Urteil des BVerwG vom 20.08.2007

Entschädigung, Bemessungsgrundlage, Grundstück, Offenkundig

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 173.07
VG 13 K 3564/03
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. August 2007
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts
Dresden vom 3. April 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beige-
ladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 3 231 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Der Senat konnte über die Nichtzulassungsbeschwerde befinden, die sich
allein dagegen richtet, dass das Verwaltungsgericht auch dem Hilfsantrag (fest-
zustellen, dass dem Kläger ein Entschädigungsanspruch nach dem NS-
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Verfolgtenentschädigungsgesetz zusteht) nicht gefolgt ist, ohne für das Be-
schwerdeverfahren die an den geltend gemachten Rückgabeanspruch anknüp-
fende Beiladung aufzuheben. Weder der Kläger noch die Beigeladenen werden
hierdurch sachlich oder hinsichtlich der Kosten beschwert.
2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
Die Revision ist weder wegen Abweichung (Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2
Nr. 2 VwGO) (dazu 2.1) noch wegen der geltend gemachten Verfahrensfehler
(Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) (dazu 2.2) zuzulassen.
2.1 Die Revision ist nicht wegen einer Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2
Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne der vorge-
nannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine
Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtspre-
chung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten eben-
solchen Rechtssatz abgerückt ist. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebe-
gründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Ent-
scheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz
gestützt hat. Daran fehlt es.
Die Beschwerde macht geltend, das Verwaltungsgericht sei bei der Entschei-
dung zum Hilfsantrag von dem in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 19. Januar 2005 (- BVerwG 8 C 20.03 - Buchholz 428.42 § 2
NS-VEntschG Nr. 1) aufgestellten Rechtssatz abgewichen, dass allenfalls dann,
„wenn offenkundig ist, dass der Wert des Betriebsgrundstücks in der
Bemessungsgrundlage für die Entschädigung des Unternehmens berücksichtigt
wird, […] auf die gesonderte Grundentscheidung über die Entschädigung kein
Anspruch bestehen [kann]“. Sie bezeichnet aber keinen von dem Verwaltungs-
gericht aufgestellten, dem entgegenstehenden abstrakten Rechtssatz. Der Sa-
che nach wird sinngemäß geltend gemacht, das Verwaltungsgericht, das viel-
mehr ausdrücklich der Begründung der Beklagten in dem angegriffenen Be-
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scheid beipflichtet, „es sei offenkundig, dass der Wert des Betriebsgrundstücks
in der Bemessungsgrundlage für die Anteilsentschädigung berücksichtigt wird“,
und daher seiner Begründung den in der herangezogenen Entscheidung des
Bundesverwaltungsgericht entwickelten Ansatz zu Grunde legt, habe diesen
Rechtssatz nicht richtig angewendet. Die Beschwerde macht mithin der Sache
nach allenfalls eine fehlerhafte Anwendung nicht bestrittener Rechtsgrundsätze
geltend.
2.2 Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
2.2.1 Die Rüge greift nicht durch, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Be-
wertung,
„der ‚hilfsweise’ gestellte Antrag, die Beklagte zur Ent-
schädigung nach dem NS-Verfolgten-EntschädigungsG zu
verpflichten, ist unzulässig. Dieser Antrag war bislang
nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens“,
verfahrensfehlerhaft verkannt, dass die Beklagte in dem angegriffenen Be-
scheid in Nr. 3 des Tenors im Hinblick auf die Ablehnung des Antrages auf
Übertragung von 50 v.H. ergänzend festgestellt „Eine gesonderte Entschädi-
gung wird nicht gewährt“ und dies unter Hinweis auf den Entschädigungsan-
spruch wegen der Entziehung der Beteiligung am Bankhaus begründet habe.
Hält man es nämlich mit dem Kläger für verfahrensfehlerhaft, weil in sich wider-
sprüchlich, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung einerseits damit
begründet hat, ein Antrag auf gesonderte Entschädigung für das streitgegen-
ständliche Grundstück sei bislang nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens
gewesen, andererseits aber in den Gründen ausgeführt hat, eine gesonderte
Entschädigung für das streitgegenständliche Grundstück sei unter Nr. 3 des
streitgegenständlichen Behördenbescheides vom 15. September 2003, also im
Verwaltungsverfahren, abgelehnt worden, so kann hierauf die Entscheidung
des Verwaltungsgerichts nicht im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen.
Denn das Verwaltungsgericht hat sein Urteil auch und damit selbständig
tragend verfahrensfehlerfrei (2.2.2) darauf gestützt, dass eine gesonderte Ent-
schädigung für das streitgegenständliche Grundstück zu Recht mit der
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Begründung abgelehnt worden sei, es sei offenkundig, dass der Wert des
Betriebsgrundstücks in der Bemessungsgrundlage für die Anteilsentschädigung
berücksichtigt werde.
