Urteil des BVerwG vom 18.10.2005

Rechtliches Gehör, Medizinisches Gutachten, Rüge, Überprüfung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 38.05
VGH 12 B 01.2895
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Oktober 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. R o t h k e g e l und
Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 16. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil
des Verwaltungsgerichtshofs ist nicht begründet. Aus dem Beschwerdevorbringen
ergibt sich nicht, dass die geltend gemachten Gründe einer grundsätzlichen Bedeu-
tung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und einer Verfahrensfehlerhaftig-
keit des Berufungsurteils (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vorliegen.
1. Soweit die Beschwerde vorträgt, "die grundsätzliche Bedeutung der
Streitsache (lasse sich damit) begründen, dass hier das bestehende rechtliche In-
strumentarium nicht ausreicht, um den Streitfall sachgemäß zu behandeln" (S. 26 der
Beschwerdebegründung), genügt dies schon nicht den Anforderungen des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO. Hierzu ist nach ständiger Rechtsprechung u.a. des Bundesverwaltungsge-
richts zu verlangen, dass die Beschwerde eine konkrete, sich aus dem Rechtsstreit
ergebende und entscheidungserhebliche Rechtsfrage bezeichnet, die bisher höchst-
richterlich noch nicht geklärt ist und deren im künftigen Revisionsverfahren zu erwar-
tende Entscheidung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für
eine bedeutsame Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dies darzulegen,
unternimmt die Beschwerde nicht auch nur ansatzweise.
2. Die behaupteten Verfahrensverstöße liegen nicht vor. Zu Unrecht rügt
die Beschwerde, das Berufungsurteil habe "entgegen den Grundsätzen des rechtli-
chen Gehörs entschieden" und das Rechtsschutzbegehren des Klägers sei "nicht auf
der Grundlage eines ordnungsgemäß durchgeführten Verfahrens abgelehnt" worden
(S. 2 der Beschwerdebegründung).
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a) Im Rahmen "ergänzend … aufgeführte(r) … aus der Stellungnahme
des Klägers vorsorglich übernommene(r) Streitpunkte" (S. 6 der Beschwerdebegrün-
dung) äußert die Beschwerde den Verdacht einer "Voreingenommenheit" des Ge-
richts (S. 22, 24, 25, 26 der Beschwerdebegründung); sie begründet die Behauptung,
"ein unparteiisches Urteil (liege) nicht mehr vor" (S. 23 der Beschwerdebegründung),
im Wesentlichen mit "Verfahrensmängeln" (S. 26 der Beschwerdebegründung).
Es kann hier dahinstehen, ob ein solches Vorgehen, die Weitergabe von
Vorbringen und Erhebung von Rügen seines Mandanten gegen das angegriffene
Urteil durch einen Rechtsanwalt, dem den Vertretungszwang nach § 67 Abs. 1
VwGO rechtfertigenden Begründungszwang des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gerecht
wird, als dessen Folge eine Beschwerdebegründung in ihrem vollen Umfang erken-
nen lassen muss, dass der Streitstoff von einem Rechtsanwalt gesichtet und durch-
drungen worden ist. Der in § 138 Nr. 2 VwGO bezeichnete Verfahrensmangel liegt
offenkundig nicht vor. Auch sonst ist jedenfalls in der Sache nichts vorgetragen, was
"Zweifel an der Unparteilichkeit der Richter" (S. 22 der Beschwerdebegründung) be-
gründen könnte, wie sie eine Ablehnung von Gerichtspersonen nach § 54 Abs. 1
VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen wür-
de. Insoweit hätten objektiv feststellbare Tatsachen vorgetragen worden sein und
vorliegen müssen, aufgrund derer ein Verfahrensbeteiligter subjektiv vernünftiger-
weise die Besorgnis haben kann, der Richter werde in der Sache nicht unparteiisch,
unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder hätte sich in der Sache be-
reits festgelegt. Dem genügt nicht die Behauptung, das Berufungsverfahren sei
mängelbehaftet. Soweit die Beschwerde geltend macht, der "Eindruck der Voreinge-
nommenheit" werde dadurch "bekräftigt", dass "der Vorsitzende Richter bei der
mündlichen Verhandlung dem Kläger gegenüber seine Vermutung zum Ausdruck
brachte, dass es ihm (dem Kläger) in dem gesamten Verfahren nur darum gehen
könnte, seinen Therapeuten zu bereichern" (S. 25 der Beschwerdebegründung),
muss der Kläger sich entgegenhalten lassen, dass er, obwohl anwaltlich vertreten, es
unterlassen hat, wegen jener Bemerkung noch in der mündlichen Verhandlung einen
Befangenheitsantrag zu stellen; dadurch hat er, selbst wenn in ihm die Besorgnis der
Befangenheit entstanden sein sollte, ein dadurch etwa begründetes Rügerecht
verloren (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 295 ZPO).
