Urteil des BVerwG vom 14.07.2003

Rechtliches Gehör, Rüge, Widerruf, Verfahrensmangel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 12.03
OVG 12 A 5021/00
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juli 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in
dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 14. November 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten
werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
1.1 Es begegnet bereits erheblichen Bedenken, ob das Vorbringen des Klägers, das Beru-
fungsgericht betrachte § 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans
des Landes Nordrhein-Westfalen 1994 vom 21.12.1993 zu Unrecht als taugliche Ermächti-
gungsgrundlage für die Widerrufsentscheidung, verkenne die fehlende Ermessensausübung
und unterstelle, "dass dies bei intendierten Ermessensentscheidungen nicht notwendig sei"
und meine schließlich unzutreffend, "dass die Entscheidung innerhalb der Ausschlussfrist
ergangen sei", in Verbindung mit den diese Einwendungen gegen die angegriffene Ent-
scheidung stützenden Ausführungen den nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung
dieses Zulassungsgrundes zu stellenden Anforderungen genügt. Der Rechtssache kommt
die ihr von dem Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung jedenfalls nicht zu.
1.2 Einer Zulassung der Revision wegen der an § 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Feststel-
lung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen 1994 vom 15. Dezember 1993
(GVBl 1993 S. 998) anknüpfenden Erwägungen steht bereits entgegen, dass es sich um
auslaufendes Recht handelt. Diese Regelung ist nicht mehr in Kraft. Der Bundesgesetzgeber
hat den Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte mit Wirkung für die
Vergangenheit inzwischen in § 47 Abs. 2 SGB X geregelt, der mit Wirkung vom 21. Mai 1996
(Gesetz vom 2. Mai 1996, BGBl I S. 656) in das Gesetz eingefügt worden ist. Eine Re-
visionszulassung kommt zwar auch zur Klärung einer Frage ausgelaufenen Rechts aus-
nahmsweise z.B. dann in Betracht, wenn der außer Kraft getretenen Vorschrift eine Bestim-
mung nachgefolgt ist, bei der sich die streitige Frage in gleicher Weise stellt (vgl. z.B. Be-
schluss des Senats vom 27. Februar 1997 - BVerwG 5 B 155.96 - Buchholz 310 § 132
Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 15). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. An die Stelle der vom Beru-
fungsgericht herangezogenen landesrechtlichen Bestimmung ist mit § 47 Abs. 2 SGB X eine
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bundesgesetzliche Regelung getreten, bei der sich die vom Kläger aufgeworfenen Fragen
zur Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers ebenso wenig stellen wie die Frage
eines Verstoßes gegen ein landesverfassungsrechtliches Bepackungsverbot; insoweit hat
der Kläger bereits keine Frage grundsätzlicher Bedeutung im Bereich des revisiblen Rechts
(§ 137 Abs. 1 VwGO) bezeichnet. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das ausgelaufene
Recht noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in unabsehbarer Zukunft von Be-
deutung sein könnte (vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B
35.95 - m.w.N.; Beschluss vom 23. Februar
1999 - BVerwG 2 B 11.99 -); für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der
Beschwerdeführer darlegungspflichtig (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995, a.a.O.,
m.w.N.).
1.3 Soweit der Kläger die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der Betätigung des Wi-
derrufsermessens und zum Beginn der Jahresfrist des § 49 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4
Satz 1 VwVfG NRW angreift, rügt er in der Sache eine aus seiner Sicht fehlerhafte Anwen-
dung rechtsgrundsätzlich hinreichend geklärter und von dem Berufungsgericht nicht in Frage
gestellter Rechtssätze im Einzelfall. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
(BVerwGE 105, 55 <57 ff.> = NJW 1998, 2233 <2234>) sind insbesondere die Anforderun-
gen, die an die Begründung der Ermessensentscheidung bei Widerruf einer Zuwendungs-
entscheidung zu stellen sind, ebenso geklärt wie die Frage, unter welchen Voraussetzungen
der Lauf der Jahresfrist des § 49 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW be-
ginnt (BVerwGE 112, 361 <363>). Weitergehenden Klärungsbedarf bezeichnet das Be-
schwerdevorbringen nicht.
2. Auch die mit der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)
rechtfertigen eine Revisionszulassung nicht.
2.1 Die Rüge, das Berufungsgericht sei seiner Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu
erforschen (§ 86 Abs. 1 VwGO), nicht in der gebotenen Weise gerecht geworden, genügt be-
reits nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Rüge der Verletzung des verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatzes erfordert
zum einen die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklä-
rungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungs-
maßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen
bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen wor-
den wären (vgl. nur BVerwGE 55, 159 <169 f.>); zum anderen muss entweder dargelegt
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werden, dass bereits im Berufungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungs-
verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr
gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Berufungsgericht die bezeichneten
Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (sie-
he etwa Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1
VwGO Nr. 265; Beschluss vom 13. März 2003 - BVerwG 5 B 253.03 -).
Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht, da sich die Aufklärungsrüge
insoweit gegen die Bewertung und Würdigung des festgestellten Sachverhaltes durch das
Berufungsgericht wendet, aber nicht in hinreichend substantiierter Weise unter Auseinan-
dersetzung mit den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts und dessen insoweit
maßgeblicher Rechtsauffassung aufgezeigt wird, warum sich dem Berufungsgericht eine
weitere Tatsachenaufklärung zu der Frage, ob in der fraglichen Zeit drei Veranstaltungen von
drei unterschiedlichen Trägern oder nur eine Veranstaltung des Klägers stattgefunden
haben, hätte aufdrängen müssen. In der Sache greift die Beschwerde die Sachverhalts- und
Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an, die dem sachlichen Recht zuzurechnen ist;
damit kann aber - wie aus der auch vom Kläger herangezogenen Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710/94 -
NVwZ-RR 1996, 359; Beschluss vom 30. September 1996 - BVerwG 4 B 175.96 - NVwZ-RR
1997, 214 <215>) folgt - ein Verfahrensmangel i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätz-
lich nicht begründet werden.
2.2 Soweit das Beschwerdevorbringen dahin zu verstehen sein sollte, dass der Kläger auch
eine Verletzung des Grundsatzes, dass rechtliches Gehör zu gewähren ist (Art. 103 Abs. 1
GG), hat rügen wollen, griffe auch diese Rüge nicht durch. Die Beschwerde bezeichnet be-
reits nicht, was der Kläger weiteres oder anderes vorgetragen hätte, wäre ihm aus seiner
Sicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden; das ergebnisbezogene Vorbringen, bei
Durchführung der bezeichneten Aufklärungsmaßnahmen hätte sich die Durchführung tat-
sächlich mehrerer Veranstaltungen mit denselben Teilnehmern und damit ein dem Kläger
günstigeres Ergebnis ergeben, reicht hierfür nicht aus. Das Berufungsgericht brauchte dem
Kläger über die Erörterung der teils von dem Kläger selbst stammenden und ihm im Übrigen
nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auf Grund gewährter
Aktensicht bekannten Schriftstücke in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsge-
richt hinaus keine zusätzliche "Gelegenheit zur Stellungnahme zur Interpretation gerade die-
ser Schriftstücke" gewähren.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus
§ 188 Satz 2 VwGO.
Dr. Säcker
Dr. Franke
Prof. Dr. Berlit