Urteil des BVerwG vom 24.02.2004

Beschwerdeschrift, Beschränkung, Revisionsgrund, Rechtskraft

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 43.03
OVG 2 A 740/99
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Februar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t und Dr. F r a n k e
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 7. März 2003 wird zurückge-
wiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 16 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Verfahrensrügen der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1
GG, § 138 Nr. 3 VwGO) und einer nicht mit Gründen versehenen Entscheidung
(§ 138 Nr. 6 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Im rechtlichen Ausgangspunkt unzutreffend ist zunächst die Ansicht der Beschwerde,
das vom Oberverwaltungsgericht geänderte Urteil des Verwaltungsgerichts, das der
Klägerin zu 2 einen nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG zu erteilenden Aufnahmebe-
scheid und den Klägern zu 1, 3 und 4 einen Anspruch auf Einbeziehung in denselben
nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG zuerkannt hatte, enthalte zugleich eine "umfassende"
Entscheidung über die Aufnahme der Kläger zu 1, 3 und 4 in dem Sinne, dass ihnen
damit zugleich auch ein "originärer" Aufnahmebescheid im Sinne des § 27 Abs. 1
Satz 1 BVFG gewährt worden sei, der nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens
geworden und daher in Rechtskraft erwachsen sei (vgl. S. 5 der Beschwerdeschrift).
Dies folgert die Beschwerde zu Unrecht aus dem Umstand, dass das Urteil des
Verwaltungsgerichts rechtlich nicht zwischen Aufnahmeansprüchen aus eigenem und
aus abgeleitetem Recht differenziert und für die geltend gemachten Ansprüche aus
eigenem Recht keinen klagabweisenden Entscheidungsausspruch enthält. Was den
Kläger zu 1 betrifft, hat das Verwaltungsgericht dargelegt, er sei als Chefredakteur
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der Zeitschrift "Rote Fahne" gemäß § 5 Nr. 1 Buchstabe d BVFG (Fassung 1993)
vom Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft ausgeschlossen (vgl. S. 9 - 12 des
Urteils), habe aber ungeachtet seiner eigenen herausgehobenen Stellung einen
Anspruch darauf, in den Aufnahmebescheid seiner Ehefrau einbezogen zu werden
(S. 13 unten des Urteils); für die Kläger zu 3 und 4 heißt es (S. 14 des
verwaltungsgerichtlichen Urteils), da die Einbeziehung nach § 27 Abs. 1 Satz 2
BVFG eine vollständige Aufnahme darstelle, bedürfe es keiner weiteren Aufklärung
dazu, ob sie selbst - was das Gericht für sehr wahrscheinlich halte - die Vorausset-
zung nach § 27 Abs. 1 Satz 1, §§ 4, 6 BVFG erfüllten; die Feststellung einer mögli-
chen Spätaussiedlereigenschaft der Kläger zu 3 und 4 bleibe dem Bescheinigungs-
verfahren nach § 15 BVFG vorbehalten. Die rechtliche Annahme, das Verwaltungs-
gericht könne damit entgegen der insoweit auf eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 1
Satz 2 BVFG beschränkten Verpflichtung der Beklagten den genannten Klägern ei-
nen "originären" Aufnahmebescheid zuerkannt haben, geht fehl. Ebenfalls unzutref-
fend ist die Auffassung der Beschwerde, der der Klägerin zu 2 "erteilte Aufnahmebe-
scheid" (gemeint wohl: zuerkannte Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebeschei-
des) sei durch den Antrag der Beklagten "nicht angegriffen worden, so dass er in
Rechtskraft erwachsen sei" (vgl. S. 2 der Beschwerdeschrift). Das Oberverwaltungs-
gericht hat die Berufung in seiner Zulassungsentscheidung vom 25. Januar 2000
(vgl. S. 193 der Gerichtsakte) vielmehr "auf den Antrag der Beklagten und des Bei-
geladenen" ohne streitgegenständliche Beschränkung zugelassen, so dass die gel-
tend gemachten Zulassungsgründe für das weitere Verfahren ohne Bedeutung sind
(vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Februar 1997 - BVerwG 9 C 11.96 -
); selbst wenn diese Zulas-
sungsentscheidung fehlerhaft wäre, wäre sie für das Oberverwaltungsgericht und
auch das Bundesverwaltungsgericht bindend (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Be-
schluss vom 23. April 1998 - BVerwG 4 B 40.98 -
Nr. 87 = NVwZ 1998, 256).
