Urteil des BVerwG vom 04.09.2008

Treu Und Glauben, Treuhandverhältnis, Treuhänder, Treuhandvertrag

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 5 C 12.08
OVG 6 B 3.07
Verkündet
am 4. September 2008
Wahl
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2008
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Ober-
verwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Januar
2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Ent-
scheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-
Brandenburg zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussent-
scheidung vorbehalten.
G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen die mit der Aufhebung vorangegangener Bewilli-
gungsbescheide verbundene Rückforderung von Ausbildungsförderung für den
Zeitraum Oktober 1999 bis September 2002.
Der Kläger nahm zum Wintersemester 1998/1999 das Studium der Humanme-
dizin in Dresden auf und setzte es ab dem Sommersemester 2004 in Berlin fort.
Auf entsprechende Anträge, in denen er jeweils angegeben hatte, nicht über
Vermögen zu verfügen, bewilligte ihm das Studentenwerk Dresden jeweils mit
gesondertem Bescheid Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich
826 DM für den Zeitraum von Oktober 1999 bis September 2000,
827 DM für den Zeitraum von Oktober 2000 bis März 2001,
910 DM für den Zeitraum von April 2001 bis September 2001 sowie
909 DM für den Zeitraum von Oktober 2001 bis September 2002.
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Im September 2002 erfuhr das Studentenwerk, dass der Kläger im Jahre 2001
Freistellungsaufträge für Kapitalerträge in Höhe von 1 446 DM erteilt hatte.
Deshalb forderte es ihn Anfang des Jahres 2003 auf, Angaben zu seinem ge-
samten Kapitalvermögen zu machen. Nach den daraufhin vom Kläger vorgeleg-
ten Unterlagen verfügte er im damaligen Zeitraum über Sparvermögen in Höhe
von einigen Tausend DM. Zudem war der Kläger Inhaber eines Depots mit ei-
nem Bundesschatzbrief im Wert von 19 000 DM sowie einem Finanzschatzbrief
im Wert von 5 000 DM. Die Schatzbriefe hatte die Mutter des Klägers 1996 er-
worben, aus steuerlichen Gründen im Jahre 1998 zunächst auf seinen Bruder
angelegt und im März 1999 auf das von dem Kläger in seinem Namen eröffnete
Depot transferiert. Der Kläger hatte seiner Mutter eine Vollmacht für Konto und
Depot erteilt. Die Zinsen sowie der Wert der Schatzbriefe waren nach deren
Auslaufen an die Mutter des Klägers geflossen.
Das Studentenwerk bewertete die Schatzbriefe als Vermögen des Klägers und
hob mit Bescheiden vom 9. Juli 2003 die Bewilligungsbescheide auf. Gleichzei-
tig setzte es den monatlichen Förderbetrag für den Zeitraum von Oktober 1999
bis September 2001 auf 0 DM sowie für den Zeitraum von Oktober 2001 bis
September 2002 auf 435,50 DM fest und forderte den Kläger auf, insgesamt
10 783,80 € zurückzuzahlen.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger am 11. August 2004
bei dem Verwaltungsgericht Klage erhoben. Dazu hat er geltend gemacht, die
Schatzbriefe seien Vermögen seiner Mutter, das ihm aufgrund einer treuhände-
rischen Bindung nicht zur Verfügung gestanden habe. Ihrer Verwertung zu Aus-
bildungszwecken stehe ein rechtliches Hindernis im Sinne v
entgegen, da diese Vorschrift auch Treuhandverhältnisse als
rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen erfasse.
Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom
14. November 2006 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger
habe zu den maßgeblichen Zeitpunkten nicht über Vermögen verfügt, das den
jeweils geltenden Freibetrag überstiegen habe. Denn von den unter dem Na-
men des Klägers angelegten Vermögenswerten sei der Wert der Schatzbriefe
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als Schuld gemäßabzusetzen, weil insoweit ein Her-
ausgabeanspruch der Mutter des Klägers als eigentlicher Vermögensinhaberin
und Treugeberin bestanden habe.
Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsge-
richt mit Urteil vom 23. Januar 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt: Die Kontoguthaben und Wertpapiere seien gem
nicht auf das Vermögen des Klägers anzurechnen, weil dieser
auf Grund einer mit seiner Mutter abgeschlossenen Treuhandvereinbarung
rechtlich an der Verwertung gehindert gewesen sei. Jedenfalls sei der Heraus-
gabeanspruch der Treugeberin als Schuld im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 1
BAföG zu berücksichtigen. Die Vorschrift könne auch bei einer verdeckten
Treuhand eingreifen, die dem Studentenwerk bei der Antragstellung nicht an-
gezeigt worden sei. Schulden im Sinne dieser Vorschrift seien zwar nur solche
Forderungen, mit deren Geltendmachung der Auszubildende während des
streitigen Bewilligungszeitraums oder in absehbarer Zeit ernstlich rechnen
müsse. Dies sei hier aber der Fall gewesen.
Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt der Beklag-
te die Verletzung von § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG sowie § 28 Abs. 3 Satz 1
BAföG und führt dazu aus: Der Auszubildende sei verpflichtet, gegenüber dem
Amt für Ausbildungsförderung sämtliche auf seinen Namen lautende Konten
anzugeben. Decke er bei der Antragstellung ein Treuhandverhältnis nicht auf,
so müsse er sich den von ihm erzeugten Rechtsschein, Vermögen zu besitzen,
zurechnen lassen. Darüber hinaus sei die Berufung auf ein verdecktes Treu-
handverhältnis treuwidriges Verhalten. Der Kläger habe sich in einen unlösba-
ren Widerspruch zu seinem früheren Verhalten gesetzt, indem er unterschiedli-
che Angaben gegenüber der Bank im Freistellungsauftrag einerseits und ge-
genüber dem Förderungsamt im Antragsformular andererseits gemacht habe.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
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II
Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt
Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht ist zwar
zu Recht davon ausgegangen, dass es für den Kläger, zu dessen Vermögen
die in Rede stehenden Schatzbriefe zu rechnen sind, grundsätzlich nicht aus-
geschlossen ist, sich im Rahmen der Ausbildungsförderung auf ein Treuhand-
verhältnis zu berufen (1). Das angefochtene Urteil ist jedoch insoweit mit Bun-
desrecht nicht vereinbar, als das Oberverwaltungsgericht den Maßstab, an dem
die Annahme einer ausbildungsrechtlich relevanten Treuhandabrede zu messen
ist, nicht in vollem Umfang zutreffend gebildet und auch nicht in dem not-
wendigen Umfang tatsächliche Feststellungen dazu getroffen hat, ob nach den
allein maßgeblichen zivilrechtlichen Grundsätzen eine Treuhandabrede zwi-
schen dem Kläger und seiner Mutter wirksam geschlossen wurde (2). Der Se-
nat sieht sich deshalb an einer abschließenden Entscheidung gehindert und
verweist die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurück (§ 144 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 VwGO).
1. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Wertpa-
piere im Depot des Klägers zu dessen Vermögen gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 BAföG gehören. Die Schatzbriefe stellen sich als Forderungen im Sinne
dieser Vorschrift dar, deren Inhaber nach den hierfür maßgeblichen zivilrechtli-
chen Grundsätzen der Kläger ist. Der Gesetzgeber hat zwar in § 27 BAföG
einen eigenständigen Begriff des ausbildungsrechtlich verwertbaren Vermögens
geprägt, indem er einerseits bestimmte Gegenstände in § 27 Abs. 1 Satz 1
BAföG als Vermögen definiert und andererseits unter bestimmten Vor-
aussetzungen (nach § 27 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BAföG) davon ausgenom-
men hat. Er hat aber für die Frage, was eine Forderung (im Sinne von § 27
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG) ist, keine eigenständige Regelung getroffen, son-
dern allein an das Zivilrecht angeknüpft.
Nach den sonach maßgeblichen zivilrechtlichen Grundsätzen ist Inhaber eines
Depots oder Kontos und Gläubiger des darauf eingezahlten Betrages, wer nach
dem von der Bank erkennbaren Willen des Kunden im Zeitpunkt der Kontoer-
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öffnung Gläubiger des Guthabens werden sollte (BGH, Urteile vom 18. Oktober
1994 - XI ZR 237/93 - BGHZ 127, 229 und vom 18. Januar 2005 - X ZR
264/02 - NJW 2005, 980). Dies war der Kläger, auf dessen Namen Konto und
Depot unstreitig errichtet worden sind und der in dem von ihm unterzeichneten
Kontoeröffnungsantrag angegeben hatte, er handele auf eigene Rechnung.
