Urteil des BVerwG vom 20.02.2008

Rechtliches Gehör, Aufenthalt, Eltern, Gemeinde

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 109.06
VGH 12 BV 04.3588
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Februar 2008
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt und Dr. Brunn
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwal-
tungsgerichtshofs vom 6. September 2006 wird zurück-
gewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 9 600 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist nicht begründet.
Die Revision kann nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen wer-
den, weil der Rechtssache nicht, wie vom Kläger geltend gemacht, grundsätzli-
che Bedeutung zukommt.
Die Rechtsfrage, ob Eltern, die sich zwar getrennt voneinander in verschiede-
nen Gemeinden, aber im Bereich desselben örtlichen Jugendhilfeträgers auf-
halten, entweder in diesem (des örtlichen Trägers) Bereich ihren gewöhnlichen
Aufenthalt im Sinne von § 86 Abs. 1 SGB VIII haben oder mit Rücksicht auf ihre
getrennten Aufenthalte in verschiedenen Gemeinden verschiedene gewöhnliche
Aufenthalte im Sinne von § 86 Abs. 2 SGB VIII haben, bedarf keiner Klärung in
einem Revisionsverfahren. Denn ihre Antwort ergibt sich ohne Weiteres, d.h.
ohne eingehende Begründung, aus dem Gesetz.
Der Kläger liest, versteht und legt § 86 Abs. 1 und 2 SGB VIII dahin aus, als
stünde in Absatz 2, „Leben die Eltern nicht zusammen …“. Dort heißt es aber,
„Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte“. Danach führt
nicht das Getrenntleben allein zur Anwendung des § 86 Abs. 2 SGB VIII und
damit zur Anknüpfung der Zuständigkeit an den gewöhnlichen Aufenthalt nur
eines Elternteils, sondern erst dann, wenn die Elternteile verschiedene gewöhn-
liche Aufenthalte haben. Ob Eltern, Elternteile den gleichen - nicht notwendig
gemeinsamen - gewöhnlichen Aufenthalt (§ 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) oder
verschiedene gewöhnliche Aufenthalte (§ 86 Abs. 2 SGB VIII) haben, hängt, da
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§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I für den gewöhnlichen Aufenthalt auf das Verweilen
„an diesem Ort oder in diesem Gebiet“ abstellt, maßgeblich vom örtlichen Be-
zug zum Bezugsgegenstand - hier: zu dem Bereich des örtlichen Jugendhilfe-
trägers - ab.
Da für die Zuständigkeit nach § 86 SGB VIII der gewöhnliche Aufenthalt im Be-
reich eines örtlichen Trägers maßgeblich ist - in Bayern die Landkreise und
kreisfreien Gemeinden (Art. 3 BayKJHG, Art. 15 AGSG) -, kommt es für die
Zuständigkeitsbestimmung nach § 86 SGB VIII nicht auf den gewöhnlichen
Aufenthalt in einer bestimmten kreisangehörigen Gemeinde, sondern allein
darauf an, in welchem Landkreis bzw. welcher kreisfreien Gemeinde sich die
Eltern, die Elternteile aufhalten. Halten sich Eltern, wenn auch getrennt, im Be-
reich desselben örtlichen Trägers auf, haben sie in diesem Bereich ihren ge-
wöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII und nicht ver-
schiedene gewöhnliche Aufenthalte im Sinne von § 86 Abs. 2 SGB VIII. Das ist,
wie auch vom Kläger gesehen, mit Ausnahme des Urteils des Verwaltungsge-
richts München vom 24. November 2004 - M 18 K 04.1713 - übereinstimmende
Auffassung in Rechtsprechung und Literatur.
Die Revision kann auch nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen
werden. Zwar macht der Kläger mit der Beschwerde geltend, seine Stellung-
nahme vom 17. August 2006 mit dem Verweis auf das Schreiben des Bayeri-
schen Kommunalen Prüfungsverbands vom 2. August 1991 sei vom Beru-
fungsgericht in der Urteilsbegründung nicht gewürdigt worden. Damit rügt er
aber nicht, sein Vortrag sei insoweit überhaupt nicht zur Kenntnis genommen
bzw. nicht in Erwägung gezogen worden. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf
rechtliches Gehör lässt sich damit nicht begründen. Vielmehr ist in der Regel
- und so auch hier - davon auszugehen, dass Gerichte das von ihnen entge-
gengenommene Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwä-
gung ziehen. Sie sind aber nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in
den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, Kammer-
beschluss vom 23. Juli 2003 - 2 BvR 624/01 - BVerfGK 1, 259).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO,
die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Hund
Schmidt
Dr. Brunn
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