Urteil des BVerwG vom 25.02.2005

Grundsatz der Unmittelbarkeit, Scheidung, Rüge, Pakistan

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 2.05
VGH 12 UE 2792/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Februar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. R o t h k e g e l und
Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 22. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwal-
tungsgerichtshofs ist unbegründet. Sie ist allein auf die Behauptung gestützt, das
angegriffene Urteil leide an einem Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO. Der behauptete Verfahrensfehler lässt sich jedoch nicht feststellen.
Die Beschwerde macht u.a. geltend, die Beurteilung durch das Berufungsgericht,
dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Einbürgerung eine Doppelehe geführt habe
und die Scheidungsunterlagen gefälscht seien, "überzeugen nicht"; die hierzu "er-
folgte Beweisaufnahme (gebe) … Anlass zur Beanstandung", weil "der erkennende
Senat weitere Sachverhaltsaufklärung durch gezielte Befragung des Klägers zu dem
Legitimationsverfahren und Anhörung der benannten Zeugen" unterlassen habe, "die
Sachverhaltsermittlung und Beweisaufnahme des Verwaltungsgerichtshofs (bleibe)
unausgewogen und (sei) zu rügen", es "hätte von Amts wegen das dargelegte Legi-
timationsverfahren vor dem Schlichtungsausschuss in W. gewürdigt und zumindest
durch Einvernahme der benannten Zeugen hinterfragt werden müssen", "die pakis-
tanische Ehefrau des Klägers und die deutsche ehemalige Ehefrau des Klägers hät-
ten zu diesem Vorbringen unbedingt befragt werden müssen", "stattdessen (hätten)
das Verwaltungsgericht … und der Verwaltungsgerichtshof die Beweisanträge miss-
achtet", in Pakistan lebende Zeugen seien für die in Pakistan erfolgte Scheidung be-
nannt worden, der vom Kläger benannte Zeuge K. hätte "im Wege des Rechtshilfe-
ersuchens … zu der Wirksamkeit der Scheidung … entscheidungserhebliche Aussa-
gen treffen können". Diesem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass das Beru-
fungsurteil, wie von der Beschwerde behauptet, unter Verletzung der Aufklärungs-
pflicht gemäß § 128 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO oder einem Verstoß gegen den
Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme oder gegen die Gebote eines
fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs zustande gekommen ist.
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Durch das Absehen von einer - hier: weiteren - Beweisaufnahme verstößt ein Gericht
nur dann gegen seine Amtsermittlungspflicht, wenn sich ihm eine - weitere - Sach-
verhaltsaufklärung durch Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen oder die Be-
weiserhebung förmlich beantragt (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO) worden war. Dies ist hier
nicht der Fall. Insbesondere hat der Kläger das Ermessen des Gerichts, über Mittel
und Ausmaß der Sachverhaltserforschung zu bestimmen, nicht dadurch gebunden,
dass er die schriftsätzlich bezeichneten Beweisanträge in der mündlichen Verhand-
lung (hilfsweise) zur Prüfung des Gerichts gestellt hat (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2
VwGO).
Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe seine Aufklärungspflicht durch einen
Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96
VwGO) verletzt, hat die Beschwerde nicht näher substantiiert. Das Berufungsgericht
hatte gemäß § 108 Abs. 1 VwGO seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des
Verfahrens zu gewinnen. Der Verwaltungsgerichtshof durfte, nachdem er Beweis
durch Sachverständigengutachten, Einholung einer amtlichen Auskunft und durch
Vernehmung des Klägers als Beteiligtem erhoben hatte, die Ergebnisse der Beweis-
aufnahme frei würdigen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass und in welcher Hinsicht
dies unter Verstoß gegen § 96 VwGO geschehen sein sollte.
Inwieweit das Berufungsurteil gegen das Gebot eines fairen Verfahrens verstoßen
haben könnte, ist dem Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht zu entnehmen. Aus-
weislich der Sitzungsniederschrift über die Berufungsverhandlung vom 17. Juni 2004
ist nach der Einvernahme des Klägers die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten
eingehend erörtert und damit dem Kläger Gelegenheit gegeben worden, sich zu allen
Streitpunkten zu äußern; die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das angegriffene Urteil
auf einen Gesichtspunkt gestützt sei, mit dessen Entscheidungserheblichkeit der
Kläger nach dem Gang der mündlichen Verhandlung und Verlauf der Beweisauf-
nahme nicht hätte rechnen können.
Aus diesem Grund ist auch die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl.
§ 108 Abs. 2 VwGO) nicht nachvollziehbar; insbesondere bedeutet es keinen Ge-
hörsverstoß, wenn das Gericht einem ihm unterbreiteten Sachvortrag nicht durch
Beweisaufnahme in dem von einer Partei für erforderlich gehaltenen Umfang nach-
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geht. Auch sonst liegt eine Verletzung rechtlichen Gehörs weder darin, dass das Ge-
richt die Beteiligten nicht vor seiner Entscheidung auf das von ihm gewonnene Er-
gebnis einer Beweisaufnahme hinweist, noch darin, dass aus der Beweisaufnahme
im Rahmen der Beweiswürdigung andere Schlüsse gezogen werden, als ein Betei-
ligter sie für geboten hält (Beschluss des Senats vom 13. März 2003 - BVerwG 5 B
267.02 - ).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung
auf § 52 Abs. 2 GKG.
Dr. Säcker Dr. Rothkegel Prof. Dr. Berlit