Urteil des BVerwG vom 28.10.2002

Rechtliches Gehör, Gespräch, Reisekosten, Eltern

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BESCHLUSS
BVerwG 5 B 225.02
OVG 2 A 5063/99
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Oktober 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Oberverwal-
tungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 26. April 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vorgetragenen Gründe
rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
1. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers zu 1
auf Erteilung eines Aufnahmebescheides sowie der Kläger zu 2
bis 5 auf Einbeziehung im Wesentlichen mit der Begründung ver-
neint, der Kläger zu 1, dessen Eltern deutscher Volkszugehö-
rigkeit sind und seit Juni 1991 im Bundesgebiet leben, erfülle
nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG (in
der bis zum 6. September 2001 geltenden Fassung). Es könne
nicht festgestellt werden, dass ihm bestätigende Merkmale wie
Sprache, Erziehung und Kultur vermittelt worden seien. Nament-
lich sei nicht festzustellen, dass der zweisprachig aufgewach-
sene Kläger die deutsche Sprache bis zur Selbständigkeit als
bevorzugte Umgangssprache gesprochen habe und er zum gedachten
Zeitpunkt der Ausreise über Sprachkenntnisse verfüge, die es
ihm ermöglichten, die deutsche Sprache als bevorzugte Umgangs-
sprache zu gebrauchen. Das Verwaltungsgericht hat seine Über-
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zeugung auf die Angaben des Klägers zu 1 im Ergänzungsbogen
zum Aufnahmeantrag sowie die Niederschriften der am 26. Sep-
tember 1996 und 9. August 1999 im Generalkonsulat der Bundes-
republik Deutschland durchgeführten Sprachtests gestützt.
Mit der Berufung hatten die Kläger das erstinstanzliche Vor-
bringen wiederholt und vertieft, dass der Kläger zu 1 bis zu
seinem 16. Lebensjahr in seinem Elternhaus Deutsch in Dialekt-
form gesprochen habe und seine Sprachkenntnisse auch derzeit
hinreichten, ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache mit
ihm zu führen. Die entgegenstehende Bewertung der Sprachtester
sei bereits nach den Niederschriften über die Sprachtests
nicht nachvollziehbar und vernachlässige die Dialektfärbung;
eine weiter gehende Vermittlung der deutschen Sprache sei sei-
nerzeit wegen der Verhältnisse im Herkunftsgebiet nicht mög-
lich oder zumutbar gewesen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Ansprüche der Kläger auf
der Grundlage der inzwischen geltenden Gesetzesfassung des
Spätaussiedlerstatusgesetzes vom 30. August 2001 (BGBl I
S. 2266) mit der Begründung verneint, es könne nicht festge-
stellt werden, dass der Kläger zu 1 in der Lage sei, zumindest
ein einfaches Gespräch auf deutsch zu führen (§ 6 Abs. 2
Satz 3 BVFG F. 2001). Der Kläger zu 1 selbst habe im Aufnahme-
verfahren angegeben, er verstehe Deutsch wenig und spreche nur
einzelne Wörter. Die Bewertung der beiden Sprachtests, dass
mit dem Kläger zu 1 - und sei es auch nur mit einfachen
sprachlichen Mitteln - ein Gespräch in Dialogform unter Ver-
wendung vollständiger Sätze nicht zu führen sei, sei anhand
der Niederschriften nachvollziehbar. Die Protokollierung der
Antworten lasse erkennen, dass der Kläger zu 1 erhebliche
Probleme habe, sich in Deutsch auszudrücken; seine Antworten
seien zum Teil sehr zögerlich, vielfach nur in einfachen Sät-
zen oder kurzen Satzfragmenten gekommen, allenfalls ansatzwei-
se habe er einfache Sätze gebildet. Weiter gehende Feststel-
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lungen könnten im Berufungsverfahren nicht getroffen werden.
