 491
<492 f.>; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl.
1995, S. 89). Danach tritt hier § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG nicht zurück. Denn im
vorliegenden Fall ist die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG schon tatbe-
standlich nicht einschlägig, weil - wie oben dargelegt - das Merkmal des Vertre-
tens nicht erfüllt ist.
b) Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der - hier für die Fallgruppe der Un-
terbrechung der Ausbildung - spezielleren Rechtsnorm des § 20 Abs. 2 Satz 1
BAföG nicht vor, so kann zwar eine verdrängende Wirkung gegenüber anderen
allgemeineren Tatbeständen noch eintreten, wenn ein entsprechender aus-
drücklicher oder stillschweigender Gesetzesbefehl dies anordnet (vgl. BGH,
Urteil vom 12. April 1954 - GSZ 1/54 - BGHZ 13, 88 = juris Rn. 18), d.h. wenn
aus der Norm im Wege der Auslegung zu folgern ist, dass ihre Rechtsfolge nur
dann eintreten soll, sofern ihre besonderen Voraussetzungen erfüllt sind. Ein
solcher Gesetzesbefehl, wonach die Heranziehung zur Rückerstattung von
Förderungsleistungen, die der Auszubildende während einer (krankheitsbeding-
ten) Unterbrechung seiner Ausbildung bezogen hat, nur unter den Vorausset-
zungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG zulässig sein soll, ist nicht erkennbar.
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Entgegen der Rechtsansicht des Klägers regelt § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG die
Rückzahlungspflicht wegen krankheitsbedingten Unterbrechens der Ausbildung
nicht umfassend und abschließend. Ein Auszubildender kann vielmehr auch
dann aufgrund anderer Vorschriften - insbesondere nach § 53 Satz 1 Nr. 2
BAföG - zur Rückzahlung verpflichtet sein, wenn er seine Ausbildung aus
Gründen unterbricht (wie hier der Inanspruchnahme eines Urlaubssemesters
wegen Krankheit), die er nicht zu vertreten hat. Dies entspricht der Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1998 -
5 C 33.97 - Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 37 S. 4 m.w.N.), an welcher der
Senat festhält.
aa) Der Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG liefert keine Anhaltspunkte da-
für, dass sich diese Rechtsnorm als abschließend begreift. Ebenso wenig gibt
der Wortlaut des § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG etwas dafür her, was auf dessen
Subsidiarität gegenüber § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG schließen ließe.
bb) Systematische Erwägungen sprechen gegen eine Verdrängungswirkung.
Insoweit ist bedeutsam, dass beide Rechtsnormen Unterschiede im Hinblick auf
ihre Rechtsfolgen aufweisen. Während § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG an die Unter-
brechung der Ausbildung aus einem vom Auszubildenden zu vertretenden
Grund die Rechtsfolge knüpft, dass der Förderungsbetrag für den entsprechen-
den Kalendermonat (oder Teil eines Kalendermonats) zurückzuzahlen ist, er-
mächtigt und verpflichtet § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG die Verwaltung dazu, den
Bewilligungsbescheid vom (nächsten) auf die Änderung eines maßgeblichen
Umstands folgenden Monats an zu ändern und die Rückerstattung der Leistun-
gen ab diesem Zeitpunkt zu verlangen. Die Rechtsfolge des § 20 Abs. 2 Satz 1
BAföG ist für den Betroffenen regelmäßig einschneidender. Dafür sind die tat-
bestandlichen Hürden höher als die des § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG. Entgegen der
Ansicht des Klägers trifft es daher nicht zu, dass bei Anwendung des § 53
Satz 1 Nr. 2 BAföG auf die Fälle der krankheitsbedingten Unterbrechung des
Studiums das von der Rechtsprechung entwickelte Korrektiv der subjektiven
Vorwerfbarkeit vollständig seine Bedeutung verlöre. Ebenso wenig greift sein
Einwand durch, dass eine Anwendung des § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG auf densel-
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ben Lebenssachverhalt zu Zufälligkeiten bei der Normanwendung führe und
daher dem Prinzip der Rechtssicherheit widerspreche.
