Urteil des BVerwG vom 17.10.2006

Akte, Aufklärungspflicht, Beweisantrag, Unterlassen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 99.06
VG 25 A 62.04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Oktober 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Franke und Dr. Brunn
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 28. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 50 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Revision kann nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Ver-
fahrensmangels zugelassen werden. Zu Unrecht rügt die Beschwerde als Ver-
stoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), dass das
Verwaltungsgericht die als Beweismittel angebotene Akte des Stadtbezirksge-
richts Mitte nicht beigezogen habe; hätte das Verwaltungsgericht die beantragte
Beweisaufnahme durchgeführt, so hätte sich ergeben, dass zum Nachweis der
persönlichen Unzuverlässigkeit des Rechtsvorgängers der Beschwerdeführerin
willkürliche politische Gründe herangezogen worden und damit die Vorausset-
zungen des § 1 Abs. 3 VermG gegeben seien.
Insoweit ergibt die Verfahrensakte des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin
zwar mit Schriftsatz vom 23. März 2004 einen solchen Beweisantrag gestellt hat
(S. 3 der Akte), jedoch in dem der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2006
vorangegangenen Hinweisschreiben vom 7. Juni 2006 (S. 38 der Akte) darauf
hingewiesen worden ist, dass die dem Gericht vorliegenden Vorgänge nicht
geeignet seien, den behaupteten politischen Hintergrund zu beweisen, und
dass für die Behauptung der Klägerin keine weitere Aufklärungsmöglichkeit zur
Verfügung stehe (S. 38 ff. der Akte); das - den Rechtsvorgänger der Klägerin
vom Vorwurf eines „Verstoßes gegen die WStVo und die VO zur Regelung des
innerdeutschen Zahlungsverkehrs“ freisprechende - Urteil des Stadtbezirksge-
richts Mitte vom 26. Juli 1954 (BA III, S. 12 ff.) sei, da erst nach dem Widerruf
der Gewerbeerlaubnis des Rechtsvorgängers der Klägerin durch den Rat des
Stadtbezirks Mitte von Groß-Berlin am 29. März 1954 ergangen, nicht geeignet,
den behaupteten politischen Hintergrund zu beweisen. In der mündlichen
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Verhandlung vom 28. Juni 2006 (S. 41 ff. der Verfahrensakte des Verwal-
tungsgerichts) ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass der rechtliche
Hinweis der Berichterstatterin vom 7. Juni 2006 nach einer Beratung der Be-
rufsrichter erfolgt sei und dass die dort genannten Argumente weiterhin nach
Auffassung der Berufsrichter einen Erfolg der Klage zweifelhaft erscheinen lie-
ßen. Einen förmlichen Beweisantrag hat die Klägerin daraufhin nicht gestellt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt
ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts dann
nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine durch einen
Rechtsanwalt vertretene Partei nicht förmlich beantragt hat (vgl. § 86 Abs. 2
VwGO), solange sich ihm aufgrund des Beteiligtenvortrages eine weitere Be-
weisaufnahme nicht aufdrängen musste (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Ja-
nuar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - NVwZ 2005, 447, 449 m.w.N.); in diesem Falle
erfordert die prozessordnungsgemäße Bezeichnung des Verfahrensmangels
die substantiierte Darlegung, warum sich dem Tatsachengericht aus seiner für
den Umfang der verfahrensrechtlichen Aufklärungspflicht maßgebenden mate-
riellrechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte
aufdrängen müssen (vgl. neben dem o.g. Beschluss etwa BVerwG, Beschluss
vom 13. März 2003 - BVerwG 5 B 267.02 - ). Die Aufklärungsrüge stellt
insoweit kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Prozessbeteiligten in der Tat-
sacheninstanz, vor allem das Unterlassen von förmlichen Beweisanträgen, zu
kompensieren (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B
81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265; vom 10. Oktober 2001
- BVerwG 9 BN 2.01 - NVwZ-RR 2002, 140).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und knüpft an die
Wertfestsetzung des Verwaltungsgerichts an.
Dr. Säcker Dr. Franke Dr. Brunn
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