Der Kläger zu 1 habe die Möglichkeit, seine Sprachkenntnisse
dem Senat unmittelbar anschaulich zu machen, nicht wahrgenom-
men. An dem Termin zur mündlichen Verhandlung habe er ohne zu-
reichenden Grund nicht teilgenommen, obwohl in der seinen Pro-
zessbevollmächtigten zugestellten Ladung ausdrücklich darauf
hingewiesen worden sei, dass der Senat von seiner persönlichen
Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ausgehe. Die Erklärung
des Prozessbevollmächtigten für das Fernbleiben des Klägers
zu 1 überzeuge nicht. Es sei schon nicht hinreichend dargelegt
und glaubhaft gemacht, dass der Kläger zu 1 sich überhaupt um
die Erteilung des notwendigen Visums bemüht habe, das nach den
Erfahrungen des Senats regelmäßig bei Vorlage einer mit dem
Zusatz versehenen Ladung erteilt werde, die persönliche Teil-
nahme an der mündlichen Verhandlung sei ratsam bzw. der Senat
gehe von der persönlichen Teilnahme aus. Die Einlassung, es
sei dem Kläger zu 1 aufgrund seiner wirtschaftlichen Ver-
hältnisse nicht möglich gewesen, an der mündlichen Verhandlung
teilzunehmen, genüge nicht, um das Fernbleiben hinreichend zu
entschuldigen. Der Kläger zu 1 habe erstmals mit am 13. März
2002 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz,
also einen Monat nach Zugang der Ladung bei den Prozessbevoll-
mächtigten, einen Antrag auf Gewährung eines Reisekostenvor-
schusses in Höhe von 700 € gestellt; diesem Antrag seien indes
nachvollziehbare, auf den Kläger zu 1 konkret bezogene Darle-
gungen und Belege zur Höhe der voraussichtlichen Reisekosten
ebenso wenig beigefügt gewesen wie eine Erklärung über die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Auf die rich-
terliche Verfügung vom 13. März 2002 hin, dass es der Vorlage
einer solchen Erklärung sowie einer Konkretisierung der gel-
tend gemachten Reisekosten bedürfe, sei mit Schriftsatz vom
15. April 2002 lediglich eine Erklärung über die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt worden, nicht aber
eine Konkretisierung der notwendigen Reisekosten erfolgt. Von
einem Kläger, dem die Teilnahme an einer mündlichen Verhand-
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lung wegen fehlender eigener finanzieller Mittel nicht möglich
sei, könne aber im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungs-
pflichten erwartet werden, dass er sich rechtzeitig um die Be-
willigung von Prozesskostenhilfe und/oder einen eventuellen
Reisekostenvorschuss bemühe und seine wirtschaftlichen Ver-
hältnisse in der prozessual erforderlichen Form darlege. Von
einer rechtzeitigen und ausreichenden Mitwirkung der Kläger,
die auch keine nähere Erklärung für die unzureichende zeitli-
che und inhaltliche Behandlung der Angelegenheit im Verfahren
abgegeben hätten, könne hier aber nicht gesprochen werden. Die
fehlende Mitwirkung der Kläger gehe insoweit zu ihren Lasten,
als dadurch eine weitere Aufklärung der aktuellen Deutsch-
kenntnisse des Klägers zu 1 nicht möglich sei; für eine Verta-
gung bestehe kein Anlass, zumal die Kläger in der Ladung aus-
drücklich darauf hingewiesen worden seien, dass ein Nichter-
scheinen gegebenenfalls auch zu ihren Lasten gewertet werden
könne.
Für die hilfsweise beantragte Vernehmung des Vaters, der Mut-
ter und des Bruders des Klägers zu 1 bestehe kein Anlass, weil
diese Beweisanträge trotz Belehrung über die Möglichkeit einer
Zurückweisung erst nach Ablauf der durch richterliche Verfü-
gung nach § 87 b Abs. 2 VwGO gesetzten Frist und damit verspä-
tet gestellt worden seien, die benannten Zeugen im Termin zur
mündlichen Verhandlung auch nicht an Gerichtsstelle anwesend
gewesen seien und ihre Vernehmung daher nur nach einer Verta-
gung möglich gewesen wäre. Zudem handele es sich nicht um ein
ordnungsgemäßes Beweisangebot, weil den Beweisangeboten nicht
zu entnehmen sei, welche Angaben die Zeugen aufgrund welcher
Umstände zu den unter Beweis gestellten Tatsachen hätten ma-
chen können.
