Urteil des BVerwG vom 25.09.2007

Schiedsstelle, Vergütung, Unterbringung, Hund

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 17.07
OVG 4 LC 300/06
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. September 2007
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt und Dr. Brunn
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2006 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist weder hinsichtlich des Zeitraums bis zum 31. Dezember
1998 noch hinsichtlich des Zeitraums ab 1. Januar 1999 begründet.
1. Die Revision kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO zugelassen werden. Den von der Beschwerde angeführten
Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
1.1 Die Frage,
„ob zu erbringende Leistungen als Bemessungsgrundlage
für festzusetzende Vergütungen entsprechend des ange-
fochtenen Beschlusses im Nachhinein viele Jahre nach
Ablauf der jeweiligen Wirtschaftsperiode bzw. des Verein-
barungszeitraumes durch die Schiedsstelle noch festge-
setzt werden können“,
ist bereits durch das Urteil des Senats vom 4. August 2006 - BVerwG 5 C
13.05 - (BVerwGE 126, 295) dahin geklärt, dass Vereinbarungen nach § 93
Abs. 2 BSHG F. 1994 rückwirkend abgeschlossen werden können und auch
Schiedsstellenentscheidungen Festsetzungen rückwirkend bis zum Tag des
Antragseingangs bei der Schiedsstelle treffen können. Als Grenze bestimmt
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§ 93 Abs. 4 Satz 3 BSHG F. 1994 lediglich, dass ein jeweils vor den Zeitpunkt
des Antragseingangs bei der Schiedsstelle rückwirkendes Vereinbaren oder
Festsetzen von Entgelten nicht zulässig ist.
Die Frage,
„ob § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG in den Fassungen 1994 und
1999 die Festsetzung eines Pflegesatzes/einer Vergütung
ohne Bestehen einer Leistungs- und Prüfungsvereinba-
rung zulässt oder ob nur beim Bestehen von Leistungs-
und Prüfungsvereinbarungen für den entsprechenden
Vereinbarungszeitraum die Festsetzung eines Pflegesat-
zes/einer Vergütung in Betracht kommt“,
bedarf im Streitfall um die Übernahme des höher vereinbarten Heimentgeltes
keiner Klärung, weil es nach derzeitigem Sachstand noch tatsächlich und recht-
lich möglich ist, dass bezogen auf die Vereinbarungszeiträume bis 1998 die
Parteien Vereinbarungen im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG F. 1994 über
Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen sowie über die dafür zu entrichten-
den Entgelte abschließen bzw. die Schiedsstelle rückwirkend Festsetzungen zu
Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen trifft und bezogen auf die Vereinba-
rungszeiträume ab 1999 die Parteien Leistungs- und Prüfungsvereinbarungen
im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG F. 1999 abschließen. Durch das Urteil
vom 4. August 2006 - a.a.O. - ist zudem der Sache nach geklärt, dass sich
§ 93b Abs. 2 Satz 3 BSHG allein auf die rückwirkende Vereinbarung einer Ver-
gütung bezieht und auch § 93b Abs. 1 Satz 1 BSHG einer rückwirkenden Leis-
tungsvereinbarung nicht entgegen steht (s.a. Senatsbeschluss vom 24. Sep-
tember 2007 - BVerwG 5 B 77.06 -).
Die Frage,
„ob die Festsetzung einer ‚isolierten Vergütung’ ohne
gleichzeitiges Bestehen einer Leistungs- und Prüfungs-
vereinbarung ausreicht, um für die Vereinbarungszeiträu-
me 1995 bis 1998 zur Anwendung der ersten Alternative
von § 93 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbs. BSHG F. 1994 zu kom-
men und gleichzeitig die 2. Alternative, also den ‚anderen
Fall’ auszuschließen“,
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bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Denn zum einen ergibt sich
unmittelbar aus § 93 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BSHG F. 1994, dass eine isolierte
Entgeltfestsetzung ohne Vereinbarung über oder Festsetzung zu Inhalt, Umfang
und Qualität der Leistungen nicht ausreicht, weil diese Norm eine Vereinbarung
über bzw. eine vereinbarungsgestaltende Festsetzung zu „Inhalt, Umfang und
Qualität der Leistungen sowie über die dafür zu entrichtenden Entgelte“
voraussetzt. Zum anderen ist aber durch das Urteil des Senats vom 4. August
2006 - a.a.O. - auch geklärt, dass bereits vor dem Abschluss einer
Vereinbarung mit dem Antrag auf Abschluss einer Vereinbarung eine Sperrwir-
kung für eine Sozialhilfegewährung ohne Bezug zu einer Vereinbarung (sog.
