Urteil des BVerwG vom 24.04.2007
Expertenkommission, Beurteilungsspielraum, Öffentlich, Beweisantrag
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 120.07
OVG 5 B 16.05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. April 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke
und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Berlin-Brandenburg vom 23. November 2006 wird zurück-
gewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 4 155,98 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des
Oberverwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die Revision ist weder wegen
grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch wegen des geltend
gemachten Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
1. Der Rechtssache kommt nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene
grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zur Darlegung (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO) der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist er-
forderlich, dass eine konkrete, verallgemeinerungsfähige Frage des revisiblen
Rechts aufgezeigt wird, die zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtspre-
chung oder zur Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung be-
darf.
1.1 Dies ist in Bezug auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage (S. 3 der
Beschwerdebegründung),
„1) Steht der Behörde bezüglich der Tatbestandsvoraus-
setzungen
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‚die Möglichkeit eines verstärkten Förderungsabbaus
bleibt vorbehalten, wenn dies
a) zur Fortführung des öffentlich geförderten Wohnungs-
baus erforderlich und im Hinblick auf die allgemeine wirt-
schaftliche Entwicklung, insbesondere auf die allgemeine
Einkommensentwicklung der breiten Schichten der Bevöl-
kerung, vertretbar ist;
b) infolge einer allgemeinen Anhebung des Mietenniveaus
oder aus anderen Gründen im Rahmen der Wirtschaft-
lichkeit der geförderten Bauvorhaben möglich und allge-
mein oder für eine Gruppe von Fällen durch die für das
Bau- und Wohnungswesen zuständige Senatsverwaltung
angeordnet wird.’
ein Beurteilungsspielraum zu oder ist das Vorliegen der
Tatbestandsvoraussetzungen vom Gericht vollumfänglich
nachprüfbar?“,
nicht der Fall. Diese Frage berührt nicht die Auslegung oder Anwendung einer
Norm des revisiblen Bundesrechts, sondern betrifft die Auslegung der in den
Bescheid der Investitionsbank Berlin vom 28. März 2000 über die Bewilligung
von Anschlussförderung aufgenommenen Nebenbestimmung. Diese wird nicht
schon deswegen zu einer verallgemeinerungsfähigen Frage revisiblen Bundes-
rechts, die einer generellen Klärung durch das Revisionsgericht zugänglich wä-
re, weil sie sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle stellt. Sie werden auch
nicht dadurch zu Fragen, die sich auf revisibles Bundesrecht beziehen, dass
§ 44 Abs. 2 Satz 2 II. Wohnungsbaugesetz (in der Fassung vom 19. August
1994, BGBl I S. 2137) für eine vorzubehaltende Zinsanpassung bei öffentlichen
Wohnungsbaudarlehen vergleichbare Formulierungen verwendet.
Diese Frage rechtfertigte auch deswegen nicht die Revisionszulassung wegen
grundsätzlicher Bedeutung, weil das Berufungsgericht dem beklagten Land
nicht einen Beurteilungsspielraum in Bezug auf die tatbestandlichen Vorausset-
zungen des Widerrufsvorbehalts zugebilligt hat. Vielmehr hat das Berufungsge-
richt dem beklagten Land einen weiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der
„Beifügung von Nebenbestimmungen, die die Vergabe begrenzen oder einer
späteren Kürzung unterwerfen und dabei eine erneute Abwägung und politische
Prioritätensetzung ermöglichen“ zugebilligt und aufgrund seiner Rechts-
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auffassung zur Kontrolle der Tatbestandsvoraussetzungen, dass der „verwen-
dete Begriff ‚erforderlich’ eine haushalts- und wohnungspolitische Wertung und
Prognose“ betreffe, dem Subventionsgeber einen Einschätzungsspielraum da-
für zugebilligt, ob der Landeshaushalt erheblich entlastet werde, bei dem sich
die gerichtliche Prüfung darauf beschränke, ob der Beklagte sachliche Erwä-
gungen angestellt habe (S. 20 des Urteilsausdrucks). Dass dies mit dem Bun-
desrecht in Einklang steht, ist in dem auch von dem Berufungsgericht herange-
zogenen Urteil des Senats vom 11. Mai 2006 - BVerwG 5 C 10.05 - (NVwZ
2006, 1184) für die Einstellung einer Anschlussförderung geklärt (zu dem im
Bereich der Wohnungsbauförderung bei der Festsetzung der Fördersätze und
der Untergrenze der Tragbarkeit zuzubilligenden Einschätzungsprärogative s.a.
