Urteil des BVerwG vom 20.01.2014

Besondere Härte, Einkünfte, Form, Bedürftigkeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 2.14
OVG 12 A 80/11
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Januar 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Häußler
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Oktober
2013 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
1. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssa-
che gestützte Beschwerde ist unzulässig.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer
Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebli-
che Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und
der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darle-
gungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulie-
rung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisi-
onsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem
die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern
die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht
beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen
kann (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz
310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass
sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die
sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht,
substantiiert auseinandersetzt (vgl. etwa Beschlüsse vom 11. November 2011
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- BVerwG 5 B 45.11 - juris Rn. 3 und vom 8. Juni 2006 - BVerwG 6 B 22.06 -
Buchholz 442.066 § 78 TKG Nr. 1 S. 1 f.). Dem genügt das Beschwerdevor-
bringen nicht.
Die Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 2) hält
„neben der Frage der Beurteilung fiktiver Einkünfte nicht
grundsätzlich zu Unterhaltszahlungen Verpflichteter und
dem Grunde nach, wenn auch nachrangiger Unterhaltsbe-
rechtigter“,
die Frage für rechtsgrundsätzlich bedeutsam,
„ob das Eintreten von Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II zu
einer unangemessenen Heranziehung nach § 34 Abs. 1
SGB VIII bzw. zu einer besonderen Härte nach § 92
Abs. 5 SGB VIII führt. Insbesondere stellt sich die Frage,
ob eine besondere Härte vorliegt, wenn bei Berücksichti-
gung des Kostenbeitrages die Hilfebedürftigkeit nach § 9
SGB II vorliegt.“
Mit dem Aufwerfen dieser Fragen und ihrem weiteren Vorbringen wird die Be-
schwerde den Anforderungen an die Darlegung der Grundsatzbedeutung in
vielfacher Hinsicht nicht gerecht.
Die erste Frage ist - vom Fehlen jeglicher erläuternder Aufbereitung abgese-
hen - schon aus sich heraus nicht verständlich. Die Beschwerde geht zudem
mit dem Verweis auf „fiktive Einkünfte“ von einem Umstand aus, welcher der
angegriffenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts weder in tatsächli-
cher noch in rechtlicher Hinsicht zugrunde liegt. Vielmehr hat das Oberverwal-
tungsgericht im Rahmen der Erörterung des § 93 SGB VIII hervorgehoben,
dass „sowohl die Behörde als auch das Gericht bei der Ermittlung des einkom-
mensbezogenen Sachverhalts einem monatsgetreuen Wirklichkeitsmaßstab
verpflichtet“ seien (UA S. 14).
Eine Grundsatzbedeutung der beiden zusammenhängenden weiteren Fragen,
welche die Auslegung des Begriffs der besonderen Härte im Sinne von § 92
Abs. 5 Satz 1 SGB VIII betreffen, ist ebenfalls nicht dargelegt. Unabhängig da-
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von, ob dieser Begriff wegen seiner Einzelfallbezogenheit überhaupt einer
rechtsgrundsätzlichen Klärung in der vom Kläger angestrebten Weise zugäng-
lich ist, zeigt die Beschwerde bereits nicht schlüssig auf, warum den Fragen
eine fallübergreifende Bedeutung zukommen, sie also über den vorliegenden
Einzelfall hinaus für eine Vielzahl von Fällen bedeutsam sein sollen. Sie ver-
weist vielmehr darauf (Beschwerdebegründung S. 1), dass das Berufungsge-
richt im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Klägers „nicht in ausrei-
chendem Maße die besondere Situation und Bedürftigkeit berücksichtigt“ habe.
Soweit die Beschwerde weiter vorbringt, dass die Heranziehung des Klägers zu
(jugendhilferechtlichen) Kostenbeiträgen letztlich dazu führen würde, dass so-
wohl er als auch die weiteren Familienangehörigen, insbesondere die Ehefrau
und das weitere unterhaltsberechtigte Kind, der Hilfebedürftigkeit nach dem
SGB anheim fielen, ist dies weder schlüssig aufgezeigt worden noch findet es in
den für das Revisionsgericht bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen
des Oberverwaltungsgerichts eine tatsächliche Grundlage.
Dabei legt die Beschwerde auch nicht - wie es erforderlich gewesen wäre - in
hinreichender Weise dar, dass die von ihr in allgemeiner Form formulierten Fra-
gen entscheidungserheblich sind und sich auf der Grundlage der Tatsachen-
feststellungen des Berufungsgerichts so in einem Revisionsverfahren stellen
würden. Dafür spricht schon deshalb nichts, weil das Oberverwaltungsgericht
die vom Kläger geforderte (weitergehende) Annahme einer besonderen Härte
(§ 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII) in tragender Weise mit einzelfallbezogenen Er-
wägungen abgelehnt hat. Es hat im angegriffenen Urteil (UA S. 22) zum einen
ausgeführt, dass eine besondere Härte im hier zu entscheidenden Fall jeden-
falls schon deshalb nicht vorliege, weil der Kläger vom Beklagten wiederholt
darauf hingewiesen worden sei, er könne seine Kostenbeitragslast durch die
Umschreibung des Kindergeldanspruchs auf sich vermindern und, weil er hie-
rauf nicht reagiert habe, eine solche wirtschaftlich unverständliche Untätigkeit
im Ergebnis unter Härtefallgesichtspunkten zu seinen Lasten gehe. Zudem
scheide hier die Annahme einer besonderen Härte aus, weil es der Ehefrau des
Klägers weder unzumutbar noch unmöglich gewesen sei, ihren Lebensunterhalt
durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Mit alledem setzt sich die Be-
schwerde auch nicht bzw. nicht in einer den Darlegungsanforderungen genü-
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genden Weise auseinander. Soweit die Beschwerde neben der besonderen
Härte auf eine unangemessene Heranziehung (wohl nach § 94 Abs. 1 Satz 1
SGB VIII) abstellt, fehlen ebenso jegliche Ausführungen, mit denen darauf
substantiiert eingegangen und eine Grundsatzbedeutung dargelegt wird.
2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2
VwGO abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 188 Satz 2 Halbs. 1
VwGO.
Vormeier
Dr. Störmer
Dr. Häußler
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