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b) Die Beschwerde ist ferner der Ansicht, das Berufungsurteil verstoße
gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (vgl. § 108 Abs. 2 VwGO), trägt aber
auch insoweit nichts vor, was diese Behauptung stützen würde.
Zur Gewährung rechtlichen Gehörs gehört die Verpflichtung des Ge-
richts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in
Erwägung zu ziehen; wesentlicher Teil des rechtlichen Gehörs ist auch, dass das
Gericht sich vollständige Kenntnis vom Akteninhalt verschafft hat. Dass dies ge-
schehen ist, muss auf der einen Seite in der Urteilsbegründung seinen Niederschlag
finden (siehe Kopp/ Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 108 Rn. 19c mit Rechtspre-
chungsnachweisen); dazu müssen die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und
Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen jedenfalls in den Entschei-
dungsgründen verarbeitet werden (BVerfGE 47, 182 <189>). Auf der anderen Seite
ist aber davon auszugehen, dass das Gericht zu den Akten gelangten Sachvortrag
zur Kenntnis genommen und erwogen hat, sodass besondere Anhaltspunkte dafür
bestehen müssen, dass dies ausnahmsweise nicht geschehen ist. Solche Anhalts-
punkte bestehen nicht schon dann, wenn sich das Gericht in seiner Entscheidung mit
einem bestimmten Sachvortrag nicht ausdrücklich befasst hat; denn es ist nicht ver-
pflichtet, in seiner Entscheidung jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu
bescheiden (stRspr; vgl. z.B. BVerfGE 96, 205 <216 f.>). Außerdem gewährt der An-
spruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz dagegen, dass Sachvortrag eines Betei-
ligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unbe-
rücksichtigt bleibt (stRspr; vgl. BVerfG, a.a.O., S. 216). Dies betrifft vor allem auch
Sachvortrag, den das Gericht nicht für entscheidungserheblich hält, mag die Ent-
scheidungserheblichkeit von den Verfahrensbeteiligten auch anders eingeschätzt
werden. Gleiches gilt, wenn Beweisanträge schriftsätzlich angekündigt, in der münd-
lichen Verhandlung dann aber nicht auch förmlich gestellt worden sind (vgl. § 86
Abs. 2 VwGO); denn der Umfang der gerichtlichen Ermittlungen und der Beweisauf-
nahme richtet sich nach den Tatbestandsmerkmalen der entscheidungserheblichen
Normen (vgl. BVerfGE 79, 51 <62>). Bei der Prüfung, ob das angegriffene Urteil auf
einem Verfahrensfehler beruht (hier also auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs), ist
ohnehin von der materiellen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auszugehen
(stRspr; vgl. z.B. Beschluss des erkennenden Senats vom 3. Dezember 1991
- BVerwG 5 B 61.90 - ).
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Aus der materiellrechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichtshofs ist das
Klagebegehren nach § 78a Abs. 1 Nrn. 5b und 6 sowie § 36 Abs. 1 Satz 5 SGB VIII
zu beurteilen; sein Erfolg hängt hiernach entscheidend davon ab, "ob die vom Kläger
begehrte Hilfe geboten im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 5 SGB VIII ist" (S. 6 Mitte des
Berufungsurteils). Ausgehend hiervon ist eine Verletzung des Anspruchs des Klägers
auf rechtliches Gehör nach den vorstehenden Maßstäben nicht festzustellen:
Soweit die Beschwerde rügt, dem Kläger sei (vom Beklagten und den
Gerichten) "eine sachgemäße Überprüfung der Ablehnungsgründe" seines Hilfebe-
gehrens verweigert worden (S. 6 f. der Beschwerdebegründung), es "(widerspreche)
dem Rechtsstaatsprinzip, dass eine offensichtlich falsche Bescheidung nicht kritisch
und sachgemäß überprüft werden (könne)" (S. 7 der Beschwerdebegründung), es
"(müsse) rechtlich möglich sein, den Urteilsfindungs- und Bescheidungsprozess ei-
nes Amtes genauer überprüfen (zu) lassen" (S. 14 der Beschwerdebegründung), es
sei "dem Kläger … seit Anbeginn dieses Verfahrens (nur) darum (gegangen), eine
kritische Überprüfung der Ablehnungsgründe von Seiten des Beklagten oder durch