„anderer Fall“ im Sinne von § 93 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BSHG F. 1994) eintritt,
die andauert, solange der angestrebte Abschluss einer Vereinbarung bzw. eine
vereinbarungsgestaltende Schiedsstellenentscheidung rechtlich und tatsächlich
möglich ist.
Die Frage,
„ob die vom Senat im Urteil vom 4. August 2006, dem
noch die Sach- und Rechtslage des Berufungsurteils des
VGH München vom 23. März 2005 zugrunde zu legen
war, angenommene Sperrwirkung für die Durchsetzung
von Ansprüchen des Hilfeempfängers auf Übernahme der
Unterbringungskosten auch dann möglich ist, wenn fest-
steht, dass es für bestimmte Vereinbarungszeiträume je-
denfalls keine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung ge-
ben wird“,
bedarf im Streitfall um die Übernahme des höher vereinbarten Heimentgeltes
keiner Klärung, weil es nach derzeitigem Sachstand noch tatsächlich und recht-
lich möglich ist, dass bezogen auf die Vereinbarungszeiträume bis 1998 die
Parteien Vereinbarungen im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG F. 1994 über
Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen sowie über die dafür zu entrichten-
den Entgelte abschließen bzw. die Schiedsstelle rückwirkend Festsetzungen zu
Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen trifft und bezogen auf die Vereinba-
rungszeiträume ab 1999 die Parteien Leistungs- und Prüfungsvereinbarungen
im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG F. 1999 abschließen.
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1.2 Die Fragen,
„ob für die Zeit ab 01.01.1999 in der Zeit bis zum
31.12.1998 vereinbarte oder festgesetzte Vergütungen
gemäß § 93 Abs. 4 Satz 4 BSHG F. 1994 bzw. § 93b
Abs. 2 Satz 4 BSHG F. 1999 weitergelten können, ob-
gleich der Gesetzgeber durch den neu eingefügten § 93a
Abs. 2 BSHG F. 1999 im Gegensatz zu den bis dahin zu
vereinbarenden Gesamtpflegesätzen die Bildung differen-
zierter Vergütungen zumindest in Form von Grundpau-
schale, Maßnahmepauschale und Investitionskosten
zwingend vorgeschrieben hat“,
„ob nach dem 01.01.1999 nur vereinbarte oder festgesetz-
te Vergütungen nach Ablauf des jeweiligen Vereinba-
rungszeitraumes weitergelten, die aufgrund der ab
01.01.1999 in Kraft getretenen Gesetzesfassung festge-
setzt oder vereinbart waren, oder ob § 93b Abs. 2 Satz 4
BSHG F. 1999 auch für Vergütungen anzuwenden ist, die
nach der am 31.12.1998 außer Kraft getretenen Fassung
1994 vereinbart oder festgesetzt worden waren“,
„ob ab 01.01.1999 die Fortgeltung von Vergütungsverein-
barungen/-festsetzungen nur auf der Grundlage von § 93b
Abs. 2 Satz 4 BSHG F. 1999 in Betracht kommt oder auch
noch auf der Grundlage von § 93 Abs. 4 Satz 4 BSHG
Fassung 1994 möglich ist“,
„ob die Fortgeltungsregelung in § 93 Abs. 4 Satz 4 BSHG
F. 1994 und § 93b Abs. 2 Satz 4 Fassung 1999 nur für
Vergütungen anzuwenden ist oder ob sie auch für das ge-
samte ‚Vertragssystem’ des § 93 Abs. 2 BSHG F. 1994
und F. 1999 gilt“,
stellten sich in einem Revisionsverfahren nicht. Denn das Berufungsgericht hat
die Sperrwirkung für eine Sozialhilfegewährung ohne Bezug zu einer Vereinba-
rung tragend nicht auf die Weiter- bzw. Fortgeltung von Entgeltvereinbarungen
oder –festsetzungen aus früheren Vereinbarungszeiträumen, sondern darauf
gestützt, dass der Abschluss von Vereinbarungen bzw. vereinbarungsgestal-
tenden Schiedsstellenfestsetzungen auch in rechtlicher Hinsicht noch möglich
ist (BA S. 13 Abs. 2). Dazu hat es in tatsächlicher Hinsicht von der Beschwerde