Das Oberverwaltungsgericht ist ebenfalls zu Recht davon ausgegangen, dass
dem Kläger die Berufung auf ein Treuhandverhältnis nicht von vornherein ab-
geschnitten ist. Die Anerkennung von Verbindlichkeiten aus Treuhandabreden
ist bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung nicht ausgeschlossen, son-
dern bestimmt sich danach, ob diese zivilrechtlich wirksam zustande gekom-
men und auch nachgewiesen sind. Das gilt auch für sogenannte verdeckte
Treuhandverhältnisse, und zwar unabhängig davon, ob wirksame und nachge-
wiesene Treuhandverhältnisse bereits der Regelung des § 27 Abs. 1 Satz 2
BAföG unterfallen oder ob der aus einem solchen Verhältnis gegen den Auszu-
bildenden als Treuhänder resultierende Herausgabeanspruch des Treugebers
als bestehende Schuld im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG anzuerkennen
ist.
Entgegen der Ansicht der Revision scheidet die Berufung des Klägers auf ein
Treuhandverhältnis nicht deshalb aus, weil er als verdeckter Treuhänder den
„Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft“ erzeugt habe, an dem er sich im
Rahmen der Ausbildungsförderung festhalten lassen müsse. Zum einen ist der
Auszubildende als Treuhänder auch bei einer verdeckten Treuhand nicht nur
dem Rechtsschein nach, sondern - wie oben dargelegt - nach zivilrechtlichen
Grundsätzen tatsächlich Inhaber der Forderung gegen die Bank. Zum anderen
könnte allein der Rechtsschein der Innehabung eines Vermögensgegenstandes
nicht dazu führen, das Vorliegen von Vermögen im Sinne von § 27 Abs. 1
Satz 1 BAföG zu fingieren. Für eine solche Fiktion und damit für eine Relativie-
rung der nach bürgerlichem Recht zu beurteilenden Vermögensverhältnisse
fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (ebenso zu Treuhandverhältnissen im
Bereich der Arbeitslosenhilfe: BSG, Urteile vom 24. Mai 2006 - B 11a AL
49/05 R - juris, vom 24. Mai 2006 - B 11a AL 7/05 R - BSGE 96, 238 und vom
13. September 2006 - B 11a AL 19/06 - juris). Einen zivilrechtlichen Grundsatz
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des Inhalts, dass allein die Offenlegung eines Treuhandverhältnisses über die
Zuordnung des Vermögensgegenstands entscheidet, gibt es nicht. So ist etwa
nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung für die Drittwiderspruchsberechti-
gung des Treugebers nach § 771 ZPO die Publizität eines Treuhandverhältnis-
ses nicht zwingend erforderlich (BGH, Urteil vom 1. Juli 1993 - IX ZR 251/92 -
NJW 1993, 2622).
Die Berücksichtigung eines Treuhandverhältnisses scheidet für den Auszubil-
denden auch dann nicht zwingend aus, wenn er - wie hier der Kläger - das treu-
händerisch gehaltene Vermögen nicht in seinem Antrag auf Ausbildungsförde-
rung angegeben, wohl aber gegenüber seiner Bank einen entsprechenden
Freistellungsauftrag erteilt hat. Dieser Umstand kann zwar im Einzelfall Zweifel
daran begründen, ob überhaupt ein Treuhandvertrag geschlossen wurde. Die
Berufung auf ein sog. verdecktes Treuhandverhältnis ist dem Auszubildenden in
diesem Fall entgegen der Auffassung der Revision jedoch nicht von vornherein
wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben versagt.
Zwar kann dem Auszubildenden im Einzelfall auch im Ausbildungsförde-
rungsrecht Vermögen weiterhin zugerechnet werden, das er unentgeltlich und
rechtsmissbräuchlich etwa an seine wirtschaftlich nicht leistungsfähigen Eltern
übertragen hat (vgl. Urteil vom 13. Januar 1983 - BVerwG 5 C 103.80 -
Buchholz 436.36 § 26 BAföG Nr. 1). Indessen liegt hier weder ein solcher Fall
des Rechtsmissbrauchs noch ein sonstiger Verstoß gegen den Grundsatz von
Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung
(venire contra factum proprium)
vor.