Ob die Auffassung der Beschwerde zutrifft, mit der Zulassung der Berufung der Be-
klagten und des Beigeladenen sei "das Verfahren auch insgesamt berufungsanhän-
gig geworden" in dem Sinne, dass - auch ohne Berufungseinlegung von Seiten der
Kläger - auch über die Ansprüche der Kläger zu 1, 3 und 4 auf Erteilung von Auf-
nahmebescheiden aus eigenem Recht zu entscheiden gewesen sei, kann hier da-
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hingestellt bleiben. Selbst bei unterstellter Fehlerhaftigkeit der Beschränkung des
Gegenstandes der berufungsgerichtlichen Überprüfung auf die Spätaussiedlereigen-
schaft der Klägerin zu 2 beziehungsweise den nach Ansicht des Oberverwaltungsge-
richts durch die Parteitätigkeit verwirklichten Ausschlusstatbestand gemäß § 5 Nr. 2
Buchstabe b BVFG (in der Fassung des Haushaltssanierungsgesetzes vom 22. De-
zember 1999, BGBl I S. 2534) und die aus der Ablehnung des Aufnahmeanspruchs
der Klägerin zu 2 folgende Ablehnung von Einbeziehungsansprüchen nach § 27
Abs. 1 Satz 2 BVFG für die Kläger zu 1, 3 und 4 könnte sich ein - unterstellter - Ver-
fahrensverstoß nicht entscheidungserheblich zu Gunsten der Kläger zu 1, 3 und 4
auswirken. Da sie als Ehemann und Kinder der Klägerin zu 2 mit dieser für mindes-
tens 3 Jahre in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und daher jedenfalls nach § 5
Nr. 2 Buchstabe c BVFG von einem Erwerb des Spätaussiedlerstatus ausgeschlos-
sen sind, kommt es auf die Frage, ob trotz Berufungseinlegung nur durch die Beklag-
te und den Beigeladenen im Berufungsverfahren auch über Ansprüche der Kläger
zu 1, 3 und 4 aus eigenem Recht zu entscheiden gewesen wäre, nicht entschei-
dungserheblich an.
Was schließlich die für die Klägerin zu 2 geltend gemachte Versagung rechtlichen
Gehörs zu der Frage des Ausschlusstatbetandes nach § 5 Nr. 2 Buchstabe b BVFG
durch Entscheidung im Beschlusswege nach § 130a VwGO betrifft, hat die unter dem
Gesichtspunkt einer Überraschungsentscheidung (S. 3 der Beschwerdeschrift)
erhobene Verfahrensrüge schon deshalb keinen Erfolg, weil die Kläger durch das
gerichtliche Schreiben vom 7. Februar 2003 (Gerichtsakte S. 217) auf diesen Ge-
sichtspunkt ausdrücklich hingewiesen worden waren. Davon abgesehen legt die Be-
schwerde auch nicht dar, welcher konkrete Vortrag bei Durchführung einer mündli-
chen Verhandlung mit Blick auf die hauptamtliche Parteitätigkeit der Klägerin zu 2
noch erfolgt wäre, sondern nimmt insoweit Bezug auf früheren Vortrag und nicht
auszuschließende, aber unspezifizierte "weitere Erkenntnisse" (vgl. S. 3, 4 der Be-
schwerdeschrift). Dies reicht zur Begründung einer Gehörsrüge nicht aus.
Der Revisionsgrund des § 138 Nr. 6 VwGO (fehlende Entscheidungsgründe) liegt
nicht vor, denn die angefochtene Entscheidung ist mit nachvollziehbaren Gründen
versehen worden; dass der Gegenstand des Berufungsverfahrens nach Ansicht der
Beschwerde vom Berufungsgericht falsch gesehen worden ist und die angefochtene
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Entscheidung nicht die nach Auffassung der Beschwerde erforderlichen Darlegungen
zu den Aufnahmeansprüchen der Kläger zu 1, 3 und 4 enthält, begründet nicht den
Revisionsgrund aus § 138 Nr. 6 VwGO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, die Streitwertfestsetzung auf § 13
Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG.
Dr. Säcker
Schmidt
Dr. Franke