Urteil des BVerwG vom 30.06.2005

Lebensgemeinschaft, Nummer, Geburt, Zusammenwirken

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 109.04
VGH 7 S 2749/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t und Dr. R o t h k e g e l
beschlossen:
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Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 28. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Ge-
richtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
Die auf Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
gerichtete Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet.
Soweit die Beklagte eingangs ihrer Beschwerdebegründung vorträgt, der Verwal-
tungsgerichtshof habe "in seinem Urteil die Vorschriften des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1
- 4 in Verbindung mit Satz 3 BAföG unzutreffend ausgelegt", hat sie noch keine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) aufgezeigt.
Im Folgenden befasst sich die Beschwerdebegründung (Seite 2 Abs. 2 bis Seite 3
Abs. 3) mit den Nummern 1 bis 3 des § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG und Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts zu § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BAföG. Auch damit wirft
sie aber keine in einem Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung auf, weil das Berufungsurteil allein auf § 10 Abs. 3 Satz 2
Nr. 4 BAföG gestützt ist. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, "keiner der Aus-
nahmetatbestände des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 - 4 in Verbindung mit Satz 3 BAföG
(sei) bei der Beschwerdegegnerin verwirklicht, da sie nicht gehindert (gewesen sei),
ihre Ausbildung rechtzeitig zu beginnen", verkennt sie in Bezug auf die Nummer 4,
dass die Hinderung, den Ausbildungsabschnitt rechtzeitig zu beginnen, zwar nach
Nummer 3, nicht aber nach Nummer 4 Voraussetzung ist.
Nach Auffassung der Beklagten "stellt die Trennung der Beschwerdegegnerin von
ihrem Lebensgefährten keine einschneidende Veränderung im Sinne des § 10 Abs. 3
Satz 2 Nr. 4 BAföG dar, weil sie durch ihn in keiner Weise unterhaltsrechtlich
abgesichert war" (Beschwerdebegründung S. 3 Abs. 4). Damit will die Beklagte
grundsätzlich geklärt wissen, ob im Scheitern einer eheähnlichen Lebensgemein-
schaft eine einschneidende Veränderung der persönlichen Verhältnisse im Sinne des
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§ 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BAföG gesehen werden kann. Diese isoliert auf das
Scheitern der eheähnlichen Lebensgemeinschaft bezogene Frage stellte sich dem
Berufungsgericht jedoch nicht. Es hat ausdrücklich offen gelassen, "ob und unter
welchen Voraussetzungen das Scheitern einer langjährigen eheähnlichen Lebens-
gemeinschaft für sich allein eine einschneidende Veränderung im Sinne des § 10
Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BAföG darstellen kann". Vielmehr hat das Berufungsgericht - wie
es auch die Beklagte versteht (Beschwerdebegründung Seite 4 Abs. 2) - im Streitfall
die einschneidende Veränderung in den persönlichen Verhältnissen der Klägerin "in
dem Zusammenwirken von zwei die Lebensführung der Beschwerdegegnerin prä-
genden Umständen, nämlich der Geburt ihrer Tochter und (der) dadurch ausgelös-
te(n) Auflösung der langjährigen Lebensgemeinschaft mit dem Vater des Kindes"
gesehen, wobei es als weiteren und damit dritten Grund für das Bedürftigwerden der
Klägerin noch auf die Besonderheiten ihrer bisherigen Tätigkeit als Kulturmanagerin
und Geschäftsführerin in Konzertagenturen abgestellt hat. Damit stellt sich im Streit-
fall die Frage nicht, ob bereits das Scheitern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft
eine einschneidende Veränderung der persönlichen Verhältnisse im Sinne des § 10
Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BAföG ist.
Soweit die Beklagte schließlich geltend macht, die Auffassung des Berufungsgerichts
sei fehlerhaft, für die Frage der einschneidenden Veränderung in den persönlichen
Verhältnissen auf das Zusammenwirken von zwei die Lebensführung der Klägerin
prägenden Umständen, nämlich die Geburt ihrer Tochter und die dadurch ausgelöste
Auflösung der langjährigen Lebensgemeinschaft mit dem Vater des Kindes,
abzustellen, meint sie zu Unrecht, "eine Ausnahme von der Einhaltung der Alters-
grenze aufgrund der Geburt … des Kindes (sei) in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BAföG
spezialgesetzlich abschließend geregelt". Es bedarf keiner Durchführung eines Revi-
sionsverfahrens, sondern ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz, dass von
Nummer 3 die persönlichen und familiären Gründe erfasst sind, die den Auszubil-
denden hindern, den Ausbildungsabschnitt rechtzeitig zu beginnen, - Nummer 3
nennt nicht ausdrücklich die Geburt, aber die Erziehung von Kindern - und von
Nummer 4 die einschneidenden Veränderungen der persönlichen Verhältnisse er-
fasst sind, in deren Folge der Auszubildende bedürftig geworden ist. Die Geburt ei-
nes Kindes, hier im Zusammenwirken mit anderen Umständen, kann zweifellos eine
solche einschneidende Veränderung sein.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit
auf § 188 Satz 2 VwGO.
Dr. Säcker Schmidt Dr. Rothkegel