Dritte zu erwirken" (S. 8 der Beschwerdebegründung), statt dessen sei "die Ebene
(gewechselt)" worden, indem "dem Kläger als Antwort auf sein Begehren mitgeteilt
(worden sei), dass er ja genügend alternative Hilfeangebote bekommen habe" (S. 16
der Beschwerdebegründung), mit dem Hinweis auf alternative Hilfeangebote werde
aber "am Streitfall vorbeigegangen" (S. 17, 19 der Beschwerdebegründung), wird bei
alledem über den materiellrechtlichen Ausgangspunkt des angegriffenen Urteils hin-
weggesehen. Mit diesem Ausgangspunkt (der Prüfung, ob die vom Kläger gewählte
Therapie im Sinne des Gesetzes "geboten" ist) ist das Klagebegehren, wie es der
Kläger vor dem Berufungsgericht erhoben hat (siehe S. 5 des Berufungsurteils), der
Bestimmung des § 88 VwGO entsprechend, zutreffend erfasst. Dass der Kläger mit
der Beschwerdebegründung "zu (seinem) alten Antrag zurück(kehrt)" (S. 8 der Be-
schwerdebegründung), mit dem es ihm um eine bloße Neubescheidung seines Hil-
febegehrens durch den Beklagten gegangen war, ist unbeachtlich, weil dies den für
die Überprüfung des angegriffenen Urteils auf sein ordnungsgemäßes Zustande-
kommen maßgeblichen materiellrechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts
unberührt lässt. Der ganz anderen Frage, ob ein Bescheidungsantrag bezogen auf
eine Leistung, die - entgegen der Annahme der Beschwerde - nicht im Ermessen der
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Behörde steht, sondern die von der gerichtlich voll überprüfbaren Auslegung eines
unbestimmten Gesetzesbegriffs (hier des Begriffs "geboten") abhängt, überhaupt
prozessual zulässig wäre, ist hier darum nicht nachzugehen. Im Übrigen wäre ein
Austausch des ursprünglichen Ablehnungsgrundes (fehlender Therapieerfolg) in dem
Bescheid des Beklagten vom 14. März 2000 gegen einen anderen Versagungsgrund
(Bestehen geeigneter Hilfeangebote von Einrichtungen, mit denen Vereinbarungen
nach § 78b SGB VIII geschlossen sind) - sollte ein solcher Austausch ungeachtet der
vom Berufungsgericht geäußerten "Zweifel an der Wirksamkeit der vom Kläger ein-
geschlagenen Therapie" (S. 7 Mitte des Berufungsurteils) und der schon im
Ablehnungsbescheid des Beklagten enthaltenen Empfehlung einer Hilfealternative
(Aufnahme in eine psychotherapeutische Klinik bzw. in eine therapeutische Wohn-
gruppe) überhaupt stattgefunden haben - in Anbetracht der Regelung des § 41
Abs. 1 Nr. 1 SGB X ohnehin rechtlich unbedenklich.
Soweit die Beschwerde geltend macht, es hätte "durch die immer wie-
der (vom Kläger) beantragten, aber nicht aufgegriffenen Sachverständigengutachten
… nachgeprüft werden können", ob "die Therapieform des Klägers … erfolgverspre-
chend" war (S. 21 der Beschwerdebegründung), "das vom Gericht unterstellte Schei-
tern der Therapie aufgrund (nach Feststellungen des Berufungsgerichts achtjähriger
ununterbrochener) Dauer (könne) nur durch ein medizinisches Gutachten überhaupt
belegt werden, die Nichteinholung des Gutachtens (stelle) einen Verstoß gegen die
Grundsätze des rechtlichen Gehörs dar" (S. 3 der Beschwerdebegründung), dem
Gericht fehle die medizinische Sachkunde, es "hätte hier unter Berücksichtigung des
rechtlichen Gehörs die Beweiserhebung anordnen müssen" (S. 4 der Beschwerde-
begründung), betrifft dies alles nicht die Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern
allenfalls den Umfang der dem Gericht durch § 86 VwGO auferlegten Pflicht zur Auf-
klärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts von Amts wegen. Es kann offen
bleiben, ob das Beschwerdevorbringen im Sinne einer Rüge zu verstehen ist, dass
der Verwaltungsgerichtshof seiner Amtsermittlungspflicht nicht ausreichend nachge-
kommen sei; denn eine ordnungsgemäße Rüge eines Verstoßes gegen § 86 VwGO
setzt voraus, dass Beweismittel angeführt werden, deren Heranziehung sich dem
Berufungsgericht hätte aufdrängen müssen, und dass angegeben wird, inwiefern das
Urteil im Einzelnen auf der unterbliebenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr;
vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 3. Dezember 1991, a.a.O.). Zwar beruft
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die Beschwerde sich - wie der Kläger schon im Berufungsverfahren - auf die von ihm
eingeholten Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und
Psychotherapie Dr. S. vom 24. März 2003 (Bl. 166/178 der Akten) sowie des Ner-
venarztes und Psychoanalytikers Dr. M. vom 20. Mai 2003 (Bl. 179/180 der Akten),
um der Begründung durch den Verwaltungsgerichtshof entgegenzutreten, er (der
Kläger) habe "keine Gesichtspunkte angeführt, dass ihm lediglich durch die Fortset-
zung der eingeleiteten Therapie angemessen hätte geholfen werden können" (S. 6
unten des Berufungsurteils). Eine solche Schlussfolgerung wird von diesen Gutach-
ten, deren Ergebnis die Beschwerde dahingehend wiedergibt, "beide (Gutachter hät-
ten) die Therapie als erfolgreich (beurteilt)" (S. 15 der Beschwerdebegründung), je-
doch nicht getragen; denn sie verhalten sich - ungeachtet der Bewertung des Thera-
pieerfolges - nicht zu der für das Berufungsgericht aus materiellrechtlicher Sicht ent-
scheidenden Frage, ob diese Therapie in Anbetracht "anderer geeigneter Therapie-
formen" (S. 7 unten des Berufungsurteils) im Sinne des Gesetzes "geboten" ist.
Die wiederholten Rügen der Beschwerde, das Berufungsgericht habe
eine nur "mangelhafte Aktenkenntnis" gehabt (S. 19, 26 der Beschwerdebegrün-
dung), die Gutachten der Dres. S. und M. seien unberücksichtigt geblieben (S. 9, 15,
21, 23, 24 der Beschwerdebegründung), tragen die Behauptung einer Verletzung
rechtlichen Gehörs ebenfalls nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Gutachten
zur Kenntnis genommen; denn sie sind im Urteilstatbestand ausdrücklich erwähnt
(siehe S. 4 unten des Berufungsurteils), so dass davon auszugehen ist, dass die vom
Gericht bei seiner Entscheidungsfindung auch erwogen worden sind. Auch unter dem
Gesichtspunkt einer Sachaufklärungsrüge - sollte das Beschwerdevorbringen denn
dahin verstanden werden können - kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verholfen
werden; denn sie trägt nicht vor, dass der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage
dieser Gutachten oder aus sonstigen Gründen das von ihm herangezogene
Gutachten des Psychiaters Dr. P. von 1997 (siehe S. 6 f. des Berufungsurteils) als
untaugliches Beweismittel hätte behandeln müssen und deswegen nicht berück-
sichtigen dürfen.
Soweit die Beschwerde rügt, "von Seiten der Gerichte (sei) nicht über-
prüft worden, ob tatsächlich die vom Beklagten behaupteten ernstzunehmenden Hil-
feangebote vorlagen" (S. 17 der Beschwerdebegründung), liegt auch darin keine
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Rüge eines Gehörsverstoßes, sondern allenfalls eine Rüge unzureichender Sach-
verhaltsermittlung. Selbst wenn dem Beschwerdevorbringen eine solche Rüge zu
entnehmen sein sollte, wäre sie auch im vorliegenden Zusammenhang nach den o.g.
Maßstäben als Sachaufklärungsrüge nicht ordnungsgemäß erhoben. Der Verwal-
tungsgerichtshof hat seinen Hinweis auf alternative Hilfeangebote nicht nur auf das
vom Kläger für unmaßgeblich gehaltene Gutachten des Psychiaters Dr. P. gestützt,
sondern zusätzlich damit begründet, eine Behandlung des Klägers komme außer in
der vom Beklagten vorgeschlagenen, vom Kläger aber nicht für geeignet gehaltenen
Klinik auch "in einer anderen, beispielsweise der von ihm (dem Kläger) im Schriftsatz
vom 16. Februar 2005 genannten Klinik für sog. Borderline-Patienten" (S. 7 des Be-
rufungsurteils) in Betracht. Daher durfte die Vorinstanz schon nach dem eigenen
Vorbringen des Klägers davon ausgehen, dass die von ihm gewählte nicht die einzi-
ge für ihn geeignete Therapieform sei. Bei dieser Sachlage brauchten sich dem Ver-
waltungsgerichtshof Ermittlungen hinsichtlich der Eignung einer klinischen Behand-
lung des Klägers nicht aufzudrängen. Außerdem hatte der Kläger in der mündlichen
Berufungsverhandlung klargestellt, dass er schriftsätzlich gestellte Beweisanträge
