Urteil des BVerwG vom 05.09.2012

Rechtliches Gehör, Vernachlässigung, Vergünstigung, Aufenthalt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 22.12 (5 B 57.11)
VGH 11 B 10.1202
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. September 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Fleuß
beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerinnen gegen den Beschluss
des Senats vom 28. März 2012 - BVerwG 5 B 57.11 - wird
zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
1. Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Der Senat hat den Anspruch der Klä-
gerinnen auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt
(§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
a) Die Rüge, der Senat habe die „zwar komplex formulierte grundsätzlich klä-
rungsbedürftige Frage, ‚ob einen Person, die sich auf die Vertriebeneneigen-
schaft beruft, welche sie gemäß § 7 BVFG a.F. von einem Elternteil erworben
hat, dass behördliche Tätigwerden oder das Verhalten der Behörde, das vo-
rausgesetzt wird, um davon ausgehen zu können, der ständige Aufenthalt wer-
de nicht verweigert, Anspruch darauf hat, dieses Aufnahmeverhalten bzw. den
Aufnahmeakt gegenüber der Behörde, die für die Gewährung von Rechten und
Vergünstigung nach BVFG zuständig ist, geltend machen kann und welche Vo-
raussetzungen hierfür erforderlich sind sowie ob dieser Anspruch gerichtlich
überprüfbar ist’, offenbar nicht zur Kenntnis genommen“, zeigt eine entschei-
dungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs
nicht auf (§ 152a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 VwGO).
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt, wenn das
Gericht dem zur Kenntnis genommenen und in Erwägung gezogenen Vorbrin-
gen nicht folgt, sondern es aus Gründen des materiellen Rechts oder des Pro-
zessrechts unberücksichtigt lässt oder zu einem anderen Ergebnis gelangt, als
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der Beteiligte es für richtig hält (vgl. Beschluss vom 3. Januar 2006 - BVerwG
7 B 103.05 - ZOV 2006, 40). Mithin liegt ein der Anhörungsrüge zum Erfolg ver-
helfender Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs im
Rahmen der Bescheidung einer Nichtzulassungsbeschwerde (auch) dann nicht
vor, wenn das Gericht der Beschwerde wegen Verletzung prozessualer Darle-
gungspflichten den Erfolg versagt (vgl. Beschluss vom 13. Januar 2009
- BVerwG 9 B 64.08 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 372 Rn. 3). Deshalb
erweist sich die mit einer Anhörungsrüge behauptete Verletzung des Anspruchs
auf Gewährung rechtlichen Gehörs als nicht entscheidungserheblich im Sinne
von § 152a Abs. 1 Nr. 2 VwGO, wenn die Begründung der Nichtzulassungsbe-
schwerde nicht den Substanziierungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO genügt (vgl. Beschluss vom 22. Oktober 2008 - BVerwG 9 B 58.08 -
Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 5 Rn. 2). So liegt es hier.
Der Senat hat die hier in Rede stehende Frage von angeblich grundsätzlicher
Bedeutung zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Er ist der Auf-
fassung der Klägerinnen, diese Frage rechtfertige die Zulassung der Revision,
nicht gefolgt, weil die Beschwerde insoweit nicht den Darlegungsanforderungen
des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt und sich deshalb als unzulässig erweist.
Mit der Anhörungsrüge wenden sich die Klägerinnen gegen diese Bewertung.
Damit kann eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf Ge-
währung rechtlichen Gehörs aber nicht begründet werden.
b) Der Senat hat auch im Zusammenhang mit den in dem Beschluss vom
28. März 2012 unter 2. a) und b) aufgeführten Fragen nicht entscheidungser-
heblich gegen den Anspruch der Klägerinnen auf rechtliches Gehör verstoßen.
Er hat das entsprechende Vorbringen der Klägerinnen zur Kenntnis genommen
und in diesem Zusammenhang unter anderem angenommen, diese Fragen
vermöchten eine Revisionszulassung nicht zu rechtfertigen, weil die Klägerin-
nen auch insoweit den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO nicht ausreichend Rechnung getragen hätten. Angriffe gegen diese Be-
urteilung sind - wie dargelegt - nicht geeignet, einer Anhörungsrüge zum Erfolg
zu verhelfen.
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c) Schließlich hat der Senat den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs
auch nicht im Zusammenhang mit den in dem angegriffenen Beschluss unter
2. c) bis f) wiedergegebenen Fragen entscheidungserheblich verletzt.
Diesen Fragen liegt im Kern die Erwägung zugrunde, dass Vertriebene bzw.
deren Abkömmlinge, deren Status vor dem 1. Januar 1993 begründet wurde,
einen Anspruch auf die von den Klägerinnen erstrebte „Gestattung“ außerhalb
des auf Spätaussiedler beschränkten Aufnahmeverfahrens nach den §§ 26 ff.
BVFG haben. Es kann dahinstehen, ob der Senat - wie die Klägerinnen mei-
nen - den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt hat,
dass er angenommen hat, die in Rede stehenden Fragen würden sich in einem
Revisionsverfahren nicht stellen, ohne dass er in diesem Zusammenhang die
deutsche Staatsangehörigkeit der Mutter der Klägerin zu 1 erwähnt hat. Ein sol-
cher Verstoß wäre schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil der Senat
den Fragen selbstständig tragend („Dessen ungeachtet“) auch mit der Begrün-
dung keinen Erfolg beigemessen hat, dass in der Rechtsprechung des Bundes-
verwaltungsgerichts geklärt sei, dass Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 BVFG,
die nach dem 1. Januar 1993 eingereist seien, keinen speziellen vertriebenen-
rechtlichen Anspruch auf Aufnahme außerhalb des Aufnahmeverfahrens hätten
und das Beschwerdevorbringen keinen neuerlichen oder weiteren Klärungsbe-
darf begründe (BA Rn. 8). Diese Erwägung beansprucht unabhängig davon
Geltung, ob die Mutter der Klägerin zu 1 die deutsche Staatsangehörigkeit be-
sitzt, so dass der Beschluss des Senats nicht auf einem etwaigen Gehörsver-
stoß wegen Vernachlässigung dieses Umstandes beruhte. Mithin kann dahin-
stehen, ob ein solcher Verstoß auch deshalb nicht entscheidungserheblich wä-
re, weil die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auch hinsichtlich der
hier interessierenden Fragen von angeblich grundsätzlicher Bedeutung nicht
den Darlegungsanforderungen genügt. Es spricht allerdings ganz Überwiegen-
des dafür, dass es insoweit an einer dem Substanziierungsgebot des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Auseinandersetzung mit den einschlägigen
Erwägungen in dem angegriffenen Urteil und der entsprechenden Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts fehlt.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Vormeier
Dr. Störmer
Dr. Fleuß
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