Urteil des BVerwG vom 14.02.2007

Enteignung, Anteil, Unternehmen, Entschädigung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 189.06
VG 3 K 695/01
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Februar 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Franke und Dr. Brunn
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera
vom 17. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 3 400 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unbegründet. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund
(Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Dem
verwaltungsgerichtlichen Verfahren haftet entgegen dem Beschwerdevor-
bringen kein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) an.
Die Frage, ob das tatsachengerichtliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist
vom materiellrechtlichen Standpunkt des entscheidenden Tatsachengerichts
aus zu beurteilen, und zwar unabhängig davon, ob dieser Standpunkt zutref-
fend ist (vgl. Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106,
115 <119> m.w.N.; stRspr). Vor diesem Hintergrund geht der Vorwurf der Be-
schwerde fehl, das Verwaltungsgericht hätte der Frage durch weitere Aufklä-
rung nachgehen müssen, ob der Rechtsvorgänger des Klägers Entschädi-
gungsberechtigter nach einer DDR-Entschädigungs-Verordnung vom
23. August 1956 (GBl 1956 I S. 683) hat werden können. Denn dieser Vorwurf
geht an dem vom Verwaltungsgericht eingenommenen Rechtsstandpunkt vor-
bei:
Nach den Urteilsgründen hat das Verwaltungsgericht seine entscheidungstra-
gende Annahme, von einer entschädigungslosen Enteignung im Sinne von § 1
Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG könne im Streitfall nicht ausgegangen werden, damit
begründet, dass zwar zum Zeitpunkt der Enteignung des Unternehmens (einer
OHG) und in den Folgejahren für Fälle einer damit verbundenen Anteilsenteig-
nung keine materielle Entschädigungsgrundlage nachweisbar sei, aber gleich-
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wohl in dieser Zeit noch eine Entschädigung des Rechtsvorgängers des Klägers
behördlicherseits vorgesehen gewesen sei; nach einem - in den Akten be-
findlichen und zum Verfahrensgegenstand gemachten - Schreiben des Ministe-
riums des Innern vom 13. Mai 1949 seien die staatlichen Stellen noch gewillt
gewesen, u.a. den Anteil des Rechtsvorgängers des Klägers am enteigneten
Unternehmen („freigestellter Anteil“) zu entschädigen. Nach der Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts zum Tatbestandsmerkmal einer ent-
schädigungslosen Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG (etwa
Urteil vom 24. März 1994 - BVerwG 7 C 16.93 - BVerwGE 95, 284) könne da-
her keine Rede davon sein, dass der vom Kläger beanspruchte Vermögenswert
durch eine entschädigungslose Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder be-
satzungshoheitlicher Grundlage (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG) verloren wor-
den sei.
Der Sache nach hat daher das Verwaltungsgericht den Rechtsstandpunkt ein-
genommen, bereits im Jahre 1949 sei die Frage, ob die in Rede stehende Ent-
eignung gegen oder ohne Entschädigung durchgeführt worden sei, (im erstge-
nannten Sinne) entschieden gewesen. Deshalb brauchte das Verwaltungsge-
richt der weiteren Frage nicht nachzugehen, ob der Umstand entscheidungser-
heblich ist, dass der Rechtsvorgänger des Klägers in den Folgejahren das spä-
tere Beitrittsgebiet verlassen hat und dadurch seinen Entschädigungsanspruch
verloren haben könnte. Damit wären nämlich allenfalls Fragen des Inhalts an-
gesprochen, ob der Rechtsvorgänger des Klägers entschädigungslos um einen
Entschädigungsanspruch gebracht worden ist, wohingegen Gegenstand des
Streitverfahrens ist, ob der Rechtsvorgänger seinen Geschäftsanteil an dem
enteigneten Unternehmen durch eine entschädigungslose Enteignung während
der Besatzungszeit verloren hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Bei der Streitwertfest-
setzung nach §§ 47, 52 Abs. 1 GKG geht der beschließende Senat davon aus,
dass das Verwaltungsgericht den Streitwert für das Verfahren auf 4 090 € fest-
gesetzt hat, wobei es - wie sich aus seiner Kostenquotelung ergibt - dem Be-
gehren, das der Kläger noch mit der Beschwerde weiterverfolgt, einen Anteil
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von fünf Sechsteln zugemessen hat. Hieraus ergibt sich im Wege der Abrun-
dung der für das Beschwerdeverfahren festgesetzte Streitwert.
Hund Dr. Franke Dr. Brunn