Urteil des BVerwG vom 15.09.2005

Nationalität, Pass, Ausbildung, Verfahrensmangel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 80.05
VGH 19 B 01.1346
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. September 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts-
hofs vom 15. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Klägers hat
keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom
24. August 2005 rechtfertigt die Zulassung der Revision nach §§ 133, 132 Abs. 2
VwGO nicht.
1. Der Kläger macht geltend, dass "entgegen der Auffassung des Baye-
rischen Verwaltungsgerichtshofs (…) die von dem Beschwerdegegner eingelegte
Berufung in vollem Umfange rechtswidrig" sei, weil der Beschwerdeführer einen An-
spruch auf die von ihm begehrte Spätaussiedlerbescheinigung habe, da er von ei-
nem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstamme
(§ 6 Abs. 2 Nr. 1 BVFG), ihm die Bestätigungsmerkmale durch seinen deutschen
Vater und insbesondere die Großeltern väterlicherseits vermittelt worden seien (§ 6
Abs. 2 Nr. 2 BVFG) und er sich unabhängig davon, dass in seinem ersten In-
landspass die russische Nationalität eingetragen worden sei, bis zum Verlassen der
Aussiedlungsgebiete auch zum deutschen Volkstum bekannt habe (§ 6 Abs. 2 Nr. 3
BVFG). Mit diesem Vorbringen macht der Kläger lediglich eine (vermeintlich) fehler-
hafte Rechtsanwendung im Einzelfall geltend, ohne eine im Revisionsverfahren klä-
rungsbedürftige oder -fähige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (Zulas-
sungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu bezeichnen. Vor allem verkennt die
Beschwerde mit dem Vorbringen, dass trotz der nur kurzweiligen Eintragung der rus-
sischen Nationalität in den ersten Pass die Prägung in der Familie eindeutig und
durchgehend auf das deutsche Volkstum im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 3 BVFG hin-
gewiesen habe, dass für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits § 6 Abs. 2
BVFG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Klarstellung des Spätaussiedlerstatus
(Spätaussiedlerstatusgesetz - SpStatG -) vom 30. August 2001 (BGBl I S. 2266)
maßgeblich ist. Denn das Berufungsgericht ist zu Recht und in Übereinstimmung mit
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 116, 114; 119, 192)
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davon ausgegangen, dass die Merkmale der deutschen Volkszugehörigkeit nach § 6
Abs. 2 BVFG (F. 2001) Geltung auch für noch nicht abgeschlossene Bescheini-
gungsverfahren nach § 15 BVFG beanspruchen, selbst wenn ein Antragsteller be-
reits vor In-Kraft-Treten des neuen Rechts im Aufnahmeverfahren nach §§ 26 ff.
BVFG in das Bundesgebiet eingereist ist. Das Vorbringen des Klägers, das anzu-
wendende Recht sei dahin auszulegen, "dass die Erklärung zur deutschen Nationali-
tät spätestens im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes vorgelegen
haben muss", auch sei es "in gleicher Weise wie bei einem bis zum Beginn der all-
gemeinen Vertreibungsmaßnahmen abzulegenden Bekenntnis zum deutschen
Volkstum möglich, von einer in früherer Zeit abgegebenen Erklärung zu einer nicht
deutschen Nationalität bis zum maßgeblichen Zeitpunkt durch Hinwendung zum
deutschen Volkstum abzurücken" (unter Berufung auf BVerwG, Urteil vom
29. August 1995 - BVerwG 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133; Urteil vom 27. Juni 1985
- BVerwG 8 C 30.83 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 44), bezieht sich dagegen er-
sichtlich auf § 6 Abs. 2 Nr. 3 BVFG a.F. und damit auf eine Rechtslage, nach der sich
die Frage, ob der Kläger deutscher Volkszugehöriger ist, nicht (mehr) beurteilt. In der
- von dem Berufungsgericht auch bezeichneten - Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts ist dabei geklärt (Urteil vom 13. November 2005 - BVerwG