2.2.2 Soweit die Beschwerde als Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts im
Zusammenhang mit dessen Bewertung rügt, dass der Wert des Betriebsgrund-
stücks in die Bemessungsgrundlage für die Anteilsentschädigung berücksichtigt
werde, greift die der Sache nach geltend gemachte Aufklärungsrüge nicht
durch. Wer, wie der Kläger, die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht er-
hebt, obwohl er - durch eine nach § 67 Abs. 1 VwGO postulationsfähige Person
vertreten - in der Vorinstanz insoweit keinen förmlichen Beweisantrag gestellt
hat (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO), muss, um den gerügten Verfahrensmangel pro-
zessordnungsgemäß zu bezeichnen, substantiiert darlegen, warum sich dem
Tatsachengericht aus seiner für den Umfang der verfahrensrechtlichen Sach-
aufklärung maßgebenden materiellrechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer
weiteren Sachaufklärung in der aufgezeichneten Richtung hätte aufdrängen
müssen (vgl. Beschlüsse vom 2. März 1978 - BVerwG 6 B 24.78 - Buchholz
310 § 132 VwGO Nr. 164 S. 43 f., vom 1. April 1997 - BVerwG 4 B 206.96 -
NVwZ 1997, 890 <893>, vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW
1997, 3328 und vom 13. März 2003 - BVerwG 5 B 267.02 - juris). Die Aufklä-
rungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Prozessbeteiligten in
der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von förmlichen Beweisanträ-
gen, zu kompensieren (vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B
81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 und vom 10. Oktober 2001
- BVerwG 9 BN 2.01 - NVwZ-RR 2002, 140). Das ist hier nicht geschehen.
Auch musste sich dem Verwaltungsgericht, das auf die Berücksichtigung bei
der Festsetzung des steuerlichen Einheitswertes bzw. der Ermittlung des Rein-
vermögens abgestellt hat, eine weitere Sachaufklärung nach dem Akteninhalt
und dem Vorbringen der Beteiligten hier nicht aufdrängen. Auch soweit das
Grundstück in den von dem Kläger vorgelegten Unterlagen (Bilanz des Bank-
hauses zum Stichtag 31. Dezember 1936) nicht aufgeführt sein sollte (die Be-
klagte hatte mit Schriftsatz vom 22. März 2007 geltend gemacht, dass dies un-
ter einer früheren Bezeichnung des Grundstücks entgegen dem Vorbringen des
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Klägers tatsächlich der Fall gewesen sei), ergäbe sich weder allein aus diesen
Unterlagen noch den Bestimmungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage
der Entschädigung für Unternehmen ein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass
dieser Wert des Grundstückes tatsächlich nicht bei der Ermittlung der Bemes-
sungsgrundlage für die Anteilsentschädigung berücksichtigt wird. Da für die
Prüfung, ob die Aufklärungspflicht verletzt worden ist, die materiellrechtliche
Beurteilung des Verwaltungsgerichts selbst dann zugrunde zu legen ist, wenn
diese sich als unzutreffend erweisen sollte (stRspr, s. etwa Urteil vom 4. No-
vember 1994 - BVerwG 8 C 28.93 - Buchholz 454.71 § 7 WoGG Nr. 1; Be-
schluss vom 29. November 2006 - BVerwG 7 B 61.06 - juris), läge ein Aufklä-
rungsmangel erst recht nicht vor, wenn - was sich nach dem Begründungszu-
sammenhang des Urteils aufdrängt - das Verwaltungsgericht von der
Rechtsauffassung ausgegangen sein sollte, dass die - rechtlich mögliche - Be-
rücksichtigung erst bei einer noch ausstehenden Bestimmung der Bemes-
sungsgrundlage für die anteilige Unternehmensentschädigung zu erfolgen ha-
be; dem Urteil vom 19. Januar 2005 (a.a.O.) ist dabei nicht zu entnehmen, dass
die rechtlich angezeigte Berücksichtigung des Wertes des Betriebsgrundstücks
in der Bemessungsgrundlage für die (anteilige) Entschädigung des Unterneh-
mens bereits (rechts- oder bestandskräftig) erfolgt sein muss, um eine geson-
derte Grundentscheidung über die Entschädigung entbehrlich zu machen.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2
VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52
Abs. 1 Satz 1 GKG und berücksichtigt den auf den Hilfsantrag beschränkten
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Hund Schmidt Prof. Dr. Berlit
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