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 4 BVFG lägen nicht
vor, weil nach der auch den Prozessbevollmächtigten der Kläger
bekannten, auf umfangreiche Gutachten und Stellungnahmen ge-
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stützten Rechtsprechung des Senats eine Vermittlung der deut-
schen Sprache grundsätzlich möglich gewesen sei. Anhaltspunkte
dafür, dass hier ausnahmsweise etwas anderes gelten könne,
seien von den Klägern nicht substantiiert vorgetragen und auch
dem gestellten Hilfsbeweisantrag nicht zu entnehmen, so dass
kein Anlass bestanden habe, Beweis durch Einholung eines (wei-
teren) Sachverständigengutachtens zu erheben. Da die Eltern
des Klägers zu 1 das Aussiedlungsgebiet bereits vor dem
1. Januar 1993 verlassen hätten, bestehe nach dem anzuwenden-
den, zum 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Kriegsfolgenbe-
reinigungsgesetz auch kein Anspruch der Kläger zu 1 sowie 3
bis 5 auf (nachträgliche) Einbeziehung in den den Eltern des
Klägers zu 1 erteilten Aufnahmebescheid; mangels Feststel-
lungsinteresses sei der hieran anknüpfende, hilfsweise ge-
stellte Feststellungsantrag (betreffend die Verpflichtung der
Beklagten, den Klägern bis zum 31. Dezember 1992 einen Aufnah-
mebescheid zu erteilen) unzulässig.
2. Die Revision kann nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen
grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden. Die Beschwerde
verweist lediglich auf einen in den Urteilen des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 12. März 2002 - BVerwG 5 C 2.01 - und
- BVerwG 5 C 28.01 - vermeintlich klargestellten weiteren Auf-
klärungsbedarf "zur Klärung des Bedeutungsinhalts der Fikti-
onsnormen ... sowohl hinsichtlich der Vermittlung der Bestäti-
gungsmerkmale als auch der Problematik der Unmöglichkeit des
Bekenntnisses". Damit ist eine bestimmte, grundsätzlicher Klä-
rung bedürftige oder zugängliche entscheidungserhebliche
Rechtsfrage nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO genügenden Weise bezeichnet.
3. Entscheidungserhebliche Verfahrensfehler i.S. des § 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat die Beschwerde ebenfalls nicht aufge-
zeigt.
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a) Es begründet keinen Verfahrensverstoß unter Gesichtspunkten
des Gebots effektiver Rechtsschutzgewähr, des Prinzips der Un-
mittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO), des Anspruchs
auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 138
Nr. 3 VwGO) oder des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1
VwGO), dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers zu 1
auf Erteilung eines Aufnahmebescheides aufgrund der im Verwal-
tungsverfahren gemachten eigenen Angaben des Klägers sowie der
Ergebnisse der beiden Sprachtests abgelehnt hat, weil es dem
Kläger zu 1 an der Fähigkeit mangele, ein einfaches Gespräch
auf Deutsch zu führen.