nicht in der mündlichen Verhandlung stelle (S. 2 der Sitzungsniederschrift vom
16. Februar 2005).
Mit der Rüge, das Berufungsgericht habe wegen eines Antrags des
Therapeuten des Klägers, dessen Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu ent-
ziehen, eine "Fortsetzung der bestehenden Therapie (als) ungeeignet" unterstellt,
obwohl dafür "aus den Akten keinerlei Grundlage ersichtlich" und dieser Gesichts-
punkt auch "weder in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht noch vor dem
VGH erörtert" worden sei (S. 5 der Beschwerdebegründung), greift die Beschwerde
eine Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs an, die für diesen ersichtlich nicht selb-
ständig entscheidungstragend war (S. 7 des Berufungsurteils: "darüber hinaus") und
die schon deswegen zu denjenigen Erwägungen im Rahmen der Sachverhaltswürdi-
gung gehört, zu denen die Beteiligten nicht aufgrund des Grundsatzes rechtlichen
Gehörs vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten haben muss-
ten.
Weder der Grundsatz des rechtlichen Gehörs noch die gerichtliche
Pflicht zur Amtsermittlung betreffen sodann die Rügen der Beschwerde, der Verwal-
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tungsgerichtshof habe paradoxerweise die Berufung "mit dem Hinweis (zurückge-
wiesen), dass erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit (der) Therapie (des Therapeu-
ten B.) bestehen würden", habe sich dabei aber auf das vom Kläger angegriffene
Gutachten des Dr. P. vom 11. Oktober 1999 gestützt, welches das Gericht selbst für
irrelevant gehalten habe (vgl. S. 23 der Beschwerdebegründung). Damit wendet die
Beschwerde sich ohne Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes gegen die
Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts.
Dasselbe gilt für das Vorbringen der Beschwerde, die "Darstellungen
der Therapie des Klägers (durch den Gutachter Dr. P. in dessen Gutachten vom
11. Oktober 1999 entspreche) nicht den Tatsachen bzw. (stellte) diese so verzerrt
dar, dass sie keine sachliche Grundlage für eine Beurteilung der Therapie des Klä-
gers mehr (böten)" (S. 9 der Beschwerdebegründung). Die Bedeutung dieses Gut-
achtens für die Beurteilung der Therapieeignung hat die Vorinstanz im Übrigen aus-
drücklich offen gelassen, weil aus seiner Sicht "maßgebend allein (war), ob die vom
Kläger begehrte Hilfe geboten im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 5 SGB VIII ist" (S. 6
Mitte des Berufungsurteils). Die Rüge, "der Beklagte (habe) das unsachliche Gutach-
ten des Herrn Dr. P. vom 11.10.1999 ungeprüft (übernommen)" (S. 10 der Be-
schwerdebegründung), "die exklusive Abhängigkeit des Beklagten vom Gutachten
von Herrn Dr. P." zeige sein "unsachgemäßes Vorgehen" (S. 12 der Beschwerdebe-
gründung), das Gutachten sei "ohne Anhörung des Klägers und seines Therapeuten
… erstellt" worden (S. 10 der Beschwerdebegründung), gelten ohnehin nicht dem
gerichtlichen Verfahren. Auch die weiteren Angriffe der Beschwerde auf die tatsäch-
lichen Feststellungen des Gerichts, auf deren Würdigung, auf die Beweiswürdigung
sowie das Unterbleiben der Auseinandersetzung mit Behauptungen des Klägers sind
Angriffe auf die Rechtsfindung, nicht aber auf das prozessuale Verfahren, die einen
Verfahrensmangel nicht begründen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Juni
1970 - BVerwG 6 B 22.69 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 62; BVerwG, Urteil vom
19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272 f.>; BVerwG, Be-
schluss vom 24. September 2004 - BVerwG 8 B 44.04 -; BVerwG, Beschluss vom
24. Juni 2005 - BVerwG 8 B 100.04 -). Auch sonst liegt eine Verletzung rechtlichen
Gehörs nicht darin, dass das Gericht aus der Beweisaufnahme im Rahmen der Be-
weiswürdigung andere Schlüsse gezogen hat, als ein Beteiligter sie für geboten hält
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(stRspr BVerwG, s. etwa Beschluss vom 13. März 2003 - BVerwG 5 B 267.02 -; Be-
schluss vom 4. April 2005 - BVerwG 5 B 24.05 -).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halb-
satz 2 VwGO abgesehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO,
die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
Dr. Säcker Dr. Rothkegel Prof. Dr. Berlit