Urteil des BVerwG vom 30.01.2009

Besondere Härte, Rechtliches Gehör, Ausreise, Rüge

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 65.08 (BVerwG 5 B 174.07)
OVG 2 A 4643/04
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Januar 2009
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und Dr. Störmer
beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 2008 (BVerwG
5 B 174.07) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Anhörungsrüge der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
Das Gebot rechtlichen Gehörs erfordert es, dass das entscheidende Gericht die
Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner
Entscheidung in Erwägung zieht. Es verpflichtet das Gericht aber nicht, dem
Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch zu
folgen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. November 2004 - 1 BvR 179/03 -
NVwZ 2005, 204).
Die Klägerin rügt, der Senat habe ihr Vorbringen, „sie sei vor dem 01.01.2005
nur deshalb nicht in der Lage gewesen, einen Antrag auf Einbeziehung ihrer
Tochter zu stellen, weil dies gesetzlich so nicht geregelt gewesen sei“, nicht zur
Kenntnis genommen (S. 1 der Anhörungsrügeschrift). Diese Rüge ist bereits
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deshalb nicht begründet, weil die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründungs-
schrift vom 23. Juli 2007 (wie auch in dem nach Ablauf der Begründungsfrist
eingereichten Schriftsatz vom 2. Oktober 2007) die genannte Aussage so nicht
vorgebracht hat. Vielmehr hat sie im Beschwerdeverfahren (wie bereits im Ver-
fahren vor dem Oberverwaltungsgericht und zur Begründung ihres Hilfsantrags
schon vor dem Verwaltungsgericht) vorgetragen, dass sie bereits in ihrem Auf-
nahmeantrag, der am 13. Januar 1993 bei dem Bundesverwaltungsamt einge-
gangen sei, auch einen Antrag auf Aufnahme ihrer Tochter Swetlana (der frü-
heren Klägerin zu 1) gestellt habe (vgl. Beschwerdebegründung vom 23. Juli
2007, S. 1 - 5, 7, 11).
Selbst wenn die Klägerin die genannte Aussage im Beschwerdeverfahren vor
dem Senat so vorgebracht hätte, wäre ihre Rüge nicht begründet, weil sie nicht
darlegt, im Rahmen welches der von ihr mit der Beschwerde geltend gemach-
ten Zulassungsgrundes der Senat diese Aussage in welcher Weise hätte be-
rücksichtigen müssen. Überdies wäre ihr angebliches Vorbringen, dass sie vor
dem 1. Januar 2005 einen Einbeziehungsantrag für ihre Tochter Swetlana nicht
habe stellen können, weder entscheidungserheblich gewesen noch trifft diese
Behauptung nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsauf-
fassung des Oberverwaltungsgerichts zu. Dieses ist in seinem Urteil vom
11. Mai 2007 (2 A 4634/04) ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Kläge-
rin als Bezugsperson - ebenso wie sie dies für ihren Sohn Viktor erfolgreich ge-
tan hat - auch schon 1993 oder zumindest vor ihrer Ausreise 1996 einen Ein-
beziehungsantrag für ihre Tochter Swetlana hätte stellen können, dies aber
nicht getan hat (vgl. UA S. 12). Letzteres hat der Senat in dem mit der Anhö-
rungsrüge angegriffenen Beschluss vom 22. Mai 2008 (BVerwG 5 B 174.07 -
BA S. 4) als im Rahmen der Grundsatzrügen der Klägerin nicht angreifbar bes-
tätigt.
Die Anhörungsrüge ist auch im Übrigen nicht begründet.
Die Klägerin erweitert die oben genannte Rüge (zusammenfassend von S. 2
u. 3 auf S. 4 der Anhörungsrügeschrift) dahin, der angegriffene Beschluss des
Senats verletze den Anspruch auf rechtliches Gehör, „denn er hat einen Teil
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des im konkreten Fall relevanten Sachverhalts und Vortrags der Klägerin nicht
berücksichtigt und zwar die Tatsache, dass die Klägerin vor dem 01.01.2005
keinen Antrag auf Einbeziehung der Abkömmlinge stellen konnte und dass sie
ab dem 01.01.2005 einen eigenen Antrag auf Einbeziehung der Kinder unter
Berufung auf ihre deutsche Staatsangehörigkeit und die im Zusammenhang mit
dieser verbundenen Härte gestellt hat“.
Auch mit dieser Erweiterung legt die Anhörungsrüge eine Verletzung des recht-
lichen Gehörs nicht dar. Der Senat hat nicht nur zur Kenntnis genommen, dass
die Klägerin nach dem 1. Januar 2005 (nämlich durch die Klageänderung im
Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht) der Sache nach einen eigenen An-
trag auf Einbeziehung ihrer Tochter Swetlana und deren beiden Kinder - unter
Berufung auf ihre Staatsangehörigkeit und die damit verbundene Härte für den
Fall einer Rückkehr in das Aussiedlungsgebiet - gestellt hat, sondern ist in der
Begründung seines Beschlusses auch darauf eingegangen, dass dieser Aspekt
die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen vermochte. Dies ergibt sich
schon aus der Begründung des Beschlusses (BA S. 4), dass einer Zulassung
der Revision zur Klärung der Rechtsfrage, „ob § 27 Abs. 2 BVFG und unter
welchen Voraussetzungen ab dem 01.01.2005 auf die Anträge der Bezugsper-
sonen auf nachträgliche Eintragung der Abkömmlinge gemäß § 27 Abs. 2
Halbsatz 2 BVFG anzuwenden ist“, bereits entgegenstehe, „dass das Oberver-
waltungsgericht - und dies auch in der Sache zutreffend - gerade keine beson-
dere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG angenommen hat, weil Anhalts-
punkte dafür fehlten, dass es der Klägerin nicht zumutbar gewesen wäre, die
Einbeziehung ihrer Tochter S. in einen ihr zu erteilenden Aufnahmebescheid vor
ihrer Ausreise abzuwarten, weil zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ein Antrag auf
Einbeziehung vorgelegen habe.“
Dass im vorliegenden Fall ein von der Klägerin nach ihrer Ausreise bzw. nach
dem 1. Januar 2005 gestellter Einbeziehungsantrag aus revisionsrechtlicher
Sicht nicht entscheidungserheblich war, hat der Senat in dem angefochtenen
Beschluss (BA S. 5) darüber hinaus auch mit den folgenden Ausführungen
deutlich zum Ausdruck gebracht: „Der Senat hat bereits in seinem dem Pro-
zessbevollmächtigten der Klägerin bekannten, noch das alte Recht betreffen-
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den Beschluss vom 25. Mai 2000 - BVerwG 5 B 26.00 - klargestellt, dass nach
Ausreise der Bezugsperson eine nachträgliche Einbeziehung - auch im Härte-
wege - grundsätzlich nicht in Betracht kommt und ein etwaiger Rechtsirrtum
mangels Vertrauenstatbestand keine besondere Härte begründet. Nachdem im
vorliegenden Fall die Klägerin als Mutter bzw. Großmutter der Personen, deren
nachträgliche Einbeziehung begehrt wird, allenfalls erst nach erfolgter Einreise
und Erfolglosigkeit des nachträglich von ihren Abkömmlingen gestellten Auf-
nahmeantrages die Einbeziehung begehrt hat, ist die oben aufgeworfene
Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig“.
Dass der Senat damit der Sache nach der von der Klägerin nicht für richtig ge-
haltenen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts gefolgt ist, stellt kei-
nen Gehörsverstoß dar (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. November
2004 a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Hund Prof. Dr. Berlit Dr. Störmer
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