Das Berufungsgericht hat sich ausweislich der Entscheidungs-
gründe entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht zuletzt auf-
grund der in den Niederschriften zu den Sprachtests enthalte-
nen tatsächlichen Feststellungen erkennbar eine eigene Über-
zeugung dahin gebildet, dass es dem Kläger zu 1 an der Fähig-
keit mangele, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen,
und nicht lediglich die zusammenfassende Bewertung des Sprach-
vermögens des Klägers zu 1 übernommen. Das Berufungsgericht
konnte diese Niederschriften für seine Entscheidungsfindung
verwenden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 1999
- BVerwG 5 B 4.99 -). Der sinngemäß erhobenen Rüge, diese sei-
en wegen den Sprachtestern auferlegter "Durchfallquoten" nicht
verwertbar, ist schon mangels Substantiierung dieser Behaup-
tung, deren nähere Begründung in der Beschwerde lediglich an-
gekündigt wird, nicht nachzugehen. Der Umstand, dass diese
Sprachtests durch das Generalkonsulat Nowosibirsk der Beklag-
ten durchgeführt und dort auch die Niederschriften erstellt
worden sind, rechtfertigt nicht, die in den Niederschriften
festgehaltenen tatsächlichen Erkenntnisse zum Sprachvermögen
des Klägers zu 1 in Zweifel zu ziehen; dass die Niederschrif-
ten den Gesprächsverlauf nicht zutreffend wiedergegeben hät-
ten, haben die Kläger substantiiert nicht dargetan. Die Kläger
hatten auch hinreichend Gelegenheit, sich zu den Niederschrif-
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ten zu äußern, von der sie im Übrigen auch Gebrauch gemacht
haben. Die Niederschriften sind den Klägern auch nicht unter
Verletzung des Gebotes, rechtliches Gehör zu gewähren, vorent-
halten worden; zur Niederschrift des Sprachtests vom 26. Sep-
tember 1996 ist den Prozessbevollmächtigten der Kläger Akten-
einsicht gewährt worden, die Niederschrift des Sprachtests vom
9. August 1999 ist diesen mit richterlicher Verfügung vom
26. August 1999 übermittelt worden. Soweit die Kläger sich ge-
gen die Bewertung der in den Niederschriften enthaltenen tat-
sächlichen Feststellungen zum Sprachvermögen des Klägers zu 1
durch die Vorinstanzen wenden, kann mit diesen Angriffen ein
Verfahrensmangel grundsätzlich nicht begründet werden; die
Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist grundsätzlich dem sach-
lichen Recht zuzurechnen (BVerwG, Beschlüsse vom 2. November
1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 =
NVwZ-RR 1996, 359 und vom 5. Januar 2000 - BVerwG 6 B 52.99 -
Buchholz 448.0 § 1 WPflG Nr. 24 m.w.N.; Beschluss vom 22. Juni
2001 - BVerwG 5 B 93.00 -).
b) Das Berufungsgericht hat seine Aufklärungspflicht auch
nicht dadurch verletzt, dass es den Kläger zu 1 zu seinem
Sprachvermögen nicht persönlich angehört hat. Das Berufungsge-
richt konnte seine Bewertung, der Kläger zu 1 sei im Zeitpunkt
der Aussiedlung aufgrund einer familiären Vermittlung der
deutschen Sprache nicht in der Lage, ein einfaches Gespräch
auf Deutsch zu führen, aufgrund der in den Niederschriften zu
den Sprachtests enthaltenen tatsächlichen Feststellungen tref-
fen. Die Kläger sind nicht in substantiierter Weise diesen
tatsächlichen Feststellungen selbst, sondern lediglich deren
Bewertung entgegengetreten; namentlich ist weder eine fehler-
hafte Protokollierung des Verlaufes der Sprachtests geltend
gemacht noch sind substantiiert Umstände bezeichnet worden,
aus denen sich ergeben könnte, dass bei diesen Sprachtests we-
gen besonderer Umstände das Sprachvermögen des Klägers zu 1
nicht zutreffend ermittelt worden wäre und dieser tatsächlich
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"mehr deutsche Sprachkenntnisse gehabt hat als im bisherigen
Verfahren festgestellt wurde"; dabei hat das Berufungsgericht
