Urteil des BVerwG vom 11.02.2009

Rechtliches Gehör, Jugendhilfe, Hund, Rahmenvertrag

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 67.08
VGH 12 S 2502/06
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Februar 2009
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts-
hofs Baden-Württemberg vom 30. April 2008 wird verwor-
fen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig, da der allein geltend gemachte Revisionszulas-
sungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise
dargelegt wird.
1. Eine ausreichende Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung einer
Rechtssache setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch
ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Frage des revi-
siblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über
den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. z.B. Beschluss
vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO n.F.
Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht
gerecht.
1.1 Das Berufungsgericht verhält sich in den Gründen des angefochtenen Be-
schlusses ausdrücklich nur zu der Frage der Wirksamkeit der vom Landeswohl-
fahrtsverband gegenüber dem Beklagten ausgesprochenen Kündigung und legt
insoweit im Einzelnen dar, dass und weshalb es diese Kündigung - anders als
das Verwaltungsgericht - in Anwendung des § 174 BGB für unwirksam ansieht.
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Soweit sich die Beschwerde mit diesen Ausführungen des Berufungsgerichts
befasst, wirft sie weder ausdrücklich noch sinngemäß eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung auf.
Die von der Beschwerde im Rahmen ihrer Ausführungen zu § 174 BGB formu-
lierten Fragen,
„es muss im Einzelfall geprüft werden, ob und inwieweit die BGB-
Vorschrift in Ansehung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften Raum für
eine ergänzende und entsprechende Anwendung lassen“
und
„inwieweit im vorliegenden Fall die Geltendmachung des Schutzprivilegs
gem. § 174 BGB möglicherweise im Widerspruch zu den Grundsätzen
des § 242 BGB steht“
(Beschwerdebegründung Seite 4),
werden von ihr selbst nicht als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet. Soll-
te die Beschwerde der Rechtssache mit Blick auf diese Fragen gleichwohl eine
grundsätzliche Bedeutung beimessen wollen, ergibt sich aus dem Beschwerde-
vorbringen nicht, dass diese Fragen verallgemeinerungsfähig zu beantworten
sind. Ohne weitere Begründung können diese Fragen vielmehr nur als auf den
Einzelfall bezogen und daher rechtsgrundsätzlich nicht klärungsbedürftig be-
wertet werden. Auch mit ihren weiteren Ausführungen zu § 174 BGB rügt die
Beschwerde lediglich die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Rechtsanwendung im
Einzelfall, ohne eine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage herauszuar-
beiten.
1.2 Die Beschwerde wirft demgegenüber ausdrücklich als grundsätzlich klä-
rungsbedürftig die Fragen auf,
„inwieweit eine Schiedsstelle in Verfahren nach § 78b SGB VIII den für
konkrete Einzelfälle geltenden Grundsatz der Auffangzuständigkeit zu
Lasten des Trägers der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe auch für
prospektive Entgeltvereinbarungen zwischen Kostenträgern und Leis-
tungserbringern zugrunde legen darf“
(Beschwerdebegründung Seite 2),
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und
„inwieweit der Gesetzgeber hier mit der gebotenen Bestimmtheit von
solch einer Konsequenz [nach dem Kontext ist hiermit gemeint: aus dem
die Jugendhilfe prägenden ganzheitlichen Ansatz sind auch Kostenzu-
ständigkeiten abzuleiten] ausgeht, also die entsprechenden Rechts-
grundlagen gegeben sind“
(Beschwerdebegründung Seite 6).
Auch insoweit genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn sie zeigt nicht auf, dass und inwieweit sich
diese Frage für das Berufungsgericht entscheidungstragend gestellt hat. Ohne
Darlegung, dass diese Frage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeu-
tung war, fehlt es aber an einer hinreichend tragfähigen Grundlage für die Be-
hauptung, es gebe im Zusammenhang mit § 78b Abs. 1 SGB VIII bzw. § 78g
Abs. 2 SGB VIII grundsätzliche, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte
Rechtsfragen, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich
wären und deren höchstrichterliche Klärung im Interesse der Einheit oder der
Fortbildung des Rechts geboten erscheint.
Das Berufungsgericht hat die Zurückweisung der Berufung mit der Ergebnis-
richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils begründet, ohne - mit Ausnahme der für
unwirksam gehaltenen Kündigung - die Gründe, die für die richterliche Über-
zeugungsbildung leitend gewesen sind, wiederzugeben. Es nimmt weder auf
den Tatbestand noch auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils
ausdrücklich Bezug. Da es das Urteil des Verwaltungsgerichts „nur“ im Er-
gebnis für richtig hält, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es
sich dessen Gründe stillschweigend zu Eigen gemacht hätte. Vielmehr spricht
die gewählte Formulierung eher für das Gegenteil. Im Ergebnis bleibt damit of-
fen, welche weiteren tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen
für die Berufungsentscheidung ausschlaggebend waren. Etwas anderes scheint
auch die Beschwerde nicht anzunehmen. Denn sie führt aus, das Berufungsge-
richt habe die Berufung „ausschließlich daran ‚scheitern' lassen, dass nach sei-
ner Auffassung die der Schiedsstellenentscheidung zugrunde gelegte Prämisse,
dass der Rahmenvertrag durch den Kläger wirksam gekündigt worden sei, nicht
zutreffe“ (Beschwerdebegründung Seite 3). Folgerichtig setzen sich sodann ihre
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weiteren Ausführungen zu § 78b Abs. 1 SGB VIII bzw. § 78g Abs. 2 SGB VIII
nur mit der rechtlichen Argumentation des erstinstanzlichen Urteils auseinan-
der. Damit lässt sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne
des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO indessen nicht darlegen.
Weitere Rügen sind von der Beschwerde nicht erhoben worden und dem Be-
schwerdevorbringen auch nicht zu entnehmen. Insbesondere ist für einen als
Verfahrensfehler denkbaren formellen Begründungsmangel (vgl. § 108 Abs. 1
Satz 2, § 138 Nr. 6 VwGO) oder einen etwaigen Verfahrensmangel durch Ver-
letzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nichts dargetan.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2
VwGO).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskosten-
freiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
Hund Dr. Brunn Stengelhofen
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