Widersprüchliches Verhalten ist nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung erst
dann rechtsmissbräuchlich, wenn der Handelnde dadurch für den anderen Teil
einen Vertrauenstatbestand schafft, auf den sich sein Gegenüber verlassen
darf, oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwid-
rig erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 5. Juni 1997 - X ZR 73/95 - juris m.w.N.;
zu den eng gelagerten, hier aber nicht einschlägigen Ausnahmefällen, in denen
die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes nicht erforderlich ist: BGH, Urteil
vom 20. September 1995 - VIII ZR 52/94 - BGHZ 130, 371; Heinrichs, in:
Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 242 Rn. 55 ff.). Daran fehlt es hier. Mit der Er-
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teilung des Freistellungsauftrags gegenüber seiner Bank begründet der Auszu-
bildende gegenüber dem Ausbildungsförderungsamt keinen Tatbestand, auf
den dieses vertrauen darf. Der Freistellungsauftrag betrifft nicht das ausbil-
dungsförderungsrechtliche, sondern das Rechtsverhältnis zur Bank. Er stellt
sich als eine Anweisung des Kontoinhabers an die kontoführende Bank dar, ihm
die aus dem Kontoguthaben resultierenden Kapitalerträge bis zur Höhe des
Sparerfreibetrages unversteuert gutzuschreiben, also vom Zinsabschlag aus-
zunehmen. Der Kontoinhaber gibt mit der Erteilung des Freistellungsauftrages
jedoch weder eine Erklärung unmittelbar gegenüber den Finanzbehörden noch
gegenüber Dritten (wie dem Ausbildungsförderungsamt) ab. Angaben aus dem
Freistellungsauftrag werden an diese Stellen lediglich weitergeleitet (OVG
Münster, Urteil vom 11. Februar 2008 - 2 A 1083/05 - juris Rn. 53).
2. Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch den Maßstab, der im Rahmen der
ausbildungsrechtlichen Vermögensregelungen für die Annahme einer wirksa-
men Treuhandabrede anzulegen ist, nicht in vollem Umfang zutreffend be-
stimmt. Dabei bedarf es hier keiner Entscheidung darüber, ob und inwieweit
§ 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG überhaupt rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschrän-
kungen in Gestalt von Treuhandabreden erfasst. Denn Herausgabeansprüche
des Treugebers gegen den Auszubildenden als Treuhänder können jedenfalls
nach § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG abzugsfähig sein. Das setzt jedoch voraus,
dass es sich um bestehende Schulden im Sinne dieser Vorschrift und damit um
zivilrechtlich wirksame und vom Auszubildenden nachgewiesene Verbindlich-
keiten handelt (vgl. Urteil vom 4. September 2008 - BVerwG 5 C 30.07 -).
Ein Treuhandvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem
Treuhänder Vermögensrechte überträgt, ihn aber in der Ausübung der sich aus
dem Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maß-
gabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (vgl. BFH, Urteil
vom 20. Januar 1999 - I R 69/97 - BFHE 188, 254; BSG, Urteile vom 25. Januar
2006 - B 12 KR 30/04 R - ZIP 2006, 678 und vom 28. August 2007 - B 7/7a AL
10/06 R - juris Rn. 16). Eine rechtlich anzuerkennende Treuhandschaft setzt
daher eine entsprechende schuldrechtliche Vereinbarung zwischen Treugeber
und Treuhänder voraus, aus der sich ergeben muss, dass die mit der rechtli-
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chen Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht im Innenverhältnis zuguns-
ten des Treugebers eingeschränkt ist. Die Treuhandabrede muss die Wei-
sungsbefugnis des Treugebers gegenüber dem Treuhänder und dessen Ver-
pflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treugutes zum Gegenstand haben.
Die Vereinbarung eines entsprechenden Auftrags- oder Geschäftsbesorgungs-
verhältnisses muss ernsthaft gewollt sein und es muss eine konkrete, mit
rechtsgeschäftlichem Bindungswillen zustande gekommene Absprache nach-
gewiesen werden. Dabei muss - gerade bei der hier in Rede stehenden fremd-
nützigen Treuhand - das Handeln des Treuhänders im fremden Interesse we-
gen der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnungsfolge ein-
deutig erkennbar sein (vgl. BFH, Urteil vom 4. Dezember 2007 - VIII R 14/05 -
BFH-RR 2008, 221, m.w.N.; LSG Schleswig, Urteil vom 6. Juli 2007 - L 3 AL
125/06 ZVW - juris Rn. 33).