ausweislich des Tatbestandes ersichtlich auch das Vorbringen
der Kläger zur Kenntnis genommen, die Bewertung der Sprachtes-
ter, der Kläger zu 1 könne kein einfaches Gespräch in Deutsch
führen, entspreche nicht den Tatsachen. Das Berufungsgericht
musste sich daher auch nicht aufdrängen, den Sachverhalt durch
Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers zu 1 weiter
aufzuklären, um sich einen unmittelbaren Eindruck seiner
Sprachkenntnisse zu verschaffen. Keine andere Beurteilung
rechtfertigen der Zusatz zur Ladung, der Senat gehe davon aus,
dass der Kläger zu 1 persönlich an dem Termin teilnehme, sowie
der Umstand, dass das Berufungsgericht die nach seiner Beur-
teilung unzureichende Mitwirkung des Klägers zu 1 insoweit zu
dessen Lasten gewertet hat, "als dadurch eine weitere Aufklä-
rung der aktuellen Deutschkenntnisse des Klägers zu 1 nicht
möglich (gewesen) ist". Dies weist nicht darauf, dass das Be-
rufungsgericht an sich die Notwendigkeit gesehen hätte, den
Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären, und hiervon le-
diglich wegen der von ihm angenommenen Verletzung der Mitwir-
kungspflicht des Klägers zu 1 abgesehen hat; einer solchen Be-
wertung steht entgegen, dass das Berufungsgericht von der dann
an sich nahe liegenden Anordnung des persönlichen Erscheinens
gerade abgesehen und auch durch die richterliche Verfügung vom
13. März 2002 zu erkennen gegeben hat, dass keine Notwendig-
keit einer weiteren Sachaufklärung von Amts wegen bestehe, und
zwar auch nicht durch Vernehmung der im ersten Rechtszug zur
familiären Vermittlung von Sprache und Kultur und dem überwie-
genden Gebrauch der deutschen Sprache in der Familie des Klä-
gers zu 1 benannten Zeugen. Die bloß abstrakte Möglichkeit,
dass der Kläger zu 1 bei einer persönlichen Anhörung dem Beru-
fungsgericht unmittelbar anschaulich hätte machen können, dass
sein aktuelles Sprachvermögen tatsächlich hinreiche, ein ein-
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faches Gespräch auf Deutsch zu führen, reicht nicht aus, um
einen Verfahrensmangel zu begründen.
d) Das Berufungsgericht hat durch seine Bewertung, der Kläger
zu 1 habe ohne hinreichenden Grund an dem Termin zur mündli-
chen Verhandlung nicht teilgenommen, auch den Anspruch der
Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt. Wird
- wie im Berufungsrechtszug nach § 67 VwGO geboten - eine Par-
tei durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist zur Gewährung
rechtlichen Gehörs, und zwar unabhängig von etwaigen Zusätzen
in der Ladung, ihre Anwesenheit im Termin zur mündlichen Ver-
handlung grundsätzlich nicht erforderlich, weil ihre Rechte in
dem erforderlichen Umfang durch den Prozessbevollmächtigten
wahrgenommen werden können; das bloße Anwesenheitsinteresse
eines Klägers ist durch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör
nicht geschützt (BVerwG, Urteil vom 31. Mai 1990 - BVerwG 7 CB
31.89 - NJW 1990, 2079; Beschluss vom 4. August 1998 - BVerwG
7 B 127.98 -). Die Beschwerde gibt dabei keinen Anlass zur ab-
schließenden Klärung der Frage, ob bzw. inwieweit eine andere
Beurteilung dann angezeigt ist, wenn das Interesse eines Be-
teiligten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung über das
bloße Anwesenheitsinteresse deswegen hinausgeht, weil und so-
weit die durch das rechtliche Gehör vermittelte Einwirkung auf
die Entscheidungsfindung des Gerichts nur durch den persönli-
chen Eindruck, eine informatorische Anhörung oder die Partei-
vernehmung erfolgen und diese nicht durch die Prozessbevoll-
mächtigten ersetzt werden kann. Denn der Anspruch auf Gewäh-
rung rechtlichen Gehörs findet seine Grenze dort, wo der Be-
troffene die ihm gebotene Gelegenheit, sich zu äußern, nicht
wahrnimmt (vgl. BVerfGE 5, 9 <10>; 79, 80 <83>).
