Urteil des BVerwG vom 15.02.2007

Vergütung, Hund, Sozialhilfe, Beschränkung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 145.06
OVG 4 LC 191/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Februar 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt und Dr. Franke
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Beschluss des Nieder-
sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Au-
gust 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die allein geltend gemachte Abweichung
(§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) der Berufungsentscheidung von dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 4. August 2006 - BVerwG 5 C 13.05 - juris (zur
Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen) liegt
nicht vor.
1. Es erscheint bereits fraglich, ob - wie die Beschwerde meint - den Sätzen aus
der Berufungsentscheidung
„Die Vergütungsfestsetzungen der Schiedsstelle, von denen
eine nicht bestandskräftig ist und die anderen vorläufig sind,
und auf Grund derer Abschlagspflegesätze in der genann-
ten Höhe gezahlt worden sind, sind aus den im Folgenden
dargestellten Gründen endgültigen Vereinbarungen im Sin-
ne des § 93 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs. BSHG Fassung 1994 bzw.
diese ersetzenden bestandskräftigen Schiedsstellen-
entscheidungen gleichzusetzen mit der Folge, dass hier ein
anderer Fall nach § 93 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. BSHG Fassung
1994 nicht angenommen werden kann und die Klägerin als
Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Heimbewohners kei-
nen über die gezahlten Abschläge hinausgehenden An-
spruch hat. Die Vorschrift des § 93 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs.
BSHG Fassung 1994 ist auf diese Fälle nach Sinn und
Zweck der Regelungen in § 93 Abs. 2 Satz 1, 1. und 2. Hs.
BSHG Fassung 1994, deren Zusammenhang und der darin
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zum Ausdruck gekommenen Konzeption des Gesetzes ent-
sprechend anzuwenden."
ein (abstrahierungsfähiger) Grundsatz dahin entnommen werden kann,
„dass die Vereinbarung zwischen Einrichtungsträger und
Sozialhilfeträger über vorläufige Abschläge auf die endgül-
tige Vergütung bzw. die Festsetzung vorläufiger Abschläge
durch die Schiedsstelle § 94 BSHG mit der Vereinbarung
endgültiger Vergütungen gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG
Fassung 1999 gleichzusetzen sei.“
Aus den weiteren Ausführungen in der Berufungsentscheidung ergibt sich, dass
vorläufigen Vereinbarungen und darauf beruhenden Abschlagszahlungen Be-
deutung nur zukommt, wenn endgültige Vereinbarungen noch zu erwarten sind
(BA S. 12 Abs. 2), und eine (vorläufige) Beschränkung der Leistungspflicht des
Sozialhilfeträgers auf Abschlagszahlungen nur bis zum Inkrafttreten einer end-
gültigen Regelung berechtigt ist (BA S. 11 a.E.; s.a. S. 15 Abs. 3). Das Beru-
fungsgericht setzt die vorläufigen Vereinbarungen den endgültigen mithin nicht
insgesamt gleich (BA S. 11 Abs. 3), sondern nur insoweit, als sie seiner (zutref-
fenden) Auffassung nach einer Übernahme der Vergütung nach § 93 Abs. 3
BSHG entgegenstehen.
Außerdem käme es darauf nach dem Urteil des Senats vom 4. August 2006
(a.a.O.) nicht an. Wie der Senat in diesem Urteil näher ausgeführt hat, liegt
- auch im Verhältnis zu ortsfremden Sozialhilfeträgern - ein „anderer Fall“ i.S.d.
§ 93 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BSHG F. 1994 bzw. ein Fall des § 93 Abs. 3 Satz 1
BSHG F. 1999 nicht vor, solange gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG F. 1994
bzw. § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG F. 1999 eine Vereinbarung bzw. eine sie gestal-
tende Schiedsstellenentscheidung zwischen einer Einrichtung und dem örtlich
zuständigen Träger der Sozialhilfe tatsächlich und rechtlich möglich ist. Vorläu-
fig festgesetzte oder vereinbarte Entgelte bzw. Vergütungen stehen zwar den
endgültig vereinbarten oder festgesetzten Entgelten bzw. Vergütungen nicht
gleich. Die Gewährung von Sozialhilfe ohne Bezug zu einer Vereinbarung ist
aber „gesperrt“, solange der angestrebte Abschluss einer Vereinbarung bzw.
eine vereinbarungsgestaltende Schiedsstellenentscheidung rechtlich und tat-
sächlich möglich ist (Urteil vom 4. August 2006 a.a.O. juris Rn. 23).
