Urteil des BVerwG vom 05.07.2011

Rechtliches Gehör, Sowjetunion, Hund, Eltern

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 5.11 (5 B 38.10)
OVG 12 A 2782/07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Juli 2011
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Häußler
beschlossen:
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Die Anhörungsrüge der Kläger gegen den Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2010
(BVerwG 5 B 38.10) wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rügeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Anhörungsrüge der Kläger ist jedenfalls unbegründet. Der Senat hat den
Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher
Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 VwGO).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet zwar ein Gericht, die Ausfüh-
rungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu
ziehen. Eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings nur dann darge-
tan, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht
nachgekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 28. März 1985 - 1 BvR 1245/84,
1254/84 - BVerfGE 69, 233 <246>). Davon kann hier nicht die Rede sein.
Die Anhörungsrüge macht geltend, der Senat habe den Vortrag des Klägers,
„seine Urgroßeltern sowie seine Großeltern seien deutsche Volkszugehörige
gewesen und die Eintragung der nicht deutschen Nationalität der Großeltern
und Eltern sei von den gesetzlichen Regelungen der damaligen Sowjetunion
nicht gedeckt und deshalb rechtswidrig gewesen“, nicht zur Kenntnis genom-
men (S. 1 der Anhörungsrügeschrift; ähnlich S. 2). Die Eintragung der Eltern
des Klägers, die auf „ungarisch“ gelautet habe, sei gegen die gesetzlichen Be-
stimmungen der ehemaligen Sowjetunion erfolgt, was bedeute, dass es sich
nicht um eine „vorgesehene“ Eintragung gehandelt habe. Wenn der Senat den
vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt berücksichtigt hätte, hätte er, was auch
die einzige Lösung sei, zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Revision
zulässig ist (S. 2 der Anhörungsrügeschrift).
Eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf Gewährung recht-
lichen Gehörs ist damit nicht aufgezeigt (§ 152a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6
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VwGO). Es trifft bereits nicht zu, dass der Senat den von den Klägern genann-
ten Vortrag unberücksichtigt gelassen hätte. Vielmehr hat der Senat ihr diesbe-
zügliches Vorbringen nicht nur in Erwägung gezogen, sondern ist auch der Sa-
che nach darauf in dem mit der Anhörungsrüge angegriffenen Beschluss vom
20. Dezember 2010 (BVerwG 5 B 38.10 - BA S. 3 f.) eingegangen. Dort hat der
Senat ausgeführt, die Grundsatzbedeutung der Sache sei nicht dargelegt wor-
den, weil die Beschwerde tatsächliche Umstände bei ihren Fragen zugrunde
gelegt habe, die so im tatsachengerichtlichen Urteil nicht festgestellt worden
sind. Auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob es zulässig sei, „ge-
mäß § 6 Abs. 2 Satz 1 3. Alternative BVFG alleine von der Eintragung im In-
landspass einer Person zur Bestimmung der Zugehörigkeit zur Nationalität
‚nach dem Recht des Herkunftsstaates’ auszugehen, obwohl diese Eintragung
dem positiven Recht des Herkunftsstaates widerspricht und der Betroffene kei-
ne Möglichkeit hatte, dieser Eintragung in der ehemaligen Sowjetunion etwas
entgegenzusetzen bzw. sie zu ändern“, hat der Senat ausgeführt: „Das Ober-
verwaltungsgericht hat - wie dargelegt - gerade nicht festgestellt, dass die Ein-
tragung dem positiven Recht des Herkunftsstaates widerspricht. Die Beschwer-
de hat daher die Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Frage schon
deswegen nicht dargelegt, weil sie diese mit tatsächlichen Wertungen verknüpft
hat, die so in den tatsächlichen Feststellungen und der Bewertung des Ober-
verwaltungsgerichts keine Stütze finden“ (BA, S. 4 Rn. 8). Im Rahmen der vor-
liegenden Anhörungsrüge beanstanden die Kläger insoweit erneut die Tatsa-
chenfeststellung des Oberverwaltungsgerichts, die sie - mangels entsprechen-
der Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes - im Beschwerdeverfahren
nicht erfolgreich angreifen konnten.
Soweit die Kläger mit ihrer Anhörungsrüge zudem der Sache nach geltend ma-
chen wollen, dass der Senat den genannten Vortrag als nicht den Darlegungs-
erfordernissen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) genügend angesehen hat, wenden
sie sich in Wahrheit gegen die prozessuale Rechtsanwendung des Senats. Ein
Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt aber
nicht schon dann vor, wenn das Gericht dem zur Kenntnis genommenen und in
Erwägung gezogenen Vorbringen nicht folgt, sondern dem Vorbringen aus
Gründen des formellen oder materiellen Rechts, mithin auch aus Gründen pro-
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zessualer Darlegungspflichten, im Ergebnis kein Gewicht beimisst bzw. zu ei-
nem Ergebnis gelangt, das der Beteiligte nicht für richtig hält (Beschluss vom
13. Januar 2009 - BVerwG 9 B 64.08 - NVwZ 2009, 329 <330>).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m.
§ 100 Abs. 1 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Ge-
richtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz
ergibt.
Hund
Dr. Störmer
Dr. Häußler
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