Das Berufungsgericht hat - wenn auch unter dem Aspekt der feh-
lenden Mitwirkung des Klägers zu 1 - im Ergebnis rechtsfehler-
frei dargelegt, dass der Kläger zu 1 von der ihm mit der La-
dung gebotenen Möglichkeit, das Gericht durch sein persönli-
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ches Erscheinen von seinen Sprachfähigkeiten zu überzeugen,
keinen Gebrauch gemacht und auch nicht substantiiert dargelegt
und glaubhaft gemacht hat, dass er aus von ihm nicht zu ver-
tretenden Gründen gehindert gewesen wäre, der unter Hinweis
auf die möglichen Folgen eines Ausbleibens vorgenommenen La-
dung zur mündlichen Verhandlung nachzukommen. Es bedarf keiner
Entscheidung, ob diese Bewertung bereits dadurch getragen
wird, dass nicht dargetan ist, dass der Kläger zu 1 sich über-
haupt um die Erteilung eines Visums bemüht hätte, ohne das er
nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet hätte einreisen und an
der mündlichen Verhandlung teilnehmen können; rechtsirrig ist
jedenfalls das Vorbringen der Beschwerde, es sei einem im Aus-
land lebenden Beteiligten nicht zuzumuten, sich "ins Blaue
hinein" um ein Visum zu bemühen, "ohne dass ihm, wenn er hie-
rauf einen Anspruch hat, Prozesskostenhilfe mit einem entspre-
chenden Kostenvorschuss bewilligt wird". Dass der Kläger zu 1
auch geltend gemacht hatte, es sei ihm aufgrund seiner wirt-
schaftlichen Verhältnisse nicht möglich, die notwendigen Rei-
sekosten zur Anreise zur mündlichen Verhandlung aufzubringen,
wäre nur dann für die Nichtteilnahme an der mündlichen Ver-
handlung kausal, wenn feststünde, dass der Kläger zu 1 bei
rechtzeitiger Gewährung eines Vorschusses für die Reisekosten
(rechtzeitig) ein solches Visum hätte erlangen und auch sonst
die Anreise organisieren können. Dies folgt nicht bereits aus
dem nicht glaubhaft gemachten Vorbringen des Klägers zu 1, bei
einer Gewährung eines Reisekostenvorschusses wäre ihm dies
binnen 10 Tagen gelungen, welches zudem im Gegensatz zu dem
Schreiben der Eltern des Klägers zu 1 vom 16. April 2002
steht, es sei ihnen auch zeitlich nicht möglich, bis zum Ter-
minstage (dem 26. April 2002) alle Formalitäten zu erledigen.
Jedenfalls aus dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs
folgt kein Anspruch eines anwaltlich vertretenen Klägers da-
rauf, dass ihm die persönliche Teilnahme an einer mündlichen
Verhandlung ermöglicht wird. Art. 103 Abs. 1 GG oder Art. 6
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EMRK gebieten nicht, einen Verfahrensbeteiligten dadurch wirt-
schaftlich in die Lage zu versetzen, seinen prozessrechtlichen
Anspruch auf persönliche Teilnahme an einer mündlichen Ver-
handlung auch realisieren zu können, dass Mittel für die An-
reise zu dieser bereitgestellt werden. Die grundgesetzlich ge-
botene weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten
und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes
(vgl. BVerfGE 9, 124; 10, 264 <270>; 22, 83 <87>; 51, 295
<302>; 63, 380 <394>; 67, 245 <248>; 78, 104 <117 f.>) wurzelt
nicht in Art. 103 Abs. 1 GG, sondern ergibt sich aus Art. 3
Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in
Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den
Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19
Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet, mithin in sachli-
chem Recht. Er ist bundesgesetzlich durch den Anspruch auf Ge-
währung von Prozesskostenhilfe (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff.
ZPO) konkretisiert, die allerdings die Anreise eines Verfah-
rensbeteiligten, der nach seinen wirtschaftlichen Verhältnis-
sen die Reisekosten nicht aufzubringen vermag, nicht erfasst.
Soweit für die im Erlasswege auf Länderebene geregelten Mög-
lichkeiten, einem mittellosen Beteiligten die Teilnahme an ei-
ner mündlichen Verhandlung durch Bewilligung eines Reisekos-
tenvorschusses zu ermöglichen, die Vorschriften über die Be-
willigung von Prozesskostenhilfe entsprechend heranzuziehen
sind (BVerwG, Beschluss vom 19. Februar 1997 - BVerwG 3 PKH
1.97 - Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 37; BGH, Beschluss vom
19. März 1975 - IV ARZ (VZ) 29/74 - NJW 1975, 1124), ergäbe
sich hier ebenfalls nichts für einen mit der Verfahrensrüge
angreifbaren Rechtsverstoß. Das Berufungsgericht hat hier den
sinngemäß gestellten Antrag der Kläger auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe vom 24. April 2002 durch unanfechtbaren Be-
schluss vom 25. April 2002 abgelehnt, weil die Berufung der
Kläger nach dem gegenwärtigen Sachstand keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg biete; dass das Berufungsgericht diese Be-
gründung nicht auch auf die Anlehnung des Antrages auf Bewil-
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ligung eines Reisekostenvorschusses für den Kläger zu 1 er-
streckt, sondern insoweit auf die nicht hinreichend spezifi-
zierte Darlegung der voraussichtlichen Höhe der notwendigen
Reisekosten abgestellt hat, ist deswegen unerheblich, weil
sich diesem Beschluss mit der erforderlichen Klarheit entneh-
men lässt, dass selbst dann, wenn die Darlegung zu den voraus-
sichtlichen Reisekosten als hinreichend zu erachten gewesen
wäre, dem Kläger zu 1 ein Reisekostenvorschuss jedenfalls von
Bundesrechts wegen nicht zu bewilligen gewesen wäre.
