Urteil des BVerwG vom 27.01.2004

Auskunft, Rüge, Glaubhaftmachung, Begriff

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 12.04 (5 PKH 9.04)
VGH 19 B 01.792
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:
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Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 15. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Kläger, ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiord-
nung ihres Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, wird abge-
lehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 8 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des
Verwaltungsgerichtshofs hat keinen Erfolg. Soweit die der Rechtssache von der Be-
schwerde als allein bezeichneter Zulassungsgrund beigemessene grundsätzliche Be-
deutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) überhaupt als im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO ordnungsgemäß dargelegt betrachtet werden kann, liegt sie jedenfalls nicht
vor.
Die von der Beschwerde als grundsätzlicher Klärung bedürftig bezeichnete Frage,
"ob ein in sich stimmiger und damit glaubhafter Vortrag zwingend nicht vorlie-
gend kann (…), wenn der einschlägige Sachvortrag erstmals zu einem we-
sentlich späteren Zeitpunkt erfolgt (hier im Zeitpunkt der mündlichen Verhand-
lung vor dem Verwaltungsgericht über sechs Jahre nach den früheren Anga-
ben), oder ob (…) etwa ein besonderer Vorfall (hier der schwere Unfall des
Sohnes mit Schwersthirnschädigung, die nach über dreijährigem Koma und
Siechtum zum Tode führte) es rechtfertigen kann, dass der spätere Sachvor-
trag zunächst zurücktritt und in Verbindung mit der Persönlichkeitsstruktur erst
zu einem späteren Zeitpunkt in das Verfahren eingeführt wird",
führt nicht auf eine Fragestellung hin, die einer revisionsgerichtlichen Klärung zu-
gänglich wäre.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 3. März 1998
- BVerwG 9 C 3.97 - BVerwGE 106, 191), die das Berufungsgericht zugrunde gelegt
hat, sind der Begriff der "Benachteiligungen" im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG sowie
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die Anforderungen geklärt, welche Anforderungen an die Glaubhaftmachung zu stel-
len sind (a.a.O., S. 200). Die Kläger machen in der Sache geltend, dass das Beru-
fungsgericht die Angaben der Kläger zum Benachteiligungsschicksal abweichend
von dem Verwaltungsgericht gewürdigt und fehlerhaft dahin erkannt habe, dass die
Kläger nicht glaubhaft gemacht hätten, im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG am 31. De-
zember 1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benach-
teiligung auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit unterlegen zu sein. Das Be-
schwerdevorbringen betrifft durchweg die einzelfallbezogene Feststellung und Wür-
digung des Sachverhalts, die nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist; es führte
selbst dann, wenn es zuträfe, nicht auf eine einer rechtsgrundsätzlicher Klärung zu-
gängliche Frage.
Weiteren oder zusätzlichen Klärungsbedarf zum Benachteiligungsbegriff wirft auch
nicht die unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Heimatauskunftsstelle Ru-
mänien vom 22. März 2000 betreffend eine verstärkte und durchschlagende Feind-
seligkeit gegenüber den nationalen Minderheiten aufgeworfene Frage auf, ob
"berufliche und vergleichbare Nachteile, die die Angehörigen der Minderheiten
(…) ausgrenzen, jedenfalls dann Benachteiligungen von mehr als nur gerin-
gem Gewicht darstellen, wenn sie die berufliche Würde betreffen und vom Ar-
beitnehmer nur durch Kündigung und Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis
vermeidbar sind";
solche schwerwiegenden und die berufliche Würde betreffenden Nachteile hat das
Berufungsgericht, das sich zu der genannten Auskunft verhalten hat, für den Kläger
zu 1 gerade nicht festgestellt.
Das Beschwerdevorbringen geht auch daran vorbei, dass das Berufungsgericht für
die Bewertung des Vorbringens der Kläger nicht allein auf den Zeitpunkt abgestellt
hat, zu dem insbesondere der Kläger zu 1 seine bisherigen Angaben zu Benachteili-
gungen wegen deutscher Volkszugehörigkeit ergänzt und vertieft hat, sondern sich
auch damit auseinandersetzt, welche Bedeutung hierbei dem Schicksal des Sohnes
des Klägers zu 1 beizumessen sei (Berufungsurteil S. 12 f.). Überdies hat das Beru-
fungsgericht dahin erkannt, dass die "Vorgänge an den Arbeitsstellen des Klägers
zu 1 […] bereits nicht als Benachteiligungen im Sinne § 4 Abs. 2 BVFG n.F. - also als
Nachteile von mehr als nur geringem Gewicht - zu bewerten" (Berufungsurteil S. 12)
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seien und dass auch "dem weiteren Vorbringen des Klägers zu 1 […] keine
Benachteiligung im Sinne [von] § 4 Abs. 2 BVFG n.F. wegen seiner deutschen
Volkszugehörigkeit zu entnehmen" sei (Berufungsurteil S. 13); die mit der Beschwer-
de aufgeworfene Frage ist mithin auch nicht entscheidungserheblich.
Soweit durch den Hinweis des Beschwerdevorbringens, dass nach der Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1989
- BVerwG 9 B 405.89 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 212; Urteil vom 21. Juni
1988 - BVerwG 9 C 12.88 - BVerwGE 79, 347 <356>) für einen durch Einzelheiten
substantiierten, in sich stimmigen Vortrag des Benachteiligungsschicksals nicht
durchweg die Angabe genauer Einzelheiten erforderlich sei, eine Abweichung des
Berufungsgerichts von dieser Rechtsprechung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hätte ge-
rügt werden sollen, genügte diese Rüge bereits nicht den Anforderungen des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO und griffe auch in der Sache nicht durch.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Bun-
desverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil es aus den oben genannten Gründen
keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, §§ 114, 121 Abs. 1
ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100
Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung aus § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 GKG.
Dr. Säcker Dr. Franke Prof. Dr. Berlit