Urteil des BVerwG vom 17.02.2005

Unfall, Verschleppung, Zeugenaussage, Zwangsarbeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 9.05 (5 PKH 6.05)
VGH 19 B 01.1516
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Februar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t und Dr. R o t h k e g e l
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts-
hofs vom 20. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
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Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen
und Rechtsanwalt Dr. Schmidt beizuordnen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Klägers ist nicht begrün-
det.
Die Revision kann nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfah-
rensmangels zugelassen werden.
Auf Verfahrensfehlern, die der Kläger in Bezug auf den Teil des Berufungsurteils
rügt, in dem das Berufungsgericht ausführt, es habe erhebliche Zweifel an dessen
deutscher Volkszugehörigkeit, kann die Berufungsentscheidung nicht beruhen (§ 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Denn das Berufungsurteil ist selbständig tragend damit begrün-
det, der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass er am 31. Dezember 1992 oder
danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen aufgrund
deutscher Volkszugehörigkeit unterlag.
Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler gegen die Annahme des Beru-
fungsgerichts, eine Benachteiligung oder Nachwirkung einer früheren Benachteili-
gung aufgrund deutscher Volkszugehörigkeit sei nicht hinreichend glaubhaft ge-
macht, liegen nicht vor.
Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Beweiserhebung nicht außer Acht ge-
lassen. Es ist auf die Zeugenaussage vor dem Verwaltungsgericht zur Frage von
Benachteiligungen aufgrund deutscher Volkszugehörigkeit eingegangen und hat sich
mit ihr auseinander gesetzt. Dass es anders als das Verwaltungsgericht diese Zeu-
genaussage, der Kläger habe nach Auflösung der Kollektive anders als Rumänen
und Ungarn von enteignetem Land nur 2 ha bekommen, nicht für die Glaubhaftma-
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chung einer relevanten Benachteiligung hat ausreichen lassen, beruht auf der beru-
fungsgerichtlichen Gesamtschau der im Laufe des Verfahrens unterschiedlichen An-
gaben und Aussagen zur Landenteignung und -rückgabe. Auf einem Verfahrensfeh-
ler beruht diese Beweiswürdigung nicht.
Die Revision kann nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher
Bedeutung zugelassen werden.
Die vom Kläger als klärungsbedürftig geltend gemachte Frage: "Erfordert die zweite
Alternative des § 4 Abs. 2 BVFG, also der Tatbestand der Nachwirkungen früherer
Benachteiligungen, dass nicht nur die frühere Benachteiligung kausal durch die
Volkszugehörigkeit verursacht ist, sondern auch (zusätzlich) die Nachwirkung im
kausalen Zusammenhang zu der deutschen Volkszugehörigkeit steht?" stellt sich im
vorliegenden Verfahren nicht. Denn das Berufungsgericht setzt für § 4 Abs. 2 BVFG
nicht voraus, dass die deutsche Volkszugehörigkeit Grund nicht nur für eine frühere
Benachteiligung war, sondern auch zusätzlich für deren Nachwirkung ist. Es hat im
Berufungsurteil nicht eine frühere Benachteiligung des Klägers auf Grund deutscher
Volkszugehörigkeit bejaht und dann gleichwohl einer infolge davon noch nach dem
30. Dezember 1992 bestehenden Nachwirkung die Relevanz mit der Begründung
abgesprochen, die Nachwirkung selbst stehe nicht in kausalem Zusammenhang zur
deutschen Volkszugehörigkeit. Vielmehr hat das Berufungsgericht bereits auf der
Ebene früherer Benachteiligungen differenziert. Zum Begriff der Benachteiligung im
Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, jeman-
den benachteiligen bedeute, ihm einen Nachteil zuzufügen; das setze ein auf die
betreffende Person gerichtetes Handeln voraus, das bei ihr persönlich zu dem beab-
sichtigten konkreten Erfolg, nämlich der Benachteiligung, geführt habe; die Benach-
teiligung müsse gerade in Anknüpfung an die deutsche Volkszugehörigkeit zugefügt
worden sein (BVerwGE 106, 191, 198, 200). Ausgehend von dieser Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts hat das Berufungsgericht zwischen dem Nachteil der
Verschleppung des Klägers nach Russland einschließlich der jahrelangen
Zwangsarbeit einerseits und dem Nachteil der dortigen Unfallverletzung andererseits
unterschieden. Während dem Kläger der Nachteil der Verschleppung und Zwangs-
arbeit wegen seines Volkstums zugefügt worden sein könne, verneint das Beru-
fungsgericht für den Unfall im Bergwerk mit dem Bruch beider Beine eine Benachtei-
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ligung im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG. Es sei nicht nachvollziehbar, in dem erlittenen
Unfall eine gewollte Verletzung des Klägers wegen seines Volkstums zu sehen. Ist
aber nach der Auffassung des Berufungsgerichts der Unfall bereits keine (frühere)
Benachteiligung im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG, so können schon deshalb Folgen
dieses Unfalls nicht Nachwirkungen einer früheren Benachteiligung im Sinne des § 4
Abs. 2 BVFG sein.
Aus den dargelegten Gründen kann dem Kläger mangels (hinreichender) Erfolgs-
aussicht nicht Prozesskostenhilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden
(§ 166 VwGO, §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung
auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2, § 72 Nr. 1 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmo-
dernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).
Dr. Säcker Schmidt Dr. Rothkegel