Urteil des BVerwG vom 21.09.2010

Rechtliches Gehör, Genehmigung, Beweisantrag, Wohnraum

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 44.10
VGH 12 B 09.2484
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. September 2010
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 31. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeu-
tung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Keine Grundsatzbedeutung kommt der Frage zu,
„Erlischt ein von einem Verfahrensbeteiligten vor der Ver-
waltungsbehörde gestellter Antrag, über den die Behörde
nicht entschieden hat, durch eine Gesetzesänderung, die
das bestehende Antragserfordernis perpetuiert oder wirkt
der gestellte Antrag, hier nach Art. 22 BayVwVfG, fort?“.
Diese Frage kann eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache nicht rechtfertigen, weil sie sich in der von der Beschwerde formu-
lierten Weise in einem Revisionsverfahren nicht stellte. Die verwaltungsverfah-
rensrechtliche Bedeutung, die einem auf eine bestimmte Genehmigung gerich-
teten Antrag beizumessen ist, bestimmt sich in Fällen, in denen sich durch eine
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Änderung des zugrunde zu legenden Rechts die Rechtslage nachhaltig verän-
dert hat, nicht allein nach dem - gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisiblen -
Verwaltungsverfahrensrecht. Ob die Rechtsänderung „das bestehende An-
tragserfordernis perpetuiert“ - wie die Beschwerde unterstellt - oder nach neu-
em Recht für das bislang verfolgte Begehren ein neuer, verfahrenseinleitender
Antrag erforderlich ist, bestimmt sich nach den im neuen Recht geregelten Ver-
fahrensanforderungen und damit letztlich nach materiellem Recht, hier also
nach Art. 3 Abs. 1 des Bayerischen Gesetzes über das Verbot der Zweckent-
fremdung von Wohnraum (ZwEWG) (vom 10. Dezember 2007, GVBl 2007, 864,
geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2009, GVBl 2009, 630).
Soweit sich die Beschwerde der Sache nach gegen die Rechtsauffassung des
Verwaltungsgerichtshofs wendet, mit der Neuregelung ab dem 1. Januar 2009
sei
jedenfalls insoweit eine Zäsur eingetreten, als es einer neuen AntragsteI-
lung bedürfe, wenn eine Genehmigung nach Art. 3 Abs. 1 ZwEWG begehrt
werde, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Denn die Frage,
ob diese Rechtsauffassung zutrifft oder der Wechsel der Rechtsgrundlage den
gestellten Antrag auf Genehmigung einer Zweckentfremdung unberührt lässt,
betrifft eine Frage der Anwendung und Auslegung des Art. 3 Abs. 1 ZwEWG
und damit von nicht revisiblem (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) Landesrecht. Dies
unterstreicht, dass der Verwaltungsgerichtshof seine Auslegung, dass es einer
neuen Antragstellung bedarf, u.a. mit Blick darauf gewonnen hat, dass der (neu
zu stellende) Antrag nunmehr eine Frist in Gang setze, innerhalb derer die Be-
hörde zu entscheiden habe, widrigenfalls die Genehmigung als erteilt gelte
(Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZwEWG) (UA S. 26). Die Beurteilung des Verwal-
tungsgerichtshofs, dass hier keine besonderen Umstände des Einzelfalles vor-
lägen, wegen derer ein vor dem 1. Januar 2009
gestellter Antrag als Antrag
nach Art. 3 Abs. 2 ZwEWG gesehen werden könne, und auch die Einlassungen
im Verwaltungsstreitverfahren nicht als solcher Antrag gewertet werden könn-
ten, betrifft nicht allgemein klärungsfähige oder -bedürftige Rechtsfragen, son-
dern die einzelfallbezogene Bewertung des Sachverhalts.