Entsprechend diesen Vorgaben ist der Treuhandcharakter eines Kontos oder
Depots nur anzunehmen, wenn eine entsprechende Treuhandabrede zivilrecht-
lich wirksam zustande gekommen und dies von dem insoweit darlegungspflich-
tigen Auszubildenden auch nachgewiesen worden ist. Hieran sind strenge An-
forderungen zu stellen. Das gilt in dem vorliegenden ausbildungsrechtlichen
Zusammenhang gerade im Hinblick auf die Gefahr des Missbrauchs bei sol-
chen Abreden unter Angehörigen (siehe auch das Urteil vom 4. September
2008 - BVerwG 5 C 30.07 -). Die Ämter für Ausbildungsförderung und die Tat-
sachengerichte haben zur Klärung der Frage, ob überhaupt ein wirksamer
Treuhandvertrag geschlossen worden ist und welchen Inhalt dieser gegebenen-
falls hat, alle Umstände des Einzelfalles sorgsam zu würdigen. Soweit die tat-
sächlichen Grundlagen des Vertragsschlusses der Sphäre des Auszubildenden
zuzuordnen sind, obliegt ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen
eine gesteigerte Mitwirkungspflicht; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht
insoweit zu seinen Lasten. Da die relevanten Umstände oft in familiären Bezie-
hungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, die häufig nicht
zweifelsfrei feststellbar sind, ist es zudem gerechtfertigt, für die Frage, ob ein
entsprechender Vertragsschluss vorliegt, äußerlich erkennbare Merkmale als
Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. No-
vember 1995 - 2 BvR 802/90 - BB 1995, 2624 <2625> m.w.N.).
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Ein gewichtiges Beweisanzeichen im zuvor genannten Sinne ist etwa die Sepa-
rierung des Treuguts. Für die Beantwortung der Frage, ob überhaupt eine wirk-
same Treuhandvereinbarung geschlossen worden ist, ist zu berücksichtigen,
dass die vorhandenen gesetzlichen Regelungen über treuhänderisches Ver-
mögen regelmäßig vorschreiben, das Treugut vom eigenen Vermögen des
Treuhänders getrennt zu halten (vgl. § 292 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 2 DepotG).
Die zivilgerichtliche Rechtsprechung erkennt auch ein Aussonderungsrecht
nach § 47 InsO bei einem Treuhandkonto nur an, wenn das Konto ausschließ-
lich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmt ist
(BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - IX ZR 120/02 – WM 2003, 512 f. m.w.N.).
Zwar schließt im vorliegenden ausbildungsrechtlichen Zusammenhang die feh-
lende Trennung des Treuguts vom eigenen Vermögen nicht zwingend aus,
dass ein wirksamer Treuhandvertrag geschlossen wurde. Ein zivilrechtlicher
Herausgabeanspruch gegen den Treuhänder aus einem Auftragsverhältnis
kann auch dann bestehen, wenn der Treuhänder empfangenes Geldvermögen
abredewidrig nicht getrennt von seinem Vermögen verwahrt hat (vgl. BFH, Ur-
teil vom 25. Januar 2001 - II R 39/98 - HFR 2001, 678). Ist allerdings die Sepa-
rierung des Treuguts schon nicht Bestandteil des behaupteten Vertrages und
hat der angebliche Treuhänder das Empfangene auch tatsächlich nicht von
seinem eigenen Vermögen getrennt, so ist in der Regel davon auszugehen,
dass die Beteiligten eine verbindliche Treuhandvereinbarung tatsächlich nicht
getroffen haben.