nicht angegriffen festgestellt, dass auch für die Zeit ab 1. Januar 1999 weder
das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben bzw. das seit
dem 1. Januar 2005 zuständige Niedersächsische Landesamt für Soziales, Ju-
gend und Familie noch die Klinikum Wahrendorff GmbH rechtswirksam erklärt
haben, vom Abschluss dieser Vereinbarungen endgültig abzusehen, und sie
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dementsprechend auch die diesbezüglich beim Berufungsgericht anhängigen
Verfahren weiterbetreiben. Die rechtliche Möglichkeit des Abschlusses der einer
Vergütungsvereinbarung bzw. einer diese gestaltenden Schiedsstellenfest-
setzung vorgelagerten Leistungs- und Prüfungsvereinbarung folgt - wie bereits
oben ausgeführt - daraus, dass ein zurückwirkender Abschluss von Leistungs-
und Prüfungsvereinbarungen rechtlich und tatsächlich möglich und insbesonde-
re nicht durch § 93b BSHG ausgeschlossen ist.
1.3 Auch soweit die Beschwerde Rechtsfragen zur Auslegung des Senatsurteils
vom 4. August 2006 - a.a.O. - durch das Berufungsgericht als von grundsätzli-
cher Bedeutung anführt, kann die Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeu-
tung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden.
Die Frage,
„ob der nach dem BSHG zu deckende Bedarf des Hilfe-
empfängers im Falle seiner Unterbringung daraus ent-
steht, dass er mit dem Einrichtungsträger in Befolgung von
§ 4 Abs. 1 Heimgesetz (a.F.) einen Heimvertrag mit
Regelung eines Heimentgeltes abschließt und damit For-
derungen des Einrichtungsträgers auf Erfüllung ein-
schließlich der Gefahr einer Kündigung des Heimvertrages
ausgesetzt ist“,
lässt sich ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten. Der Bedarf des Hilfe-
empfängers entsteht mit der erforderlichen Unterbringung und dem dafür erfor-
derlichen Heimentgelt; sozialhilferechtlich besteht aber ein Anspruch auf Über-
nahme von Aufwendungen in der streitgegenständlichen Zeit bis Ende 1998 nur
nach Maßgabe der §§ 93 f. BSHG F. 1994 und in der streitgegenständlichen
Zeit ab Anfang 1999 nur nach Maßgabe der §§ 93 ff. BSHG F. 1999 (siehe da-
zu § 5 Abs. 6 HeimG in der vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2004
geltenden Fassung). Durch das Urteil vom 4. August 2006 - a.a.O. - ist geklärt,
dass auch bei bestehendem Heimvertrag der sozialhilferechtliche Bedarfsde-
ckungsgrundsatz keinen Leistungsanspruch unabhängig von den in §§ 93 ff.
BSHG geregelten Voraussetzungen gewährt und der Hilfeempfänger auch
dann, wenn er die erforderliche Versorgung tatsächlich erhalten hat, nicht in
jedem Fall beanspruchen kann, das hierfür mit dem Einrichtungsträger verein-
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barte Entgelt erstattet zu erhalten; insoweit ergibt sich aus der Begrenzung der
Leistungen auf das nach §§ 93 ff. BSHG eröffnete Maß auch, dass gegebenen-
falls lediglich ein Teil des vereinbarten Heimentgeltes zu übernehmen ist. Nach
den von der Beschwerde nicht bestrittenen tatsächlichen Feststellungen des
Berufungsgerichts hat zudem ebenso wie im vorliegenden Fall in keinem der
zahlreichen dem Berufungsgericht bekannten Parallelfälle dem Heimbewohner
die Kündigung im Hinblick darauf konkret gedroht, dass der Sozialhilfeträger
das vom Einrichtungsträger verlangte Heimentgelt nur in Höhe von Abschlags-
zahlungen übernommen und die Übernahme des darüber hinausgehenden
Heimentgeltes vom Ausgang der Verhandlungen zwischen Einrichtungsträger
und (überörtlichem) Sozialhilfeträger abhängig gemacht hat (BA S. 14 Abs. 4).
