Urteil des BVerwG vom 10.08.2007

Krankenkasse, Krankenpflege, Krankenversicherung, Inhaber

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 179.06
OVG 12 A 3686/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. August 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke
und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Sep-
tember 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
Die allein auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (rechts-
grundsätzliche Bedeutung) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
Revision hat keinen Erfolg. Es bedarf nicht der Zulassung der Revision um zu
klären, dass die der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Bereich der
Krankenversicherung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch zugrunde
liegenden Grundsätze, wonach Leistungen der ambulanten häuslichen Kran-
kenpflege nach Auslaufen von Vergütungsvereinbarungen mit der Krankenkas-
se Bereicherungsansprüche des Pflegedienstes gegen die Krankenkasse be-
gründen können (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 13. Mai 2004 - B 3
KR 2/03 R - SozR 4-2500 § 132a Nr. 1), auf das Sozialhilferecht nach dem
Bundessozialhilfegesetz nicht übertragbar sind.
Die Vorinstanzen haben zutreffend dargelegt, dass - anders als im Bereich der
Krankenversicherung, bei welchem der Pflegedienst mit der häuslichen Kran-
kenpflege für Versicherte der Krankenkasse keine bewusste und zweckgerich-
tete Zuwendung an diese Einzelpersonen erbringen will, es ihm vielmehr um die
Erfüllung der Ansprüche des Versicherten auf Krankenpflege gegen die
Krankenkasse geht, welche als Sachleistungsansprüche ausgestaltet sind und
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durch die Leistungserbringung von Seiten des Pflegedienstes erlöschen (vgl.
BSG, a.a.O., -Ausdruck Rn. 20) - im Rahmen des sozialhilferechtlichen
Dreiecksverhältnisses (vgl. dazu nur Rothkegel, Sozialhilferecht, 1. Aufl. 2005,
Teil II, Kapitel 3 Rn. 80; M. Frommann, Sozialhilfe nach Vereinbarung, Frank-
furt/M. 2002, 60 ff., 86 ff.) andere Grundsätze gelten:
Sofern sich nicht ausnahmsweise der Sozialhilfeträger des Dritten zur Erbrin-
gung von Sach- oder Dienstleistungen in „Eigenregie“ bedient, tritt hier neben
die öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung zwischen Sozialhilfeträger und Hilfe-
berechtigtem ein privatrechtliches Vertragsverhältnis zwischen Leistungser-
bringer und Hilfeberechtigtem, dessen vertragliche Zahlungspflicht gegenüber
dem Leistungserbringer vom Sozialhilfeträger gegebenenfalls mittels Kosten-
übernahme erfüllt wird. Der sozialhilferechtliche Leistungsanspruch ist dabei
- anderes als der auf eine Sachleistung gerichtete Anspruch des Krankenversi-
cherten - grundsätzlich auf eine Geldleistung gerichtet. Anders als im Sozial-
versicherungsrecht erfolgen die Leistungen des ambulanten Pflegedienstes im
sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis - auch bei Vorliegen einer Vereinba-
rung nach § 93 Abs. 2 BSHG, an der es vorliegend fehlt – grundsätzlich in Er-
füllung des Pflegedienstvertrages mit dem Leistungsempfänger, der seinerseits
Inhaber des Anspruchs gegenüber dem Sozialhilfeträger auf Übernahme des
(gegebenenfalls durch die Vereinbarung nach § 93 BSHG ausgestalteten) Ent-
gelts ist, wie die Vorinstanz zutreffend unter Hinweis auf Münder (in: LPK-
BSHG, 6. Aufl., § 93 Rn. 32) und Rothkegel (a.a.O., Teil III, Kapitel 33 Rn. 25)
ausgeführt hat. Unmittelbare Ansprüche des Hilfeerbringers gegen den Sozial-
hilfeträger entstehen daher im Bereich des Sozialhilferechts grundsätzlich nur,
soweit dies gesetzlich vorgesehen ist (vgl. für den Fall der Nothilfe § 121
BSHG) oder wenn der Sozialhilfeträger, was weder aus tatsächlichen noch aus
rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist, (ausnahmsweise) dem Grunde und
der Höhe nach unzweideutig einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck ge-
bracht hat, durch eine Kostenübernahmeerklärung auch einen Zahlungsan-
spruch des Leistungserbringers begründen zu wollen (vgl. - eine für Miet- und
Kostenübernahmeerklärung - Urteil vom 19. Mai 1994 - BVerwG 5 C 33.91 -
BVerwGE 96, 71). Dabei ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts auch geklärt, dass nach Kenntnis des Sozialhilfeträgers von dem Hilfefall
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ein Erstattungsanspruch eines helfenden Dritten, abgesehen von dem - hier
gerade nicht vorliegenden - Fall ausdrücklich getroffener Vereinbarungen, nicht
in Betracht kommt (s. Beschluss vom 13. Dezember 1993 - BVerwG 5 B 8.93 -
juris). Die Gründe, aus denen selbst in einem Fall, in dem einem Sozialhilfeträ-
ger die Tatsache der Hilfegewährung durch einen Dritten bekannt ist, unabhän-
gig vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Leistungsgewäh-
rung an den Hilfeempfänger ein Kostenerstattungsanspruch in entsprechender
Anwendung der §§ 670 ff. BGB ausscheidet (s. Urteil vom 2. April 1987
- BVerwG 5 C 67.84 - BVerwGE 77, 181), gelten entsprechend für bereiche-
rungsrechtliche Ersatzansprüche. Gegen das Bestehen unmittelbarer (berei-
cherungsrechtlicher) Ansprüche des Pflegedienstleisters gegen den Sozialhilfe-
träger bei ambulanten Pflegeleistungen spricht schließlich auch, dass der Ge-
setzgeber in § 28 Abs. 2 BSHG für den Fall des Todes des Hilfeberechtigten
einen Übergang des Sozialhilfeanspruches auf den Hilfeerbringer bzw. Pflege-
leistenden vorgesehen hat; eine solche Regelung wäre entbehrlich, wenn der
Hilfeerbringer Inhaber eigener Entgeltansprüche gegen den Sozialhilfeträger auf
bereicherungsrechtlicher Grundlage wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskosten-
freiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Schmidt Dr. Franke Prof. Dr. Berlit
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