e) Soweit die Beschwerde die Zurückweisung des in der mündli-
chen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrages, die Eltern
des Klägers zu 1 sowie dessen Bruder als Zeugen zum Beweis der
Tatsache zu vernehmen, dass dem Kläger zu 1 die deutsche Spra-
che innerhalb der Familie vermittelt wurde und er auch heute
noch dazu in der Lage sei, ein einfaches Gespräch in Deutsch
zu führen, mit der Aufklärungsrüge und der Gehörsrüge an-
greift, kann dahinstehen, ob die Kläger die ihnen unter Frist-
setzung durch das Berufungsgericht gegebene Gelegenheit, zu
bestimmten Vorgängen Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu
benennen (§ 87 b Abs. 2 Nr. 1 VwGO) in Bezug auf die Verneh-
mung des Vaters des Klägers zu 1 fristgerecht in einer Weise
wahrgenommen haben, die einer Heranziehung von Absatz 3 jener
Vorschrift entgegengestanden hätte. Jedenfalls mit der selb-
ständig tragenden Begründung, dass den Beweisangeboten nicht
zu entnehmen sei, welche Angaben die Zeugen aufgrund welcher
Umstände zu den unter Beweis gestellten Tatsachen machen könn-
ten, es sich mithin auch nicht um ein ordnungsgemäßes Beweis-
angebot gehandelt habe, findet die Nichtberücksichtigung jener
Beweisangebote in Bezug auf die hier aus der maßgeblichen
Sicht des Berufungsgerichts entscheidungserheblichen Frage des
aktuellen Sprachvermögens im Prozessrecht eine hinreichende
Stütze. Namentlich sind die Anforderungen an die Pflicht zur
Substantiierung von auf die Erhebung von Zeugenbeweis gerich-
teter Anträge nach § 98 VwGO, § 373 ZPO nicht überspannt. Die-
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se bezieht sich zum einen auf das Beweisthema, also die Be-
stimmtheit der Beweistatsachen und deren Wahrheit, und zum an-
deren darauf, welche einzelnen Wahrnehmungen der angebotene
Zeuge in Bezug auf das Beweisthema (also in Bezug auf die Be-
weistatsachen oder auf die zu deren Ermittlung dienenden
Hilfstatsachen oder Indiztatsachen) selbst gemacht haben soll
(vgl. Dawin, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 86
Rn. 92 ff. und BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C
598.82 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 2 = InfAuslR 1983,
185; Beschluss vom 9. August 1993 - BVerwG 5 B 1.93 - ;
Beschluss vom 25. Januar 1988 - BVerwG 7 CB 81.87 - Buchholz
310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 = NJW 1988, 1746; Urteil vom
26. April 1988 - BVerwG 9 C 271.86 - Buchholz 310 § 60 VwGO
Nr. 155; Beschluss vom 20. Juli 1998 - BVerwG 9 B 10.98 -
Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 39 = DVBl 1999, 100; Be-
schluss vom 3. Juli 1998 - BVerwG 9 B 1204.97 - ; Be-
schluss vom 29. Juni 2001 - BVerwG 1 B 131.00 - ). Zu
dieser die Nichterhebung des angebotenen Zeugenbeweises selb-
ständig tragenden Begründung verhält sich das Beschwerdevor-
bringen nicht, das zwar eine hinreichende Bezeichnung des Be-
weisthemas geltend macht, aber ebenfalls keine Umstände dar-
legt, aufgrund derer die bereits im Jahre 1991 ausgereisten
Eltern des Klägers zu 1 und dessen ebenfalls im Bundesgebiet
lebender Bruder Angaben zu der Fähigkeit des Klägers hätten
machen können, im voraussichtlichen Zeitpunkt der Ausreise zu-
mindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können.