Urteil vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 21.87 - BVerwGE 84, 167, 176). Es
ist nicht erkennbar, dass für die Ausschöpfung eines Widerrufsvorbehalts bei
bewilligter Anschlussförderung anderes gelten könnte oder hier weiterer oder
neuerlicher Klärungsbedarf bestünde.
1.2 Die weiterhin von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,
„2) Unter welchen Voraussetzungen ist eine Fördermittel-
kürzung zur Fortführung des sozialen Wohnungsbaus ‚er-
forderlich’?
3) Wann ist eine außerplanmäßige Fördermittelkürzung
nicht mehr ‚vertretbar’?“,
betreffen ebenfalls die einzelfallbezogene Auslegung und Anwendung der Vor-
aussetzungen des in dem Bewilligungsbescheid wirksam vorbehaltenen Wider-
rufs. Auch hier gilt, dass sie nicht dadurch zu Fragen, die sich auf revisibles
Bundesrecht beziehen, werden, dass § 44 Abs. 2 Satz 2 II. Wohnungsbau-
gesetz eine vergleichbare Formulierungen verwendet.
2. Die Revision ist auch nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen ei-
nes Verfahrensmangels zuzulassen.
Die von der Beschwerde erhobene Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO), das
Berufungsgericht habe dadurch den Sachverhalt ungenügend aufgeklärt, dass
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es nicht „Beweis über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Wi-
derrufsvorbehalts erhoben“ hat, bei dem sich herausgestellt hätte, „dass die von
dem Beklagten vorgelegten Zahlen nicht zutreffen und dass die allgemeine
wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere die Einkommensentwicklung, eine
Fördermittelverkürzung mit der Folge einer Mieterhöhung gerade nicht
erscheinen“ lässt, genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Wer, wie die Klägerin, die Rüge der Verletzung der
Aufklärungspflicht erhebt, obwohl er - durch eine nach § 67 Abs. 1 VwGO
postulationsfähige Person vertreten - in der Vorinstanz keinen förmlichen Be-
weisantrag gestellt hat (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO), muss, um den gerügten Ver-
fahrensmangel prozessordnungsgemäß zu bezeichnen, substantiiert darlegen,
warum sich dem Tatsachengericht aus seiner für den Umfang der verfahrens-
rechtlichen Sachaufklärung maßgebenden materiellrechtlichen Sicht die Not-
wendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der aufgezeichneten Richtung hät-
te aufdrängen müssen (vgl. Beschlüsse vom 2. März 1978 - BVerwG 6 B
24.78 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164 S. 43 f., vom 1. April 1997 - BVerwG
4 B 206.96 - NVwZ 1997, 890 <893>, vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B
261.97 - NJW 1997, 3328 und vom 13. März 2003 - BVerwG 5 B 267.02 - juris).
Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines
Prozessbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von
förmlichen Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. Beschlüsse vom 6. März
1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 und vom
10. Oktober 2001 - BVerwG 9 BN 2.01 - NVwZ-RR 2002, 140).
Nach diesen Grundsätzen musste sich dem Berufungsgericht eine weitere
Sachaufklärung nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Beteiligten hier
nicht aufdrängen. Das Berufungsgericht hat für seine Entscheidungsfindung in
Bezug auf die Wohnungsmarktlage u.a. den Bericht einer Expertenkommission
zur Anschlussförderung im öffentlich geförderten Wohnungsbaus im Land Berlin
(vom Januar 2003) und einen Bericht der Senatsverwaltung für Stadt-
entwicklung über den Berliner Wohnungsmarkt - Wohnungsmarktbericht 2004)
herangezogen und in dem Bericht der Expertenkommission eine dem von der
Klägerin vorgelegten Parteigutachten, mit dem sich auch ein von dem beklagten
Land in das Verfahren eingeführtes Privatgutachten befasst hat, wegen der
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interessenübergreifenden Zusammensetzung der Expertenkommission überle-
gene Erkenntnisquelle in Bezug auf die Frage eines Mietpreisvorteils von Sozi-
alwohnungen erkannt (Urteilsausdruck S. 26). Bei dieser Sachlage musste sich
dem Berufungsgericht nicht die Notwendigkeit eines „gerichtlichen Obergutach-
tens“ aufdrängen. Auch die Klägerin hat ausweislich der Sitzungsniederschrift in
der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht keinen entsprechenden
Beweisantrag gestellt.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung
über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, 3 GKG und übernimmt
die von den Beteiligten nicht beanstandete Wertfestsetzung des Berufungsge-
richts.
Schmidt Dr. Franke Prof. Dr. Berlit
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