Gegen die Annahme, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG die allgemeinere Rege-
lung des § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG verdrängt, spricht auch der systematische
Zusammenhang zu der Bestimmung des § 15 Abs. 2a BAföG. Danach wird
Ausbildungsförderung auch dann geleistet, wenn der Auszubildende infolge
einer Erkrankung daran gehindert ist, seine Ausbildung durchzuführen, nicht
jedoch über das Ende des dritten Kalendermonats nach Beginn der Erkrankung
hinaus. Damit hat der Auszubildende im Fall einer Erkrankung die Wahl, ob er
von einem Antrag auf Beurlaubung absieht und deshalb den Vorteil erlangt,
dass Ausbildungsförderung gemäß § 15 Abs. 2a BAföG trotz krankheitsbeding-
ter Versäumung von Lehrveranstaltungen bis zu drei Monate weiter gezahlt
wird, oder ob er sich für eine Beurlaubung entscheidet. Macht der Auszubilden-
de im Falle einer Erkrankung während des Semesters von der Möglichkeit Ge-
brauch, sich (rückwirkend) beurlauben zu lassen, so steht ihm während dieses
Zeitraums Ausbildungsförderung grundsätzlich nicht zu, weil ein Urlaubssemes-
ter weder hochschulrechtlich noch förderungsrechtlich auf die Zahl der Fach-
semester anzurechnen ist (BVerwG, Urteil vom 25. November 1982 - 5 C
102.80 - BVerwGE 66, 261 <264>). Diesem System entspricht es, dass der ei-
nen Antrag auf Beurlaubung stellende Auszubildende zu berücksichtigen hat,
dass die für Zeiten der Beurlaubung erteilten Bewilligungsbescheide nach § 53
Satz 1 Nr. 2 BAföG geändert und Leistungen zurückgefordert werden. Ginge
man dagegen davon aus, dass die Regelung des § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG in
dieser Konstellation schon kraft Verdrängung durch § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG
nicht anwendbar wäre, würden die an eine Beurlaubung aus Krankheitsgründen
geknüpften Rechtsfolgen systemwidrig vereitelt.
cc) Aus dem Sinn und Zweck des § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG lässt sich ebenfalls
nicht auf eine Verdrängungswirkung schließen. Die Regelung berücksichtigt
den Grundsatz, dass nur für die - und darum auch nur während der - Ausbil-
dung die Lebensgrundlage des Auszubildenden durch Ausbildungsförderung
sichergestellt werden soll (vgl. BT-Drs. VI/1975 S. 29 f.). Sie ist - ebenso wie
§ 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG - dazu bestimmt, dem öffentlichen Interesse an einer
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gesetzmäßigen und gesetzeszweckentsprechenden Verwendung der für die
Ausbildungsförderung eingesetzten öffentlichen Finanzmittel zu dienen (vgl.
BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1998 - 5 C 33.97 - Buchholz 436.36 § 20
BAföG Nr. 37 S. 6). Dies spricht gegen die Annahme,
dass § 20 Abs. 2 Satz 1
BAföG zugleich dazu bestimmt ist, den Rückgriff auf die allgemeinere Rechts-
grundlage des § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG zu sperren, die ebenfalls eine Rückfor-
derung von Ausbildungsförderung wegen der Unterbrechung der Ausbildung
rechtfertigen kann.
dd) Die historisch-genetische Auslegung des § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG liefert
ebenfalls keine Hinweise darauf, dass es Inhalt dieser Norm ist, die Rückzah-
lungspflicht wegen der Unterbrechung der Ausbildung umfassend und ab-
schließend zu regeln. Insbesondere lassen sich den Gesetzesmaterialien (wie
der Begründung des Entwurfs des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
- BT-Drs. VI/1975 S. 29 f.) keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass § 20
Abs. 2 Satz 1 BAföG die Rückforderung von Leistungen der Ausbildungsförde-
rung auch dann sperren soll, wenn seine Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Vielmehr spricht die Entstehungsgeschichte der Norm - hier im Sinne der
Rechtsentwicklung durch verschiedene Gesetzesänderungen - in gewichtiger
Weise gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe § 20 Abs. 2 Satz 1 BAföG
als abschließende Regelung für Fälle der Ausbildungsunterbrechung konzipiert.