5 C 40.03 - BVerwGE 119, 192), dass § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG (F. 2001) ein durch-
gängiges positives Bekenntnis ausschließlich zum deutschen Volkstum schon vom
Eintritt der Erklärungs- bzw. Bekenntnisfähigkeit an erfordert. Von dem hiernach zu-
treffenden rechtlichen Ausgangspunkt, dass es nach der Neufassung des Gesetzes
nicht darauf ankommt, ob eine - mit dem Begriff des "Gegenbekenntnisses" verbun-
dene - bewusste Entscheidung "gegen" das deutsche Volkstum vorliegt, sondern
dass es eines durchgängigen Bekenntnisses "nur" zum deutschen Volkstum bedarf,
hat das Berufungsgericht den Sachverhalt dahin bewertet, dass die Angaben des
Klägers keinen hinreichenden Schluss darauf zulassen, dass bei diesem eine be-
wusste Entscheidung "nur" zum deutschen Volkstum vorliege; es fehle vor dem Hin-
tergrund der Rechtslage in der Sowjetunion sowie der vom Kläger vorgetragenen
Umstände, insbesondere der Passerteilung und den Lebensumständen in Tsche-
tschenien, an einem glaubhaften Vortrag daran, dass er sich "nur" zum deutschen
Volkstum bekannt habe, vielmehr sprächen eine Reihe weiterer Gesichtspunkte er-
härtend gegen ein solches ausschließliches Bekenntnis zum deutschen Volkstum,
weil der Kläger mit der Entgegennahme seines Passes sowie der anschließenden
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Ausbildung und im Berufsleben die im Pass eingetragene Nationalität für sich habe
wirken lassen, die ihn nach außen hin als Angehörigen einer anderen Nationalität,
nämlich der russischen, ausgewiesen habe, sodass selbst die Indizwirkung eines
einmal abgegebenen Bekenntnisses zum deutschen Volkstum für die Folgezeit ent-
fallen sei, zumal sich der Kläger auch nicht "auf andere Weise" zum deutschen
Volkstum bekannt habe. Diesen Bewertungen, welche die Entscheidung tragen, ist
der Kläger nicht unter Darlegung eines Zulassungsgrundes entgegengetreten.
2. Die Revision kann nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen
Divergenz zugelassen werden. Die Beschwerde hat nicht, wie erforderlich ist
(BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 -
1996, 712>), aufgezeigt, dass das Berufungsgericht mit einem tragenden abstrakten
Rechtssatz von einem in der angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsge-
richts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten ebensolchen Rechts-
satz abweicht. Die von dem Kläger herangezogenen Entscheidungen des Bundes-
verwaltungsgerichts (Urteil vom 29. August 1995 - BVerwG 9 C 391.94 -; Urteil vom
27. Juni 1985 - BVerwG 8 C 30.83 -) sind vielmehr jeweils zu früheren Fassungen
des Bundesvertriebenengesetzes ergangen, nach denen in dem vorliegenden Ver-
fahren die Frage, ob der Kläger deutscher Volkszugehöriger ist, gerade nicht zu be-
urteilen ist.
3. Schließlich kann die Revision nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO wegen eines Verfahrensmangels zugelassen werden. Das Beschwerdevor-
bringen bezeichnet nicht ausdrücklich einen Verfahrensmangel, der zur Zulassung
der Revision führen soll (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Soweit der Kläger geltend
macht, die - unstreitige - Eintragung der russischen Nationalität in dem ersten In-
landspass sei entgegen der Annahmen des angefochtenen Urteils nicht auf seine
eigene Erklärung zurückzuführen, rügt er der Sache nach, ohne einen nach § 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO beachtlichen Verfahrensfehler darzulegen, eine (vermeintlich)
fehlerhafte einzelfallbezogene Würdigung des Sachverhalts.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streit-
wertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2, § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Kosten-
rechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).
Dr. Säcker
Dr. Franke
Prof. Dr. Berlit