Urteil des BVerwG vom 18.10.2013

Jugendhilfe, Ermessensausübung, Subjektiv, Fürsorge

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 59.13
VGH 9 S 889/11
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Oktober 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 22. Mai 2013 wird zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und
der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Be-
schwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz zuzulassen. Eine Abweichung im
Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist gegeben, wenn das Berufungsgericht in
dem angefochtenen Urteil einen das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz
aufgestellt hat, mit dem es einem Rechtssatz widersprochen hat, den eines der
in der Norm bezeichneten Gerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift
aufgestellt hat. Es genügt nicht, wenn das Berufungsgericht einen Rechtssatz
im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die rechtlichen Folge-
rungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind
(stRspr; vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz
310 § 133 VwGO Nr. 26, vom 3. Juli 2007 - BVerwG 2 B 18.07 -
Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 1 und vom 20. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.10 -
juris Rn. 9).
Die Divergenzrüge greift schon deswegen nicht durch, weil das von der Be-
schwerde in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
30. September 1993 - BVerwG 5 C 41.91 - (BVerwGE 94, 202 = Buchholz
436.0 § 93 BSHG Nr. 1) - § 93 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes i.d.F. des
Gesetzes vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1532, 1563) - BSHG a.F. - aus-
legt, während sich das angegriffene Urteil zu § 17 Abs. 3 Satz 1 SGB I und § 4
Abs. 1 SGB VIII verhält. Beide Entscheidungen beziehen sich mithin nicht auf
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dieselbe Norm des revisiblen Rechts. Es besteht auch keine inhaltliche Identität
der Regelungsbereiche einerseits des § 93 BSHG a.F. und andererseits derje-
nigen der letztgenannten Bestimmungen. Jene Norm verkörperte eine einfach-
gesetzliche Ausprägung des Kooperationsprinzips bezogen auf das Verhältnis
zwischen dem Träger der Sozialhilfe und den Trägern von Einrichtungen, ins-
besondere solchen der freien Wohlfahrtspflege, und auf den Abschluss von
Pflegesatzvereinbarungen. Demgegenüber normiert § 17 Abs. 3 Satz 1 SGB I
allgemeine Zielvorgaben für ein arbeitsteiliges Zusammenwirken der öffentlich-
rechtlichen Leistungsträger und der freien Einrichtungen und Organisationen
und verpflichtet § 4 Abs. 1 SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur
partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Trägern der freien Jugendhilfe.
2. Die Beschwerde hat auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache Erfolg. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisions-
entscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts auf-
wirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsge-
richtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch
ungeklärten und für die Revisionsentscheidung entscheidungserheblichen
Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die
allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Im Falle ei-
ner mehrfachen, die Entscheidung jeweils selbstständig tragenden Begründung
des angefochtenen Urteils bedarf es zur Zulässigkeit der Beschwerde in Bezug
auf jede dieser Begründungen eines geltend gemachten und vorliegenden Zu-
lassungsgrundes (stRspr; vgl. z.B. Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.
S. 14 f. m.w.N.). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in
Betracht.
Der Kläger wirft die Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung auf:
„Bewegt sich die Fördertätigkeit der obersten Landesju-
gendbehörde im rein objektiv-rechtlichen Bereich, oder
kann der Fördernehmer zumindest ein subjektiv-
öffentliches Recht im Sinne eines Anspruchs auf ermes-
sensfehlerfreie Entscheidung geltend machen?“
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Mit dieser, auf einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach
§ 82 Abs. 1 SGB VIII zielenden Frage hat sich der Verwaltungsgerichtshof in
dem angefochtenen Urteil in zweifacher Weise auseinandergesetzt (UA
S. 28 f.). Zum einen hat er angenommen, ein Anspruch auf fehlerfreie Ermes-
sensausübung bestehe schon deshalb nicht, weil aus den vorstehend dargeleg-
ten Gründen „keine subjektiv-rechtliche Norm erkennbar (ist), deren Tatbe-
standsvoraussetzungen erfüllt wären“. Zum anderen hat der Verwaltungsge-
richtshof selbstständig tragend einen Anspruch des Klägers auf erneute Ermes-
sensausübung mit der Erwägung abgelehnt, dass selbst für den Fall, dass
grundsätzlich ein normativer Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung be-
stehen sollte, dies der Klage deshalb nicht zum Erfolg verhelfe, weil der Beklag-
te eine fehlerfreie Ermessensentscheidung getroffen habe. Jedenfalls die zu-
letzt genannte Annahme hat der Kläger nicht mit zulässigen und begründeten
Revisionszulassungsgründen angegriffen. Soweit er der Auffassung ist, die Er-
messensentscheidung des Beklagten sei fehlerhaft, beanstandet er die sachli-
che Richtigkeit der entgegenstehenden Annahme des Verwaltungsgerichtshofs.
Damit kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht erfolgreich begründet wer-
den.
Der Kläger möchte ferner die Frage geklärt wissen:
„Folgt aus der Anwendbarkeit des Kooperationsprinzips
auf die Fördertätigkeit ein Anspruch des freien Trägers auf
ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Förderhöhe?“
Auch insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof zum einen das Bestehen einer
einen subjektiven Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung vermittelnden
Norm verneint und zum anderen selbstständig tragend die Auffassung vertre-
ten, der Beklagte habe eine nicht zu beanstandende Ermessensentscheidung
getroffen. Mithin führt diese Frage aus den gleichen Gründen wie die vorste-
hend behandelte nicht zum Erfolg der Beschwerde.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO)
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben, weil es sich um eine
Streitigkeit in Angelegenheiten der Jugendhilfe im Sinne des § 188 Satz 2
VwGO, nämlich um eine Streitigkeit nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch
handelt, die dem Bereich der Fürsorge zuzuordnen ist. Hierzu zählen auch
Streitigkeiten um die Förderung von Tätigkeiten der Jugendhilfe, hier die Förde-
rung von Leistungen der Jugendsozialarbeit im Sinne des § 13 Abs. 3 SGB VIII.
Vormeier
Stengelhofen
Dr. Fleuß
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