Schon zu der Ursprungsfassung von § 20 BAföG vom 26. August 1971 (BGBl. I
S. 1409) war anerkannt, dass während einer Unterbrechung der Ausbildung
bezogene Förderungsleistungen nicht nur unter den Voraussetzungen des Ab-
satzes 2 dieser Vorschrift zu erstatten waren, sondern auch dann, wenn die
Ausbildung aus einem nicht zu vertretenden Grund unterbrochen worden war
(BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1979 - 5 C 15.78 - BVerwGE 58, 132 <133 f.>).
Auch zu der nach Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches - Zehntes Buch (Ver-
waltungsverfahren) - geltenden Fassung des § 20 BAföG herrschte Überein-
stimmung darüber, dass auf andere Erstattungsregelungen (seinerzeit des So-
zialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - bzw. Zehnten Buches Sozialgesetz-
buch) zurückgegriffen werden konnte, wenn die Voraussetzungen der Sonder-
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regelung des § 20 Abs. 2 BAföG nicht vorlagen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom
17. September 1987 - 5 C 75.84 - Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 28).
Zwar hatte das Bundesverwaltungsgericht nach Inkrafttreten des Zehnten Bu-
ches Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - die Rücknahme und Aufhe-
bung von Bewilligungsbescheiden als Voraussetzung für die Rückforderung
geleisteter Förderungsbeträge zunächst grundsätzlich nach den §§ 45 und 48
SGB X beurteilt und angenommen, dass § 53 BAföG auf Fälle "außerhalb des
Bereiches der Leistungserstattung" beschränkt sei (vgl. BVerwG, Urteile vom
17. September 1987 - 5 C 26.84 - BVerwGE 78, 101 <109> und vom 24. Sep-
tember 1981 - 5 C 87.79 - Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 13). Diese Be-
schränkung des Anwendungsbereichs von § 53 BAföG galt jedoch nur, bis in
§ 53 BAföG durch Art. 1 Nr. 27 des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bun-
desausbildungsförderungsgesetzes vom 16. Juni 1986 (BGBl. I S. 897) die Be-
stimmung eingefügt wurde, dass § 48 SGB X keine Anwendung finde und
Rückforderungen sich nach § 50 SGB X richteten. Aus der Anordnung des Ge-
setzgebers, dass § 48 SGB X im gesamten Geltungsbereich des § 53 BAföG
unanwendbar sein soll (vgl. auch BT-Drs. 10/5025 S. 14), und aus der aus-
drücklichen Verweisung auf die Erstattungsregelung des § 50 SGB X ist zu er-
sehen, dass § 53 BAföG nach dem Willen des Gesetzgebers an die Stelle von
§ 48 SGB X treten, er seither also auch im Bereich der Leistungserstattung an-
wendbar sein sollte. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht klar-
gestellt, dass seither auch in Fällen einer nicht zu vertretenden Unterbrechung
der Ausbildung § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X ein-
schlägig ist (BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1998 - 5 C 33.97 - Buchholz
436.36 § 20 BAföG Nr. 37 S. 2 f.). Die vorgenannte Rechtsprechung, die den
Rückgriff auf § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG durchweg zugelassen hat, war dem Ge-
setzgeber bei seinen nachfolgenden Änderungen des Gesetzes jeweils be-
kannt, ohne dass ihn dies veranlasst hätte, insoweit korrigierend einzugreifen.
2. Das Oberverwaltungsgericht hat weiter im Ergebnis zutreffend angenommen,
dass die vom Kläger angegriffenen Änderungs- und Rückforderungsbescheide
des Beklagten, soweit sie die allein noch streitbefangenen Monate August und
September 2011 betreffen, von der Rechtsgrundlage des § 53 Satz 1 Nr. 2
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BAföG i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X gedeckt sind (a) und ihnen insoweit ein
schützenswertes Vertrauen des Klägers nicht entgegensteht (b). Nach § 53
Satz 1 Nr. 2 BAföG wird, wenn sich ein für die Leistung der Ausbildungsförde-
rung maßgeblicher Umstand ändert, ein Bewilligungsbescheid zuungunsten des
Auszubildenden vom Beginn des Monats an geändert, der auf den Eintritt der
Änderung folgt. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits
erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 53 Satz 3 Halbs. 2 BAföG i.V.m. § 50
Abs. 1 Satz 1 SGB X).
