Urteil des BVerwG vom 13.01.2015

Rückgriff, Materialien, Bekanntmachung, Anwendungsbereich

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 64.14
VGH 12 S 274/14
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Januar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Fleuß
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 16. September 2014 wird zu-
rückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
1. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssa-
che (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für
die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen
Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts
revisionsgerichtlicher Klärung bedarf (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom
19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 13
und vom 9. August 2011 - 5 B 15.11 - juris Rn. 2). Das ist hier nicht der
Fall.
Der Beklagte hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
„ob im Anschluss an den in einem gem. § 7 Abs.1 BAföG
dem Grunde nach förderfähigen Bachelorstudiengang er-
worbenen berufsqualifizierenden Bachelor-Abschluss
wahlweise ein ergänzender Staatsexamensstudiengang
unter teilweiser Anrechnung von Leistungen aus dem Ba-
chelorstudiengang in analoger Anwendung von § 7 Abs.1a
BAföG gefördert werden kann, statt eines Masterstudien-
gangs in direkter Anwendung von § 7 Abs.1a BAföG“.
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Der so formulierten Frage kann bereits deshalb keine rechtsgrundsätzliche Be-
deutung zukommen, weil sie in dieser Form in einem Revisionsverfahren nicht
entscheidungserheblich wäre. Das Revisionsgericht könnte nicht klären, ob in
der geschilderten Konstellation „wahlweise“ ein ergänzender Staatsexamens-
studiengang statt eines Masterstudiengangs zu fördern ist. Das Berufungsge-
richt hat darüber entschieden, dass das auf dem Bachelor-Studiengang „Unter-
nehmensjurist/Unternehmensjuristin“ der Universität Mannheim aufbauende
Ergänzungsstudium mit dem Studienziel der Ersten Juristischen Prüfung in ent-
sprechender Anwendung von § 7 Abs. 1a BAföG förderungsfähig ist und dem
Kläger danach ein Anspruch auf Ausbildungsförderung für einen bestimmten
Zeitraum zusteht. Mit der Frage einer „wahlweisen“ Inanspruchnahme von Aus-
bildungsförderung hatten sich die Vorinstanzen nicht zu befassen. Ebenso we-
nig ist bislang Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gewesen, ob statt einer
Förderung des genannten Ergänzungsstudiums ein Masterstudiengang „in di-
rekter Anwendung von § 7 Abs.1a BAföG“ zu fördern wäre. Beide Aspekte sind
im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht zur Überprüfung gestellt
worden und könnten auch nicht Gegenstand einer revisionsgerichtlichen Klä-
rung sein. Eine „wahlweise“ Förderung käme überdies aus Gründen des mate-
riellen Rechts nicht in Betracht. Sofern der spezielle und in seinem Anwen-
dungsbereich privilegierende Förderungstatbestand des § 7 Abs. 1a BAföG
- wie vom Verwaltungsgerichtshof für das genannte Ergänzungsstudium ange-
nommen - einschlägig ist, ist auf der Grundlage dieser Vorschrift zu fördern. Ist
dieser Tatbestand nicht erfüllt, ist danach zu fragen, ob nach Maßgabe einer
anderen Vorschrift zu fördern ist. Einen wahlweisen Rückgriff auf bestimmte
Formen der Förderung sieht das Gesetz nicht vor. Maßgeblich im Streitfall war
daher zunächst allein die Frage, ob in der konkreten Konstellation § 7 Abs. 1a
BAföG (analog) heranzuziehen ist oder nicht.
Selbst wenn man die Beschwerde dahin verstehen wollte, dass sich ihre auf-
geworfene Grundsatzfrage allein hierauf beziehen sollte, würde ihr dies nicht
zum Erfolg verhelfen. Eine den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO
genügende Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache
setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten
und für die Revisionsentscheidung erheblichen Frage des revisiblen Rechts und
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außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinaus-
gehende Bedeutung bestehen soll. Dazu bedarf es der substantiierten Ausei-
nandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils und bereits ergan-
gener Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (stRspr, vgl. BVerwG,
Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 B 22.06 - Buchholz 442.066 § 78 TKG Nr. 1,
vom 11. August 2006 - 1 B 105.06 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 20 und
vom 14. Januar 2013 - 5 B 99.12 - juris Rn. 2). Dem genügt die Beschwerde
nicht.