Der Zulassung der Revision steht insoweit - selbständig tragend - entgegen,
dass in Bezug auf die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Erteilung einer
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Zweckentfremdungsgenehmigung nach der ab dem 1. Januar 2009 geänderten
Rechtslage der Verwaltungsgerichtshof selbständig tragend auch auf die für
den davorliegenden Zeitraum dargelegten Erwägungen verwiesen hat (UA
S. 25). Die Frage der (neuerlichen) Antragstellung ist insoweit nicht erheblich,
weil - wie der Verweis auf die Ausführungen zum Zeitraum bis zum 1. Januar
2009 ergibt - nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs die ma-
teriellrechtlichen Voraussetzungen der Genehmigungserteilung auch nach neu-
em Recht nicht vorliegen.
Die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zur „Fortwirkung“ des Antrages
sind auch nicht deswegen entscheidungserheblich, weil - unabhängig von den
materiellrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen - nach der ab dem 1. Ja-
nuar 2009 geltenden Rechtslage bei fortwirkendem Antrag zugunsten der Klä-
gerin die - zum 1. Januar 2010 eingefügte - Genehmigungsfiktion des Art. 3
Abs. 2 ZwEWG anzuwenden gewesen wäre und „bei Bejahung der mit der NZB
aufgeworfenen Frage ... zugunsten der Klägerin die Genehmigung per Fiktion
durch Zeitablauf am 01.04.2009 als erteilt gelten“ würde (Beschwerdeschrift
S. 11). Denn selbst wenn unterstellt würde, dass die Erteilung einer Zweckent-
fremdungsgenehmigung nach Art. 3 ZwEWG an einen vor dem 1. Januar 2009
gestellten Antrag anknüpfen dürfte und es - entgegen der Auslegung des Beru-
fungsgerichts - für die Genehmigung nach Art. 3 Abs.1 ZwEWG keines neuen
Antrages bedürfte, folgte daraus nicht, dass ein derartiger Antrag auch die Frist
des Art. 3 Abs. 2 ZwEWG in Lauf setzte. Dagegen spricht, dass der Verwal-
tungsgerichtshof einen neuerlichen, auf Art. 3 ZwEWG gestützten Antrag gera-
de deswegen für erforderlich gehalten hat, weil erst durch einen solchen Antrag
die Genehmigungsfiktionsfrist in Lauf gesetzt wird. Der Hinweis des Verwal-
tungsgerichtshofs, dass ein vor dem 1. Januar 2009 gestellter Antrag nicht als
Antrag nach Art. 3 Abs. 2 ZwEWG gewertet werden könne, umschließt der Sa-
che nach eine Auslegung des Art. 3 ZwEWG, bei der - auch bei unterstelltem
Fortwirken eines vor dem 1. Januar 2009 gestellten Antrages - zwischen einem
Antrag als notwendiger Verfahrensvoraussetzung und seiner Eignung, die Frist
für die Genehmigungsfiktion in Lauf zu setzen, zu unterscheiden ist. Hiervon ist
die Klägerin selbst ausgegangen, die in dem Berufungsverfahren zwar auf die
veränderte Rechtsgrundlage hingewiesen, aber nicht geltend gemacht hat, der
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Rechtsstreit habe sich in Bezug auf die Genehmigungserteilung dadurch in der
Hauptsache erledigt, dass zugunsten der Klägerin jedenfalls zum 1. April 2010
die zum 1. Januar 2010 als Art. 3 Abs. 2 ZwEWG eingefügte Genehmigungsfik-
tion greife.
2. Die Revision ist auch nicht wegen der behaupteten Verfahrensfehler (§ 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
2.1 Die Beschwerde sieht einen für die Revisionszulassung beachtlichen Ver-
fahrensfehler darin, dass der Verwaltungsgerichtshof unter Verstoß gegen
§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Berufung der Beklagten aus einem Grund zu-
gelassen hat, den diese selbst nicht geltend gemacht habe (Beschwerdeschrift
Nr. 4.1 ) und es überdies die Zulassungsentscheidung unter Verlet-
zung von § 124a Abs. 5 Satz 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1
GG nicht kurz begründet habe. Dieses Vorbringen führt schon deswegen nicht
zur Zulassung der Revision, weil Entscheidungen, die dem Endurteil der Vorin-
stanz vorausgegangen sind, nur dann der Beurteilung des Revisionsgerichts
unterliegen, wenn sie nicht unanfechtbar sind (§ 557 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173
VwGO) und daher die Zulassung der Berufung als unanfechtbare Vorentschei-
dung (§ 152 Abs. 1 VwGO) einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungs-
gericht grundsätzlich entzogen ist (Beschluss vom 14. Dezember 2006
- BVerwG 1 B 272.06 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 33 m.w.N.).
