Urteil des BVerwG vom 28.06.2006

Duldung, Aufklärungspflicht, Verwirkung, Zeugnis

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 107.05
OVG 16 A 4152/02
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Juni 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt und Dr. Franke
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. November
2005 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
Die allein auf Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwer-
de gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwal-
tungsgerichts hat keinen Erfolg.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung zur Übernahme
von Krankenhauskosten für einen ihm im Verteilungsverfahren zugewiesenen
nepalesischen Asylbewerber, der nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asyl-
antrages sowie eines Folgeantrages zuletzt im Jahre 1996 von ihm Leistungen
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten hatte, bis zu seiner Kranken-
hausbehandlung (19. Juli bis 20. September 1999) unbekannten Aufenthalts
gewesen war und im Mai 2000 nach Nepal abgeschoben worden ist. Er greift
die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zum Vorliegen der örtlichen
Zuständigkeit des Beklagten und Beschwerdeführers nach § 10a Abs. 2 Satz 3
bzw. Satz 1 i.V.m. § 10a Abs. 3 Satz 4 AsylbLG sowie - für einen Teil des
streitgegenständlichen Krankenhausaufenthalts - zum Vorliegen der Voraus-
setzungen einer Eilfallhilfe nach § 121 BSHG an.
Der Senat versteht das Beschwerdevorbringen dahin, dass damit ausschließlich
Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) erhoben werden sollen; soweit
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auch Grundsatz- und Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) beab-
sichtigt sein sollten, fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Darlegung von
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung bzw. der Bezeichnung von Ent-
scheidungen, von denen der angegriffene Beschluss abweicht.
Soweit die Beschwerde als Verfahrensfehler rügt, dass ein Beweisangebot aus
der Berufungserwiderung betreffend das Zeugnis eines Beamten der Auslän-
derbehörde des Oberkreisdirektors G. zu den mit der am 23. März 1996 erteil-
ten befristeten Bescheinigung über die Beantragung einer Duldung verfolgten
Zwecken nicht beachtet worden sei, fehlt die erforderliche Darlegung der Ent-
scheidungserheblichkeit, insbesondere in Hinblick darauf, dass nach dem für
den Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht maßgeblichen Rechtsstand-
punkt der Vorinstanz kraft der gesetzlichen Regelung in § 69 Abs. 2 AuslG eine
Duldung bzw. die Fiktion einer Duldung nicht entstanden sein konnte.
Soweit die Beschwerde geltend macht, es bestehe ein Widerspruch zwischen
dem gerichtlichen Hinweisbeschluss vom 19. August 2005 und dem angefoch-
tenen Beschluss in der Beurteilung des Zweckes der Duldung und die rechtliche
Bewertung der Duldung entspreche auch nicht der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts, wonach auch ein einmaliger Unterbrechungstatbe-
stand die Eintrittspflicht aus der Zuweisung beende, wird damit der Sache nach
eine fehlerhafte Rechtsanwendung geltend gemacht, aber kein Verfahrensfeh-
ler bezeichnet.
Soweit die Beschwerde in Hinblick auf den Aufwendungsersatzanspruch des
§ 121 BSHG geltend macht, eine Nothilfelage im Sinne dieser Bestimmung ha-
be nicht mehr vorgelegen, nachdem der Hilfebedürftige am 5. August 1999 im
Krankenhaus einen Antrag auf Gewährung von Krankenhilfe unterzeichnet ha-
be und das Gericht habe insoweit unzulässigerweise unvollständige Angaben
unterstellt, statt den Sachverhalt von Amts wegen weiter zu erforschen, liegt
dem ersichtlich die - vom Oberverwaltungsgericht nicht geteilte - Rechtsauffas-
sung zugrunde, dass die Nothilfelage bereits vor Kenntniserlangung durch die
zuständige Behörde geendet habe. Da es für den Umfang der gerichtlichen
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Aufklärungspflicht auf die Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts an-
kommt, kann die Verfahrensrüge insoweit nicht zum Erfolg führen.
Auch soweit die Beschwerde geltend macht, die Vorinstanz habe zu Unrecht
den Gesichtspunkt der Verwirkung nicht geprüft, handelt es sich um eine Frage
des materiellen Rechts, nicht aber um einen Verfahrensfehler.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskosten-
freiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
Dr. Säcker Schmidt Dr. Franke
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