Der insoweit von den Klägern herangezogene Beschluss des Bun-
desverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 1999 - BVerwG 5 B
15.99 - rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil er zu der
anders gelagerten Frage der Vernehmung einer "Zeugin vom Hö-
rensagen" ergangen ist.
f) Das Berufungsgericht hat schließlich den Anspruch der Klä-
ger auf Gewährung rechtlichen Gehörs oder seine Aufklärungs-
pflicht nicht dadurch verletzt, dass es auf den hilfsweise ge-
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stellten Beweisantrag der Kläger hin nicht weiteren Sachver-
ständigenbeweis zu den Möglichkeiten und Grenzen der familiä-
ren Vermittlung der deutschen Sprache als Bestätigungsmerkmal
im Aussiedlungsgebiet erhoben hat. Eine solche Aufklärung
drängte sich nach der Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse
im Aussiedlungsgebiet in der ständigen Rechtsprechung des Be-
rufungsgerichts nicht auf. Da diese Rechtsprechung deren Pro-
zessbevollmächtigten bekannt war - diese hatten in dem Verfah-
ren BVerwG 5 B 8.99 ohne Erfolg Beschwerde gegen die Nichtzu-
lassung der Revision in dem insoweit von dem Berufungsgericht
herangezogenen Urteil vom 10. Dezember 1997 - 2 A 4244/94 -
erhoben -, hat das Berufungsgericht insoweit die Kläger auch
offenkundig nicht in einer Weise überrascht, die sich mit de-
ren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108
Abs. 2, § 104 Abs. 1 und § 86 Abs. 3 VwGO) nicht vereinbaren
lässt. Auf diese Rechtsprechung und die dieser zugrunde lie-
genden Gutachten und Stellungnahmen durfte das Berufungsge-
richt hier seine Entscheidung auch ohne ausdrückliche Bezeich-
nung und Einführung dieser Gutachten und Stellungnahmen schon
deswegen stützen, weil bereits das Verwaltungsgericht seine
Entscheidung, ohne einem gleichgerichteten Hilfsbeweisantrag
der Kläger nachzugehen, auf diese Rechtsprechung gestützt hat-
te und dem Berufungsgericht bekannt gewesen ist, dass diese
auch den Klägern bekannt war, die sich die Kenntnis ihrer Pro-
zessbevollmächtigten zurechnen lassen müssen. Dass die bereits
vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen keine hinreichend
sichere Beurteilung der Verhältnisse in dem jeweiligen Aus-
siedlungsgebiet erlaubten, so dass sich die Einholung eines
weiteren Sachverständigengutachten aufdrängte (s. - m.w.N. -
GK-AsylVfG, § 78 Rn. 381 f.), haben die Kläger bereits im Be-
rufungsverfahren ebenso wenig substantiiert dargelegt wie sie
konkrete Anhaltspunkte dafür benannt haben, dass und aus wel-
chen Gründen hier ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte.
Auch die Beschwerde legt nicht dar, was die Kläger anders oder
zusätzlich vorgetragen hätten, wären ihnen die hinsichtlich
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der Bezeichnung und der Bewertung durch das Berufungsgericht
bekannten Gutachten und Stellungnahmen nochmals zugänglich ge-
macht worden; der bloße Hinweis auf die Möglichkeit, "Unstim-
migkeiten nachzuweisen oder sogar die Nichteinschlägigkeit der
Schlussfolgerungen dieser Gutachten im Einzelfall darlegen zu
können" oder "die Gutachter zu befragen oder diese um Erläute-
rung zu bitten", genügt den Darlegungsanforderungen (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO) nicht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 GKG, § 14 Abs. 1 GKG.
Dr. Säcker Dr. Franke Prof. Dr. Berlit