a) Die dem Kläger auf seinen Antrag von der Fachhochschule im Juli 2011
(rückwirkend) gewährte Beurlaubung für das Sommersemester 2011 stellt sich
als - hier zuungunsten des Auszubildenden wirkende - Änderung eines maß-
geblichen Umstands im Sinne von § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG dar. Zu diesen
maßgeblichen Umständen gehört auch eine Unterbrechung der Ausbildung in
Form der Beurlaubung wegen Krankheit, die unmittelbare Rechtswirkungen für
das Ausbildungsverhältnis hat. Während des Urlaubssemesters, das weder
hochschulrechtlich noch förderungsrechtlich auf die Zahl der Fachsemester an-
zurechnen ist, dauert die förderungsfähige Ausbildung nicht fort mit der Folge,
dass dem Auszubildenden insoweit Ausbildungsförderung grundsätzlich nicht
zusteht; und zwar auch dann nicht, wenn der Auszubildende vor einer rückwir-
kend ausgesprochenen Urlaubsbewilligung Lehrveranstaltungen tatsächlich
besucht hat. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwal-
tungsgerichts, die auch von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen wird
(BVerwG, Urteile vom 25. November 1982 - 5 C 102.80 - BVerwGE 66, 261
<264> und vom 13. Oktober 1998 - 5 C 33.97 - Buchholz 436.36 § 20 BAföG
Nr. 37).
b) Im Hinblick auf die streitbefangenen Monate August und September 2011
stehen der in § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X ange-
ordneten Rechtsfolge auch nicht Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes ent-
gegen.
aa) Zwar ist das Förderungsamt nach den vorgenannten Regelungen zum Er-
lass eines entsprechenden Änderungs- und Rückforderungsbescheids ermäch-
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tigt und verpflichtet, ohne dass ihm insoweit ein Ermessensspielraum zusteht
(BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 1986 - 5 ER 265/84 - Buchholz 436.36
§ 53 BAföG Nr. 5). Dennoch ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwal-
tungsgerichts bei der nachteiligen Änderung eines Bescheids mit Wirkung auch
für zurückliegende Zeiträume ein Mindestmaß an Vertrauensschutz, der verfas-
sungsrechtlich geboten ist, zu wahren (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1992
- 11 C 6.92 - BVerwGE 91, 306 <311> m.w.N.; kritisch dazu Steinweg, in:
Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl. 2014, § 53 Rn. 29). Dementsprechend ist
auch bei der Anwendung des § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG eine Abwägung des Ge-
wichtes des Vertrauensschutzinteresses des Auszubildenden gegenüber dem
öffentlichen Interesse an einer gesetzmäßigen und gesetzeszweckentspre-
chenden Verwendung der für die Ausbildungsförderung eingesetzten öffentli-
chen Finanzmittel vorzunehmen (BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1998 - 5 C
33.97 - Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 37 S. 6).
Von vornherein wenig schutzwürdig ist ein Vertrauen in den unveränderten Be-
stand eines begünstigenden Verwaltungsakts, wenn sich die Änderung im
Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält, wenn also der Betroffene mit
der Änderung rechnen musste (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1992 - 11 C
6.92 - BVerwGE 91, 306 <313>). Dies ist der Fall, wenn der Bestand des Bewil-
ligungsbescheids nach den konkreten Umständen schon vor dem Erlass des
Änderungsbescheids ernstlich zweifelhaft und seine Änderung bereits zu dem
Zeitpunkt, auf den sich diese zurückbezieht, mit einer gewissen Wahrschein-
lichkeit zu erwarten war. Dabei wirkt sich nicht - wie nach den weitreichenden
Vertrauensschutzregelungen der § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, § 48 Abs. 1 Satz 2
Nr. 4 SGB X und § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG - nur grobe Fahrlässigkeit zu-
ungunsten des von der Änderung Betroffenen aus. Auch wenn er mit seinem
Vertrauen in den unveränderten Bestand des begünstigenden Verwaltungsakts
die ihm zuzumutende Sorgfalt bei der Einschätzung der tatsächlichen Entwick-
lung und ihrer rechtlichen Folgen lediglich in einem leichten Maße verletzt, ver-
