Urteil des BVerwG vom 28.11.2006

Unternehmen, Überzeugung, Glaubhaftmachung, Höchstzahl

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 150.06
VG 22 A 46.04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:
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Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 24. August 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unbegründet. Mit dem Streitverfahren verbindet sich keine
Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO, wie die Beschwerde ausschließlich geltend macht.
Die Beschwerde will die Frage rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, „ob die An-
wendbarkeit des § 2 Satz 5 NS-VEntschG i.V.m. § 4 Abs. 2a EntschG einen
Nachweis der konkreten Anzahl der in dem geschädigten Unternehmen be-
schäftigten Mitarbeiter voraussetzt oder ob eine Würdigung aller bekannten
Umstände in Bezug auf das Unternehmen ausreicht, um das Tatbestands-
merkmal von höchstens zehn Mitarbeitern im Sinne dieser Vorschrift zu beja-
hen“.
Diese Fragestellung geht auch vor dem Hintergrund des von den Beteiligten
übereinstimmend zugrunde gelegten Umstands, dass ein unwiderleglicher
Nachweis der Beschäftigtenzahl im Jahre 1938 nicht vorhanden ist, an dem
nach den Urteilsgründen eingenommenen rechtlichen Standpunkt vorbei und
würde sich demzufolge im erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Nach
den Urteilsgründen (S. 4 Mitte) liegt im Streitfall u.a. die entscheidungserhebli-
che Tatsache vor, dass das Unternehmen zum Zeitpunkt seines Verlustes nicht
mehr als zehn Mitarbeiter (einschließlich mitarbeitender Familienangehöriger)
beschäftigt hat. In dieser Aussage liegt eingeschlossen die Aussage, das Ge-
richt habe i.S.v. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Überzeugung gewonnen, zum
Verlustzeitpunkt sei die gesetzlich vorgesehene Höchstzahl an Beschäftigten
nicht übertroffen worden. Hiergegen ist aus bundesrechtlicher Sicht nicht zu
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erinnern. Insbesondere hat das Gericht nicht verkannt, dass auch in den Zu-
sammenhängen einer durch § 2 Satz 5 NS-VEntschG gebotenen entsprechen-
den Anwendung von § 4 Abs. 2a EntschG (vgl. zu Sinn und Zweck dieser Vor-
schrift: BTDrucks 12/7588 S. 37, bei kleinen Unternehmen könne der Wert des
Grundstücks den Wert des übrigen Betriebsvermögens erheblich übersteigen)
die Überzeugungsbildung sich auch und gerade auf das - neben demjenigen
des einen Betriebsgrundstücks - Merkmal „Unternehmen mit höchstens zehn
Mitarbeitern einschließlich mitarbeitender Familienmitglieder“ erstrecken muss
und das Gericht sich eine dementsprechende Überzeugungsgewissheit ver-
schaffen muss.
Infolge dessen sind die - im Übrigen nicht gegen Denkgesetze verstoßenden -
Urteilsgründe auf S. 4 f. als Ausdruck der Wahrung der gerichtlichen Pflicht zu
verstehen, die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend
gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO), und nicht als - unzulässiger - Ver-
such, die Anforderungen an die Überzeugungsbildung (etwa im Sinne einer
Reduzierung auf eine Glaubhaftmachung) zu modifizieren, die im Zusammen-
hang mit dem vorbezeichneten Merkmal durchzuführen ist. Deswegen würde
die Beschwerde fehl gehen, wenn ihr der Vorwurf zu entnehmen sein sollte, das
Verwaltungsgericht habe sich mit einer bloßen Wahrscheinlichkeitsbeurteilung
auf der Grundlage einer Würdigung aller bekannten Umstände begnügt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung folgt der beschließende Senat dem Ver-
waltungsgericht.
Dr. Säcker Dr. Brunn Prof. Dr. Berlit
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