Unabhängig davon führt die Strukturgleichheit der Zulassungsgründe des § 124
Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO zu einer Reduzierung der Darlegungslast mit der
Folge, dass eine Zulassung der Berufung wegen tatsächlicher und rechtlicher
Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gerechtfertigt sein kann, wenn als
bezeichneter Zulassungsgrund lediglich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit
des Urteils behauptet worden sind (s. Seibert, in: Sodan/Ziekow ,
VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rn. 114 f. m.w.N.). Mit dem Hinweis auf den
herangezogenen Berufungszulassungsgrund ist der Zulassungsbeschluss
- wenn auch knapp - mit einer Begründung versehen.
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2.2 Einen Verfahrensfehler im Sinne des § 138 Nr. 3 VwGO in der Gestalt eines
Verstoßes gegen das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG; § 108 Abs. 2
VwGO) infolge einer Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3
VwGO) legt die Beschwerde nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO genügenden Weise dar, soweit sie geltend macht, der Verwal-
tungsgerichtshof habe es unterlassen, alle angeblichen Mängel im Sach- und
Rechtsvortrag der Klägerin, u.a. der angeblich fehlenden AntragsteIlung im
Verwaltungsverfahren nach neuem Recht, der angeblich unzulässigen Beweis-
anträge, des angeblich nicht nachgewiesenen öffentlichen Interesses sachdien-
lich und formgerecht zu beseitigen, und insoweit eine Überraschungsentschei-
dung getroffen (Beschwerdeschrift Nr. 5.1 und 5.3 ).
Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt keine allgemeine Frage- und
Aufklärungspflicht des Gerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991
- 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>). Auch in der Ausprägung, die die-
ses Recht in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, wird dem Gericht keine umfas-
sende Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte abverlangt.
Insbesondere muss ein Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf
seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs
hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst
aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr, siehe etwa
Beschlüsse vom 8. August 1994 - BVerwG 6 B 87.93 - Buchholz
421.0 Prüfungswesen Nr. 335, vom 26. Juni 1998 - BVerwG 4 B
19.98 - NVwZ-RR 1998, 711,
vom 28. Dezember 1999 - BVerwG 9 B
467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 und vom 13. März 2003
- BVerwG 5 B 253.02 - Buchholz 454.51 MR VerbG Nr. 26).
Nur
wenn das Gericht an den Vortrag eines Beteiligten Anforderungen stellt, mit
denen auch ein verständiger Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen
Verlaufs des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte, ist es zur Vermeidung einer
Überraschungsentscheidung verpflichtet, einen entsprechenden Hinweis zu
geben.
Ein solcher Fall ist hier nicht dargetan. Nach dem Sach- und Streitstand und
dem Berufungsvorbringen der Beklagten musste sich der rechtskundig vertre-
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tenen Klägerin aufdrängen, dass die Fragen eines öffentlichen Interesses an
der zweckentfremdenden Nutzung oder der Vermietbarkeit des Hauses ent-
scheidungserheblich sein und hierfür auch eine Bewertung der Nachfrageseite
erheblich sein könnte. Nach dem bei Abschluss des - widerrufenen - Vergleichs
erklärten Verzicht auf eine weitere mündliche Verhandlung konnte es die Kläge-
rin nicht überraschen, dass es aufgrund ihrer schriftlichen Beweisanregungen
nicht zu einer Beweiserhebung kommen werde; auf eine für sie günstige Ent-
scheidung durfte sie nach dem Inhalt des geschlossenen Vergleichs nicht ver-
trauen. Mit dem Verzicht auf eine weitere mündliche Verhandlung hat sich die
Klägerin auch der Möglichkeit begeben, die Beweisanträge in der mündlichen
Verhandlung zu stellen, um so vor Erlass der Sachentscheidung die Rechtsauf-
fassung des Gerichts zur Entscheidungserheblichkeit der Beweisanträge zu
erfahren. In Bezug auf das Erfordernis eines neuerlichen Antrages nach Art. 3
Abs. 1 ZwEWG handelt es sich schon nicht um einen Formfehler oder eine un-
zureichende bzw. unklare Antragstellung im verwaltungsgerichtlichen Verfah-
ren. Unabhängig davon kann dabei offenbleiben, ob ein entsprechender Hin-
weis, so er denn unterblieben ist, sinnvollerweise hätte ergehen sollen, weil das
Berufungsgericht auch materiellrechtlich die Voraussetzungen für eine Zweck-
entfremdungsgenehmigung nach § 3 Abs. 1 ZwEWG verneint hat (s.o.).
