Urteil des BVerwG vom 08.06.2011

Überzeugung, Verdacht, Verfügung, Hund

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 55.10
VGH 11 S 597/10
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juni 2011
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler und Dr. Fleuß
beschlossen:
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Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 29. September 2010 wird zu-
rückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Eine
Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn für die Entschei-
dung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende
Rechtsfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Revisions-
verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erheblich wäre und deren höchst-
richterliche Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder
zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint
(stRspr, vgl. Beschluss vom 21. Juni 2010 - BVerwG 5 B 48.09 - juris).
Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Einbürgerungsrechtsstreit nicht
vor. Der Beklagte hält es im Zusammenhang mit dem Ausschlussgrund der Un-
terstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen (§ 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F.
= § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG n.F.) zu Unrecht für klärungsbedürftig, welcher Wahr-
scheinlichkeitsmaßstab hinsichtlich des Vorliegens einer Unterstützungshand-
lung anzulegen ist. Diese Rechtsfrage umschreibt er mit Blick auf den von ihm
erlassenen Ablehnungsbescheid wie folgt:
„Die angefochtene Verfügung ist rechtmäßig (und die dazu
ergangenen anderslautenden Urteile können keinen Be-
stand haben), wenn bei den bezeichneten Tatbestands-
merkmalen bereits auch Taten und Verhalten, denen der
Ausländer (nur, zumindest) verdächtig ist, ausreichen,
wenn also der begründete Verdacht einer solchen Unter-
stützung, ein ‚Unterstützungsverdacht’ mit einem entspre-
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chend geminderten Wahrscheinlichkeitsmaßstab aus-
reicht, um in der Beweiswürdigung überzeugende ‚tat-
sächliche Anhaltspunkte’ zu begründen.
Die angefochtene Verfügung wäre rechtswidrig, wenn da-
mit - wie beim Verwaltungsgerichtshof zuvor - der volle
Beweis, die volle Überzeugung darüber, dass die Unter-
stützungshandlung tatsächlich stattgefunden hat, gefordert
wird, mit den Worten des Gerichts (S. 19 f. und 22 des Ur-
teils) ‚Tatsachen’ gefordert wären, für die dann folgerichtig
- wie sonst auch - das Regelbeweismaß der vollen richter-
lichen Überzeugung nach § 108 Abs. 1 VwGO gelten wür-
de.“
Die Frage des im Rahmen des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. (= § 11 Satz 1 Nr. 1
StAG n.F.) anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs ist jedoch in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Der Senat hat bereits
entschieden, dass der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer
Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen erforderlich, aber auch
ausreichend ist (Urteile vom 22. Februar 2007 - BVerwG 5 C 20.05 - BVerwGE
128, 140 <142> und vom 2. Dezember 2009 - BVerwG 5 C 24.08 - BVerwGE
135, 302 Rn. 15, 18).
Einen erneuten oder darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Be-
schwerde auch mit ihren weiteren Ausführungen nicht auf. Dass die vom Ge-
setz geforderten „tatsächlichen Anhaltspunkte“ für verfassungsfeindliche Be-
strebungen, d.h. die verdachtsbegründenden Umstände, nicht nur möglicher-
weise, sondern tatsächlich vorliegen müssen, ergibt sich unmittelbar aus dem
Wortlaut des Gesetzes und bedarf keiner revisionsgerichtlichen Klärung. Der
Verwaltungsgerichtshof ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die ver-
dachtsbegründenden Tatsachen (z.B. die behauptete Teilnahme an Demonstra-
tionen der PKK) zur vollen Überzeugung des Gerichts vorliegen müssen.
Soweit der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung der erforderlichen Be-
weisaufnahme und Würdigung der vorgelegten Beweismittel zu der Überzeu-
gung gelangt ist, dass die von dem Beklagten behaupteten verdachtsbegrün-
denden Tatsachen teilweise nicht vorliegen und teilweise nicht bewiesen sind,
sind diese tatrichterlichen Feststellungen nicht mit der Grundsatzrüge angreif-
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bar. Es ist auch folgerichtig und begegnet keinen revisionsrechtlichen Beden-
ken, wenn der Verwaltungsgerichtshof nicht bewiesene Indiztatsachen auch
nicht im Rahmen einer Gesamtschau zu Lasten des Klägers berücksichtigt hat.
Dass die demnach als Indiz verbleibende PKK-Selbsterklärung aus dem Jahr
2001 für sich genommen keinen hinreichenden Verdacht verfassungsfeindlicher
Bestrebungen begründen kann, ist ebenfalls bereits geklärt (Urteil vom 22. Feb-
ruar 2007 a.a.O.).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG (vgl.
Ziff. 42.1 des Streitwertkatalogs 2004 ).
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