Ferner spricht es etwa gegen die Glaubhaftigkeit eines behaupteten Vertrags-
schlusses, wenn der Inhalt der Abrede und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses
nicht substantiiert dargelegt werden. Gleiches gilt, wenn ein plausibler Grund für
den Abschluss des Vertrages nicht genannt werden kann. Zum Inhalt der
Treuhandabrede ist ferner zu prüfen, ob dargelegt worden ist, dass eine
Verwertung des Treuguts durch den Auszubildenden auch dann nicht statthaft
sein soll, wenn dieser in finanzielle Not gerät oder nur durch die Verwertung
seine Ausbildung finanzieren kann. Zweifel am Eingehen einer entsprechenden
Verbindlichkeit können ferner berechtigt sein oder bestätigt werden, wenn die
Durchführung des Treuhandvertrages nicht den geltend gemachten Vereinba-
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rungen entspricht und die Abweichung nicht nachvollziehbar begründet werden
kann. Ebenso lässt es sich als Indiz gegen einen wirksamen Vertragsschluss
werten, wenn der Auszubildende eine treuhänderische Bindung (von Teilen)
seines Vermögens nicht von vornherein in seinem Antragsformular bezeichnet
hat, sondern erst geltend macht, nachdem er der Behörde gegenüber nachträg-
lich einräumen musste, anrechenbares Vermögen zu besitzen. Für das Vorlie-
gen eines beachtlichen Treuhandverhältnisses während eines in der Vergan-
genheit liegenden Bewilligungszeitraums kann es dagegen sprechen, wenn das
Treugut nachweislich bereits zu dem Zeitpunkt an den Treugeber zurückgege-
ben worden war, zu dem der Auszubildende zum ersten Mal das Treuhandver-
hältnis offenlegte und sich damit erstmals die Frage seiner ausbildungsförde-
rungsrechtlichen Anrechnung stellte.
Diesen Grundsätzen und den danach an die tatrichterliche Feststellung und
Würdigung zu stellenden Anforderungen ist das Oberverwaltungsgericht nicht in
vollem Umfang gerecht geworden. Es hat bereits nicht angeführt, welchen
rechtlichen Maßstab es für die tatrichterliche Überzeugungsbildung und Prüfung
zugrunde gelegt hat, ob ein ausbildungsförderungsrechtlich relevantes
Treuhandverhältnis vorliegt. Auch die tatsächlichen Feststellungen und Würdi-
gungen tragen nicht die Annahme eines wirksamen Treuhandverhältnisses. Das
Oberverwaltungsgericht hat schon keine Tatsachen zu dem konkreten Ab-
schluss einer Treuhandvereinbarung festgestellt, d.h. wann, in welcher Form
und mit welchem genauen Inhalt der Kläger eine solche Vereinbarung mit sei-
ner Mutter getroffen haben soll. Es hat auch den Umstand nicht hinreichend
gewürdigt, dass der Kläger seine Vermögensverhältnisse erst vollständig offen
gelegt und sich auf eine treuhänderische Bindung berufen hat, nachdem das
Studentenwerk von seinem Freistellungsauftrag Kenntnis erlangt und den Klä-
ger aufgefordert hatte, Angaben zu seinem gesamten Kapitalvermögen zu ma-
chen. Darüber hinaus hat das Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend ge-
prüft, ob zivilrechtliche Nichtigkeitsgründe vorliegen. Da die fehlenden tatrichter-
lichen Feststellungen dem Revisionsgericht keine abschließende Bewertung
erlauben, ob der behauptete Treuhandvertrag wirksam abgeschlossen worden
ist, ist der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
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Sollte das Oberverwaltungsgericht nach entsprechender Tatsachenfeststellung
und -würdigung zu der Überzeugung gelangen, dass der Kläger mit seiner Mut-
ter einen Treuhandvertrag geschlossen hat, wird es dessen zivilrechtliche Wirk-
samkeit näher zu prüfen haben. Dabei wird es auch zu würdigen haben, dass
der Kläger - unterstützt durch die Aussage seiner Mutter - im Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht vorgetragen hat, seine Mutter habe die Schatzbriefe allein
aus steuerlichen Gründen auf sein Depot transferiert. Soweit durch die
treuhänderische Übertragung dem Fiskus in rechtswidriger Weise zu versteu-
ernde Zinserträge vorenthalten werden sollten, könnte dies ein Umstand sein,
der gemäß §§ 134, 138 BGB zur Nichtigkeit des Treuhandvertrages führt. Denn
Rechtsgeschäfte sind dann nichtig im Sinne dieser Vorschriften, wenn sich eine
mit dem Vertrag verbundene Steuerverkürzung als der Hauptzweck des Vertra-
ges darstellt (BGH, Urteile vom 30. Januar 1985 - VIII ZR 292/83 - WM 1985,
647 und vom 2. November 2005 - IV ZR 57/05 - NJW-RR 2006, 283; OLG
Hamm, Urteil vom 10. Januar 1989 - 26 U 77/87 - BB 1989, 651). Zu diesem
Aspekt wird das Oberverwaltungsgericht gegebenenfalls entsprechende tat-
sächliche Feststellungen zu treffen und in rechtlicher Hinsicht weiter zu prüfen
haben, ob der Mutter des Klägers anstatt vertraglicher Ansprüche noch (Kon-
diktions-) Ansprüche gegen ihn zustehen können. Je nach dem Ergebnis seiner
Feststellungen zur Frage der Steuerverkürzung wird das Oberverwaltungsge-
richt ferner zu erwägen haben, ob und inwieweit eine Mitteilung an die Steuer-
behörden veranlasst ist (§ 116 Abs. 1 AO).
Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Oberverwaltungsgericht außerdem
zu berücksichtigen haben, dass sich der angefochtene Aufhebungs- und Rück-
forderungsbescheid auch aus einem anderen Grund teilweise als rechtmäßig
erweisen kann. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers von einem wirksamen
Treuhandverhältnis auszugehen sein sollte, bedarf es der Klärung, ob der Klä-
ger zumindest teilweise zu Unrecht Ausbildungsförderung bezogen hat, weil bei
der Berechnung der Förderungsleistungen für die streitbefangenen Zeiträume
Einkünfte seiner Mutter aus Kapitalvermögen nicht berücksichtigt worden sind.
Es würde sich nicht als qualitative Änderung des Aufhebungs- und Rückforde-
rungsbescheides darstellen, wenn statt auf eine Rechtswidrigkeit wegen An-
rechnung des Vermögens des Auszubildenden darauf abgestellt wird, dass zu
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Unrecht die aus diesem Vermögen der Mutter zugeflossenen Kapitalerträge
nicht berücksichtigt worden sind. Da zu dieser Frage bislang tragfähige tatsäch-
liche Feststellungen fehlen, wird das Oberverwaltungsgericht bei Annahme
eines Treuhandverhältnisses zu ermitteln haben, ob und in welcher Höhe Kapi-
talerträge nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BAföG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Ein-
kommen der Mutter zu berücksichtigen sind.
Soweit das Oberverwaltungsgericht bei seiner erneuten Entscheidung die Vor-
schrift des § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG heranzieht, weist der Senat darauf hin,
dass die Abzugsfähigkeit der Schuld - entgegen der Auslegung in dem ange-
griffenen Urteil - nicht voraussetzt, dass mit der Geltendmachung der Forderung
im Bewilligungszeitraum ernsthaft zu rechnen ist. Auf die Fälligkeit einer
Forderung innerhalb des Bewilligungszeitraums kommt es für die Frage, ob
eine Schuld besteht, nicht an (siehe dazu näher Urteil vom 4. September 2008
- BVerwG 5 C 30.07 -).
Hund
Dr. Brunn
Prof. Dr. Berlit
Stengelhofen
Dr. Störmer
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Sachgebiet:
BVerwGE: ja
Ausbildungsförderungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
BAföG
§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2, § 28 Abs. 3
Stichworte:
Ausbildungsförderung; objektive Beweisanzeichen; Bewilligungszeitraum; Dar-
legungspflicht; Indizien; Rechtsschein; Treuhandabrede; Treuhandverhältnis;
verdeckte Treuhand; Treu und Glauben; abzugsfähige Schulden; Verfügungs-
beschränkung; Vermögen; Vermögensrechnung; Verwertungshindernis.
Leitsatz:
Bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung sind Treuhandabreden anerken-
nungsfähig, wenn sie zivilrechtlich wirksam zustande gekommen sind. An den
Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen.
Urteil des 5. Senats vom 4. September 2008 - BVerwG 5 C 12.08
I. VG Berlin vom 14.11.2006 - Az.: VG 18 A 245.05 -
II. OVG Berlin-Brandenburg vom 23.01.2008 - Az.: OVG 6 B 3.07 -