2.3 Der Verwaltungsgerichtshof hat weiterhin nicht dadurch seine Aufklärungs-
pflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) oder den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Ge-
hör verletzt, dass es die von der Klägerin angebotenen Beweise, insbesondere
zur Frage, ob das streitbefangene Anwesen dem Mietmarkt grundsätzlich nicht
mehr zugänglich ist bzw. nicht am herkömmlichen Mietmarkt teilnimmt, nicht
erhoben hat (Beschwerdeschrift S. 15 ff.).
Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den
Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen
Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli
1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>); die Vorschrift verpflichtet die
Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (BVerfG,
Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 u.a. - BVerfGE 64, 1 <12>, Urteil
vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 u.a. - BVerfGE 87, 1 <33>). Der Anspruch auf
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rechtliches Gehör schützt auch nicht gegen eine nach Meinung eines Beteilig-
ten sachlich unrichtige Ablehnung eines Beweisantrags (Beschluss vom 7. Ok-
tober 1987 - BVerwG 9 CB 20.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 31).
Art. 103 Abs. 1 GG ist aber verletzt, wenn die Ablehnung eines als sachdienlich
und erheblich angesehenen Beweisantrags im Prozessrecht keine Stütze mehr
findet (BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69,
141 <143 f.>, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279
<311>, BVerwG, Beschluss vom 24. März 2000 - BVerwG 9 B 530.99 -
Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 S. 16). Maßgebend für die Frage, ob
ein Verfahrensmangel vorliegt, ist der materiellrechtliche Standpunkt der ange-
griffenen Entscheidung (zur Zulassung der Revision stRspr, vgl. Beschluss vom
23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1).
Nach diesen Grundsätzen hat der Verwaltungsgerichtshof das rechtliche Gehör
der Klägerin nicht dadurch verletzt, dass er deren Beweisanträgen (Schriftsatz
vom 11. Dezember 2009, Beschwerdeschrift S. 6 ff.) nicht nachgegangen ist.
Dem Antrag, Sachverständigenbeweis zu der Frage zu erheben, ob ein Mietob-
jekt zu dem von der Klägerin näher bezeichneten, bei marktgerechter Vermie-
tung erzielbaren Mietpreis „dem herkömmlichen Mietmarkt nicht mehr zugäng-
lich ist“ (Beweisantrag Nr. 9.1), brauchte der Verwaltungsgerichtshof schon
deswegen nicht nachzugehen, weil er auf eine - nach seiner maßgeblichen ma-
teriellrechtlichen Sicht - nicht entscheidungserheblichen Tatsache gerichtet ist.
Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass das Anliegen, der
Zweckentfremdung von Wohnraum in Gebieten, in denen die Versorgung der
Bevölkerung mit Wohnraum besonders gefährdet ist, nachhaltig entgegenzu-
wirken, nicht nur für Wohnraum allgemein oder aber nur für durchschnittliche
Wohnungen gilt, sondern entgegen der Auffassung der Klägerin auch gut aus-
gestattete größere Wohnungen vom Zweckentfremdungsverbot erfasst sind. Er
hat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Ur-
teil vom 25. Juni 1982 - BVerwG 8 C 80.81 - Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 8)
lediglich geprüft und auf der Grundlage der von der Beklagten vorgelegten Er-
kenntnisquellen verneint, ob bzw. dass der streitgegenständliche Wohnraum
wegen seiner Größe und Ausstattung vom Markt nicht mehr angenommen wer-
de. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof gerade nicht darauf abgestellt, dass
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ein weiterhin zu Wohnzwecken nutzbares Gebäude gerade auch selbst zur
Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen
dienen muss oder ob auch im Marktsegment der gut ausgestatteten, größeren
Wohnungen/Häuser, die aus der Sicht der Klägerin lediglich eine „Luxusnach-
frage“ bedienen, Knappheit (Wohnungsnot bzw. Versorgungs- oder Markteng-
pässe) besteht. Die Bewertung ist daher nicht zu beanstanden, dass die „wer-
tende Bezugnahme auf einen ‚herkömmlichen Mietmarkt’“ dazu führe, „dass die
so formulierte Tatsachenbehauptung schon nicht mehr beweiserheblich ist“ (UA
S. 20). Bereits dies trägt die Nichterhebung des angebotenen Beweises, so
dass es auf die weiteren vom Verwaltungsgerichtshof bezeichneten Gründe
nicht ankommt.
In Bezug auf die (gewerbliche) Nutzung des Gebäudes auf dem Nachbargrund-
stück G-Str. 26 durch einen Kindergarten (Beweisantrag Nr. 9.2) ist der Verwal-
tungsgerichtshof auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten davon aus-
gegangen, dass dieser nicht in zweckentfremdeten Wohnräumen betrieben
wird, sondern in Gewerberäumen. Für diese Frage ist ein auf den Nachweis
gewerblicher Nutzung gerichteter Beweisantrag unerheblich. Zudem ist der
Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Nutzung auch von einem nicht ver-
gleichbaren Sachverhalt ausgegangen (UA S. 24). Auf der Grundlage der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 22. April 1994
- BVerwG 8 C 29.92 - BVerwGE 95, 341) zu der für die Annahme eines schutz-
würdigen berechtigten Eigentümerinteresses erforderlichen Kausalität zwischen
Zweckentfremdungsverbot und Existenzgefährdung und seiner Feststellung, die
Klägerin habe es jedenfalls bis zur Anmietung des Wohnraumes vom eigenen
Geschäftsführer unterlassen, sich hinreichend anderweitig um Geschäfts- oder
Gewerberäume für die benötigten Büros und Übungsräume zu kümmern,
brauchte der Verwaltungsgerichtshof aus materiellrechtlichen Gründen auch
nicht den Beweisanträgen zu früheren Recherchen nach gewerblich nutzbaren
Häusern im Umfeld der G-Straße (Beweisantrag Nr. 9.3) und zur pädago-
gisch/atmosphärischen Eignung gängiger Büro- oder ähnlicher Gewerberäume
für die Stiftungsarbeit vor Ort (Beweisantrag Nr. 9.4) nachzugehen. In Bezug
auf den Beweisantrag zur Praxis der Beklagten bei der Erteilung von Ausnah-
megenehmigungen (Beweisantrag Nr. 9.5) ist der Verwaltungsgerichtshof von
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der materiellrechtlichen Bewertung ausgegangen, dass die von der Klägerin
bezeichneten Fälle und Nutzungen einen mit der privaten Musiziereinrichtung
der Klägerin nicht vergleichbaren Sachverhalt beträfen (UA S. 24). Unabhängig
davon begründete eine etwa rechtswidrige Erteilung einer Zweckentfremdungs-
genehmigung in den von der Klägerin bezeichneten Fällen keinen Anspruch der
Klägerin auf eine entsprechende Genehmigung (vgl. Urteile vom 22. Juni 1989
- BVerwG 5 C 42.88 - BVerwGE 82, 163 und vom 20. Oktober 1989 - BVerwG
5 C 33.88 - Buchholz 436.36 § 45a BAföG Nr. 1).
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1, 2 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Hund Prof. Dr. Berlit Stengelhofen
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