Die Frage,
„wie lange dem Hilfeempfänger/Bewohner wegen Ver-
tragsverhandlungen zwischen Einrichtungsträger und So-
zialhilfeträger zugemutet werden kann, auf die Durchset-
zung der ihm durch § 39 BSHG gegebenen Ansprüche auf
Übernahme der wirksam vereinbarten Unterbrin-
gungskosten zu verzichten bzw. wie hoch seine Rück-
stände auf das vereinbarte Heimentgelt gegenüber dem
Einrichtungsträger auflaufen müssen, bevor die Sperrwir-
kung von Verhandlungen zwischen Einrichtungsträger und
Sozialhilfeträger beendet ist“,
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Denn mit ihr könnte keine auch für
die Zukunft richtungsweisende Klärung erreicht werden. Denn nach § 5 Abs. 6
HeimG in der ab 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fas-
sung müssen in Heimverträgen mit Personen, denen Hilfe in Einrichtungen
nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährt wird, Art, Inhalt und Umfang der in
Absatz 3 genannten Leistungen sowie die jeweiligen Entgelte den aufgrund des
Abschnitts 7 des Bundessozialhilfegesetzes getroffenen Vereinbarungen ent-
sprechen und haben Hilfeempfänger dann, wenn Art, Inhalt oder Umfang der
Leistungen oder Entgelte nicht den aufgrund der §§ 93 ff. BSHG getroffenen
Vereinbarungen entsprechen, einen Anspruch auf entsprechende Anpassung
ihres Heimvertrages.
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Die Frage,
„ob der vom Senat im Urteil vom 20. Oktober 1994 aufge-
stellte Grundsatz zur Bedarfsdeckung in Fällen, in denen
der Sozialhilfeträger das wirksam vereinbarte Heimentgelt
nur teilweise übernimmt, nicht mehr gilt, wonach das, ,was
der Hilfesuchende aus sozialhilferechtlicher Sicht benötigt,
ihm zu gewähren ist. Muss zur Behebung der Notlage die
Hilfe eines Dritten in Anspruch genommen werden, so
sind die dadurch entstehenden Kosten im Rahmen der
Sozialhilfe zu übernehmen, wobei die tatsächlich entste-
henden, notwendigen Kosten maßgeblich sind’“,
bedarf für den Streitfall keiner weiteren revisionsgerichtlichen Klärung. Vielmehr
ist mit dem Senatsurteil vom 4. August 2006 - a.a.O. - geklärt, dass nach
§§ 93 f. BSHG F. 1994 und §§ 93 ff. BSHG F. 1999 bereits vor dem Abschluss
einer Vereinbarung mit dem Antrag auf Abschluss einer Vereinbarung eine
Sperrwirkung für eine Sozialhilfegewährung ohne Bezug zu einer Vereinbarung
eintritt (BVerwGE 126, 295 <299>). Die herangezogenen Grundsätze sind
durch die Änderungen der §§ 93 ff. BSHG überholt.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
2.1 Zutreffend gibt die Beschwerde den angegriffenen Berufungsbeschluss da-
hin wieder, dass die Schiedsstelle nach rechtskräftiger Aufhebung der Schieds-
sprüche für die Jahre 1995 bis 1998 gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 BSHG F. 1994
verpflichtet ist, Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen sowie die dafür zu
entrichtenden Entgelte für die Jahre 1995 bis 1998 erneut festzusetzen. Zu Un-
recht meint die Beschwerde aber, dieser Aussage zur Verpflichtung der
Schiedsstelle liege ein Verfahrensfehler zugrunde. Denn selbst wenn diese
Aussage fehlerhaft wäre, läge schon kein Verfahrensfehler vor, sondern ein die
Revisionszulassung nicht rechtfertigender Fehler im Auslegungs- oder Anwen-
dungsbereich des materiellen Rechts. Zudem hält die Beschwerde der Aussage
des Berufungsgerichts zur Verpflichtung der Schiedsstelle zu Unrecht entge-
gen, den die Schiedssprüche für die Jahre 1995 bis 1998 aufhebenden Urteilen
des Verwaltungsgerichts und den diese Urteile bestätigenden Beschlüssen des
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Oberverwaltungsgerichts sei nicht zu entnehmen, dass die Schiedsstelle ver-
pflichtet ist, Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen sowie die dafür zu ent-
