Urteil des BVerwG vom 28.05.2009

Aufklärungspflicht, Kritik, Hund, Verweigerung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 90.08
12 B 06.757
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Mai 2009
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 19. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens;
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1, 3 VwGO gerichtete Be-
schwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung angeführten Gesichts-
punkte rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
1. Ein Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO führen könnte, ist bereits nicht ordnungsgemäß dargelegt und liegt
auch in der Sache nicht vor.
Die mit der Beschwerde als Verfahrensfehler allein geltend gemachte Rüge
einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO
entspricht bereits nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfor-
dert die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht die substan-
tiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen
Auffassung des Berufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für er-
forderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht
kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen
worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtli-
chen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer
günstigeren Entscheidung hätten führen können. Weiterhin muss entweder
dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbe-
sondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachver-
haltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist
oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Er-
mittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Denn
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die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrens-
beteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von
Beweisanträgen, zu kompensieren. Dabei genügen lediglich schriftsätzlich an-
gekündigte Beweisanträge den letztgenannten Anforderungen nicht (Urteil vom
22. Januar 1969 - BVerwG 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.>; Beschlüsse
vom 13. Juli 2007 - BVerwG 9 B 1.07 - juris, vom 21. Februar 2008 - BVerwG
5 B 122.07 - juris und vom 2. Juni 2008 - BVerwG 4 B 32.08 - juris).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Be-
schwerdeführer - der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsge-
richtshof am 18. Juni 2008 durch einen Rechtsanwalt vertreten war und keinen
förmlichen Beweisantrag im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO gestellt hat - legt
schon nicht dar, inwiefern das Berufungsgericht seine Aufklärungspflicht gemäß
§ 86 Abs. 1 VwGO verletzt haben soll, d.h. welche weitergehenden tatsächli-
chen Ermittlungen sich dem Berufungsgericht hätten aufdrängen müssen. Die
zur Begründung der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes gemachten
Ausführungen erschöpfen sich der Sache nach vielmehr in einer Kritik der tat-
richterlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Beru-
fungsgericht im Einzelfall. Eine solche Kritik der vorinstanzlichen Entscheidung
kann in der Regel einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO nicht begründen.
2. Die Revision ist auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Es begegnet bereits erheblichen Bedenken, ob die von dem Kläger für grund-
sätzlich bedeutsam gehaltenen Fragen, ob
− „Antragsteller im Bereich von Fortbildungsmaßnahmen, die in
mehrere Maßnahmenabschnitte aufgegliedert sind, bei An-
tragstellung verbindliche Anmeldungen für Lehrgänge bezüg-
lich aller Maßnahmenabschnitte vorlegen müssen,
− im Falle einer im Zeitpunkt der Antragstellung rechtswidrigen
Verweigerung der Förderung tatsächlich der Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung gilt oder ob in diesem Fall ei-
ne ex-ante Prognose zulässig ist,
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− § 2 Abs. 3 AFBG die individuelle Fortbildungsdurchführung
betrifft oder die objektive Lehrgangsplanung des Maßnahme-
trägers,
− § 11 Abs. 1 AFBG eine zeitliche Grenze für die Durchführung
einer Aufstiegsfortbildung darstellt oder eine Maximalbegren-
zung für die Höhe der öffentlichen Förderleistungen“,
bzw. die Fragen, ob
− „(d)ie Auslegung des AFBG in Bezug auf die Begrifflichkeit
des Fortbildungsplanes in § 6 Abs. 1 Satz 3 AFBG, insbeson-
dere die Frage, ob entsprechende verbindliche Anmeldungen
bereits im Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegt werden
müssen,
− trotz rechtswidriger Verweigerung der Förderung im Antrags-
zeitpunkt und späterem Abbruches der Fortbildung aufgrund
eines Berufswechsels zumindest schon besuchte Lehr-
gangsteile zu fördern sind,
− § 2 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b AFBG sich auf die individuelle
Lehrgangsdurchführung bezieht oder nur anhand der objekti-
ven Lehrgangsangebote der Bildungsträger zu orientieren hat,
− sofern man im vorgenannten Punkt zu dem Ergebnis kommt,
dass es sich nur anhand der objektiven Lehrgangsempfehlun-
gen zu orientieren hat, ob die Anwendung des § 11 Abs. 1
AFBG sich so darstellt, dass die dort genannte Frist eine zeit-
liche Begrenzung für die Maßnahmendauer darstellt oder viel-
mehr ob die dort genannten Zeiträume allenfalls die Höchst-
dauer der Monate darstellt, in denen Anspruch auf öffentliche
Leistungen bestehen,"
den an die Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO) zu stellenden Anforderungen genügen oder im Gewande
einer Grundsatzrüge lediglich die einzelfallbezogene Auslegung und Anwen-
dung des AFBG angreifen.
Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung scheidet jeden-
falls deshalb aus, weil das Berufungsgericht seine Entscheidung auf mehrere
jeweils selbstständig tragende Erwägungen gestützt hat und sich die vorste-
hend bezeichneten Fragen auf Erwägungen beziehen, auf denen das Urteil im
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Ergebnis nicht (allein tragend) gründet. Nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschlüsse vom 17. April 1985 - BVerwG
3 B 26.85 - Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 53 und vom 24. Mai 2007
- BVerwG 4 BN 16.07 u.a. - BauR 2007, 2041) kann in Fällen, in denen ein Ur-
teil auf mehrere die Entscheidung selbstständig tragende Begründungen ge-
stützt ist, die Revision gegen dieses Urteil nur zugelassen werden, wenn hin-
sichtlich jeder dieser tragenden Gründe ein Zulassungsgrund vorliegt. Daran
fehlt es hier.
Das Berufungsgericht hat das angefochtene Urteil jeweils selbstständig tragend
sowohl darauf gestützt, dass die vom Kläger durchgeführte Fortbildung zum
Fachwirt für Finanzberatung - aus verschiedenen Erwägungen - keine förderfä-
hige Maßnahme im Sinne von § 2 AFBG darstelle (Ziff. 1.1 des Urteils), als
auch darauf, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er die persönli-
chen Eignungsvoraussetzungen des § 9 AFBG erfülle, und zwar weder zum
Zeitpunkt der Antragstellung noch im Zeitpunkt der Entscheidung der Wider-
spruchsbehörde und auch nicht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des
Berufungsgerichts (Ziff.1.2 des Urteils). Hinsichtlich der verfahrensfehlerfrei
gefundenen (oben 1.) zweiten selbstständig tragenden Erwägung des Beru-
fungsgerichts stellen sich die vorstehend bezeichneten, aus Sicht der Be-
schwerde klärungsbedürftigen Fragen nicht, weil sie im Ergebnis nicht ent-
scheidungserheblich sind.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der beschließende Senat ab (§ 133
Abs. 5 Satz 2 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskosten-
freiheit auf der entsprechenden Anwendung des § 188 Satz 2 VwGO.
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