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2. Es kann auch offenbleiben, ob die Gleichsetzung von vorläufigen mit endgül-
tigen Vereinbarungen in Bezug auf den Anwendungsausschluss des § 93
Abs. 3 BSHG durch das Berufungsgericht von dem Urteil vom 4. August 2006
(a.a.O. u.a. juris Rn. 24) abweicht. Nach diesem Urteil ist ein Anspruch auf
endgültig höhere Sozialhilfeleistungen für die Heimunterbringung nicht deshalb
- derzeit - unbegründet, weil für die streitgegenständliche Zeit vorläufige Entgel-
te bzw. Vergütungen sei es aufgrund von Schiedsstellenentscheidungen oder
von gerichtlichen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz festgesetzt
oder als vorläufig vereinbart worden sind, sondern deshalb, weil eine ange-
strebte endgültige Vereinbarung (noch) nicht abgeschlossen ist bzw. eine
Schiedsstellenentscheidung noch nicht bestandskräftig ist, solches aber noch
möglich ist. Im Einklang hiermit hat das Berufungsgericht zwischen vorläufiger
und endgültiger Vergütungsvereinbarung differenziert und darauf abgestellt,
dass „solange (die) auf den Abschluss (endgültiger) Vereinbarungen gerichte-
ten Verhandlungen/Verfahren ‚schweben’ und im Hinblick hierauf Abschläge an
den Einrichtungsträger gezahlt werden, nicht angenommen werden (kann),
dass Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs. BSHG Fassung 1994
nicht abgeschlossen sind und damit der Fall einer nicht vertragsgebundenen
Einrichtung vorliegt, den allein § 93 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. BSHG Fassung 1999
regelt“ (BA S. 11 Abs. 3/S. 12 Abs. 1; s.a. S. 15 Abs. 3).
Selbst wenn das Berufungsgericht mit einer Gleichsetzung von vorläufigen und
endgültigen Vereinbarungen von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 4. August 2006 (a.a.O.) abweichen sollte, so beruht die Berufungsent-
scheidung jedenfalls hierauf nicht. Denn diese Gleichsetzung ist für den Aus-
schluss der Anwendung des § 93 Abs. 3 BSHG in der Berufungsentscheidung
nicht tragend.
3. Soweit die Klägerin vorträgt, das Bundesverwaltungsgericht habe im Urteil
vom 4. August 2006 (a.a.O.) entschieden, die Klage auf die Übernahme einer
höheren Vergütung sei derzeit unbegründet, während das Berufungsgericht die
Klage auf die Übernahme einer höheren Vergütung endgültig abgewiesen habe,
verkennt sie, dass das Berufungsgericht dahin erkannt hat, dass die Klägerin
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„nach (auf Grund) der gegenwärtigen Sachlage“ keinen Anspruch auf die Über-
nahme einer höheren Vergütung habe (BA S. 5 Abs. 3, S. 17 Abs. 5). Für den
Fall, dass „das Zustandekommen endgültiger Vereinbarungen … nicht mehr zu
erwarten ist“ und damit nach Auffassung des Berufungsgerichts „die nach § 93
Abs. 2 Satz 1, 1. Hs. BSHG Fassung 1994 zu schließende Vereinbarung
- endgültig - nicht abgeschlossen“ ist und damit „ein ‚anderer Fall’ im Sinne des
§ 93 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. BSHG Fassung 1994“ vorliegt, hat das Beru-
fungsgericht entschieden, dass dann „keine Grundlage für eine (vorläufige) Be-
schränkung der dem Hilfeempfänger gegenüber bestehenden Leistungspflicht
des Sozialhilfeträgers auf … Abschlagspflegesätze“ bestehe (BA S. 12 Abs. 2).
Es hat damit für einen solchen Fall einen Anspruch der Klägerin auf über die
gezahlten Abschlagspflegesätze hinausgehende Leistungen gerade nicht abge-
lehnt, und zwar unabhängig davon, ob ausdrücklich die Nachzahlung eines Dif-
ferenzbetrages zugesagt worden ist.
4. Die Ausführungen der Beschwerde dazu, dass die Unterschiede zwischen
dem angefochtenen Beschluss und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 4. August 2006 zu der Notwendigkeit unterschiedlicher Tatsachengrundla-
gen führten und der angefochtene Beschluss keine Feststellungen dazu enthal-
te, ob der Abschluss von Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen
für die streitgegenständliche Zeit rechtlich und tatsächlich noch möglich sei,
führen nicht auf einen Revisionszulassungsgrund. Die Beschwerde wendet sich
insoweit lediglich gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Beru-
fungsgerichts, ohne einen Bezug zu einem der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeich-
neten Zulassungsgründe aufzuzeigen.
5. Jedenfalls die Ergebnisrichtigkeit der Berufungsentscheidung steht in ent-
sprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO (stRspr; vgl. etwa Beschlüs-
se vom 17. März 1998 - BVerwG 4 B 25.98 - Buchholz 406.17 Bauordnungs-
recht Nr. 66 und vom 22. August 1996 - BVerwG 8 B 100.96 - Buchholz 310
§ 144 VwGO Nr. 62 m.w.N.) der Zulassung der Revision entgegen.
6. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskosten-
freiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Hund Schmidt Dr. Franke
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