richtenden Entgelte neu festzusetzen. Diese Begründung der Beschwerde ver-
kennt, dass das Berufungsgericht die bezeichnete Verpflichtung der Schieds-
stelle nicht den Urteilen des Verwaltungsgerichts und den Beschlüssen des
Oberverwaltungsgerichts zu den Aufhebungen der Schiedssprüche für die Jah-
re 1995 bis 1998 entnommen hat, sondern als Folge der rechtskräftigen Aufhe-
bungen (BA S. 10 Abs. 1 letzter Satz: „Daher“) unmittelbar auf das Gesetz
(BA a.a.O.: „nach § 93 Abs. 3 Satz 2 BSHG Fassung 1994“) gestützt hat. Auch
ist weder von der Beschwerde aufgezeigt noch sonst ersichtlich, dass der Beru-
fungsbeschluss auf dieser Aussage zur Verpflichtung der Schiedsstelle beruhen
kann. Im Übrigen geht das Beschwerdevorbringen von der für die Beurteilung
der Verfahrensrüge unerheblichen, weil von der vom Berufungsgericht nicht
geteilten Rechtsauffassung aus, dass es bereits für die Zeit bis zum
31. Dezember 1998 einer gesonderten, von der Vergütungsvereinbarung zu
trennenden Leistungs- und Prüfungsvereinbarung bedürfte, und dass eine
Schiedsstelle, die für diese Zeiträume (erstmals oder erneut) über eine Vergü-
tungsvereinbarung zu befinden hat, in der Entscheidungsformel verwaltungsge-
richtlicher Entscheidungen dazu verurteilt worden sein muss, neben der Vergü-
tung auch gesonderte Leistungs- und Prüfungsvereinbarungen festzusetzen.
Diese Rechtsauffassung ist aber, was für die Zeit bis zum 31. Dezember 1998
unmittelbar aus dem Gesetz folgt (s.o. 1.), unzutreffend. Über welche Gegen-
stände und Entscheidungsdimensionen die Schiedsstelle - als Entscheidungs-
gegenstand oder Vorfrage - zu befinden hat, folgt unmittelbar aus § 93 Abs. 3
Satz 2 BSHG (in der für diese Zeiträume anzuwendenden Fassung).
2.2 Zu Unrecht sieht die Beschwerde einen Verstoß gegen die allgemein gülti-
gen Denkgesetze darin, dass das Berufungsgericht der Schiedsstelle die Kom-
petenz einräumt, im Nachhinein Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen für
Zeiträume festzusetzen, die schon längst vorbei sind. Unter Berufung auf
Rechtsprechung, unter anderem auch auf das Urteil des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 26. April 2006 - 4 LC 238/04 -, führt die Be-
schwerde dazu aus, es sei denkgesetzlich nicht möglich, im Nachhinein Fest-
setzungen von zu erbringenden Leistungen für vergangene Zeiträume zu tref-
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fen, weil nach der Art der Leistung diese nachträglich nicht mehr verändert er-
bracht werden könne. Zwar trifft es zu, dass es ausgeschlossen ist, nachträglich
das Ausmaß der zu erbringenden Leistungen auf ein Niveau über das Er-
brachte hinaus anzuheben, denn eine solche weitergehende Leistungspflicht
wäre auf Unmögliches gerichtet. Aber die Parteien können nachträglich das
Ausmaß der zu erbringenden Leistungen nach Inhalt, Umfang und Qualität auf
das Niveau des Erbrachten oder ein Niveau darunter festsetzen (Senatsbe-
schluss vom 24. September 2007 - BVerwG 5 B 77.06 -). Dementsprechend
haben, wie die Beschwerde selbst anführt (Beschwerdebegründung S. 6/7), die
Parteien eines früheren Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG 5 C 17.97) in der Revisionsverhandlung vor dem Bundesverwaltungs-
gericht auf dessen Anregung zu Protokoll erklärt, dass hinsichtlich des Leis-
tungsumfangs in dem streitigen Zeitraum 1. August bis 31. Dezember 1994 in
tatsächlicher Hinsicht die von der (dortigen) Klägerin erbrachten Leistungen
maßgeblich sein sollen.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskosten-
freiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Hund Schmidt Dr. Brunn
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