Sie bringt zwar vor, es sei „rechtsgrundsätzlich durch höchstrichterliche Recht-
sprechung und zur Fortentwicklung des Rechts zu klären, ob ein Anspruch auf
Förderung im Ergänzungsstudiengang vorliegt und ob eine planwidrige Rege-
lungslücke besteht, wenn dem Grunde nach eine Förderung nach § 7 Abs. 2
BAföG besteht und vom Gesetzgeber gewollt ist, dass in bestimmten Fällen nur
eine Förderung als verzinsliches Volldarlehen erfolgen soll“. Zum einen berück-
sichtigt die Beschwerde allerdings auch insoweit nicht, dass sich der Verwal-
tungsgerichtshof nicht damit zu befassen hatte, ob und inwieweit dem Grunde
nach eine Förderung nach § 7 Abs. 2 BAföG besteht. Zum anderen greift die
Beschwerde die im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs befür-
wortete entsprechende Anwendung des § 7 Abs. 1a BAföG im Wesentlichen mit
Erwägungen an, die sich auf die neue (künftige) Gesetzesfassung beziehen, die
im Streitfall noch nicht anwendbar war. Die Beschwerde (Beschwerdebegrün-
dung S. 5 f.) hält eine höchstrichterliche Klärung im Hinblick auf die Neufassung
der Vorschrift durch das Fünfundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Bundes-
ausbildungsförderungsgesetzes (25. BAföGÄndG) vom 23. Dezember 2014
(BGBl. I S. 2475) und diesbezügliche gesetzgeberische Äußerungen, die aus
der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/2663) zu entnehmen seien, für erforder-
lich. Allerdings verkennt die Beschwerde, dass diese Gesetzesfassung und die
dazu gehörigen Materialien für die Entscheidung des konkreten Streitfalles we-
der vom Verwaltungsgerichtshof zur Auslegung des bisherigen Rechts zu be-
rücksichtigen waren noch vom Revisionsgericht zur Klärung dieses Rechts in
maßgeblicher Weise herangezogen werden könnten. Denn erheblich für die
Entscheidung über den streitgegenständlichen Förderungszeitraum (von März
bis Juli 2012) war die in diesem Zeitraum anwendbare und bislang geltende
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Regelung des § 7 BAföG i.d.F. der Bekanntmachung 7. Dezember 2010
(BGBl. I S. 1952; 2012 I, S. 197), zuletzt geändert durch Gesetz vom
20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854). Die von der Beschwerde in Bezug ge-
nommenen Änderungen dieser Vorschrift durch das 25. BAföGÄndG - wie die
Einfügung des § 7 Abs. 1b BAföG - treten überdies erst am 1. August 2016 in
Kraft (Art. 6 Abs. 5 des 25. BAföGÄndG).
Eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Ausführungen des angegriffe-
nen Urteils (UA S. 16 ff.), insbesondere zum gesetzgeberischen Willen sowie
dem Sinn und Zweck der im Streitfall anwendbaren bisherigen Gesetzesfas-
sung, mit denen der Verwaltungsgerichtshof die analoge Anwendung des § 7
Abs. 1a BAföG im konkreten Fall begründet, ist der Beschwerdebegründung
nicht in dem erforderlichen Maße zu entnehmen. Ihr weiteres Vorbringen be-
schränkt sich im Wesentlichen auf Erwägungen zum „Fehlen einer höchstrich-
terlichen Klärung“ (Beschwerdebegründung S. 3 f.).
2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskosten-
freiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
Vormeier
Dr. Störmer
Dr. Fleuß
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