liert das Vertrauensschutzinteresse erheblich an Gewicht (BVerwG, Urteil vom
16. Dezember 1992 - 11 C 6.92 - BVerwGE 91, 306 <313>).
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bb) Von diesen Maßstäben ist das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich und in
zutreffender Weise ausgegangen. Seine darauf beruhende Würdigung, dass
der Rückforderung für die streitbefangenen Monate August und September
2011 schutzwürdiges Vertrauen des Klägers nicht entgegensteht, ist revisions-
gerichtlich nicht zu beanstanden. Entgegen dem Vorbringen der Revision kann
sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, die rechtlichen und finanziellen
Folgen der Beurlaubung und einer verspäteten Anzeige gegenüber der Verwal-
tung nicht gekannt zu haben und auch nicht habe kennen müssen.
Zum einen steht der Berufung des Klägers auf die von ihm geltend gemachte
(rechtliche) Unkenntnis entgegen, dass diese seiner Verantwortungssphäre zu-
zurechnen ist. Ihn traf nämlich die Verpflichtung gegenüber dem Beklagten, ei-
ne Änderung in den Verhältnissen, die für die Leistung der Ausbildungsförde-
rung erheblich sind, unverzüglich dem Amt für Ausbildungsförderung mitzuteilen
(vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I). Dementsprechend war er gehalten, dem Beklag-
ten die im Juli 2011 bewilligte Beurlaubung für das gesamte Sommersemester
2011 unverzüglich zur Kenntnis zu geben. Auf diese Verpflichtung, dem Beklag-
ten Änderungen - unter anderem die Unterbrechung der Ausbildung - mitzutei-
len, ist der Kläger im Bewilligungsbescheid vom 29. November 2010 und im
Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom 13. Januar 2012 ausdrücklich
hingewiesen worden. Das Oberverwaltungsgericht hat hierzu überdies festge-
stellt, dass jeder Bescheid über die Bewilligung von Ausbildungsförderung den
Hinweis enthalte, dass eine Unterbrechung der Ausbildung sofort zu melden
sei, da sie Auswirkungen auf die Leistung von Ausbildungsförderung habe. Die-
se Feststellung, die der Kläger nicht mit erheblichen Verfahrensrügen angegrif-
fen hat, ist für das Revisionsgericht bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO).
Zum anderen obliegt es im Falle einer Erkrankung dem Auszubildenden selbst,
die förderungsrechtliche Konsequenz einer Beurlaubung, dass ihm die Ausbil-
dungsförderung für das Urlaubssemester nicht zusteht, vor Einreichung eines
Antrags zu bedenken und gegebenenfalls entsprechenden Rat einzuholen (vgl.
BVerwG, Urteil vom 25. November 1982 - 5 C 102.80 - BVerwGE 66, 261
<264>).
Der Kläger hätte wissen müssen, dass er wegen des von ihm beantrag-
ten und von der Fachhochschule rückwirkend gewährten Urlaubssemesters
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jedenfalls für die im Streit stehenden Monate keinen Förderanspruch mehr be-
saß. Indem er es versäumt hat, sich entsprechend zu informieren, hat er die
ihm zuzumutende Sorgfalt bei der Einschätzung der tatsächlichen Entwicklung
und ihrer rechtlichen Folgen zumindest in einem leichten Maße verletzt. Ein et-
waiges Vertrauen in die unveränderte Weiterförderung - hier für die Monate Au-
gust und September 2011 - erwies sich daher jedenfalls seit der Bewilligung
des Urlaubssemesters im Juli 2011 als nicht mehr schutzwürdig.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben.
Vormeier
Stengelhofen
Dr. Störmer
RiBVerwG Dr. Fleuß
Dr. Harms
ist wegen Urlaubs verhindert
zu unterschreiben.
Vormeier
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