Urteil des BVerwG vom 14.07.2011

Bebauungsplan, Vollzug, Aussetzung, Vollziehung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 VR 2.10
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juli 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
beschlossen:
Der Antrag des Antragstellers, den Bebauungsplan Nr. 67
„Kommunale Entlastungsstraße Bensersiel“, Teilpläne I
und II der Antragsgegnerin (als Satzung beschlossen am
20. September 2004) unter Abänderung des Beschlusses
vom 19. April 2010 (BVerwG 4 VR 2.09) im Wege der
einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO vor-
läufig außer Vollzug zu setzen, wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Eilverfahren
auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Antrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO ist nach wie vor unzulässig.
Den ablehnenden Beschluss vom 19. April 2010 hat der Senat alternativ damit
begründet, dass der in der Revisionsinstanz anhängig gemachte Antrag gemäß
§ 47 Abs. 6 VwGO, mit dem der Antragsteller den Bebauungsplan Nr. 67 im
Wege der einstweiligen Anordnung außer Vollzug setzen lassen will, entweder
unstatthaft oder mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig ist. Unstatthaft
(geworden) ist der Antrag, falls der Bebauungsplan Nr. 72, der nach dem Willen
der Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. 67 ersetzen soll, mit der ortsübli-
chen Bekanntmachung am 11. Februar 2010 rechtswirksam in Kraft gesetzt
worden ist. Sollte der neue Bebauungsplan Nr. 72 demgegenüber - wie der An-
tragsteller meint - unwirksam sein, lässt die auf den alten Bebauungsplan Nr. 67
bezogene Nichtvollzugszusage (derzeit) das Rechtsschutzinteresse für den
hiergegen gerichteten Eilantrag entfallen.
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Der Antragsteller wendet hiergegen ein, die Antragsgegnerin habe nach Infor-
mationen, die er inzwischen erhalten habe, entweder nie beabsichtigt oder be-
absichtige jedenfalls nicht mehr, den Bebauungsplan Nr. 72 zu vollziehen; voll-
zogen werde dagegen - weiterhin - der hier streitgegenständliche Bebauungs-
plan Nr. 67. Im Rat der Antragsgegnerin herrsche Einigkeit darüber, dass die im
Bebauungsplan Nr. 72 festgesetzte Lärmschutzanlage nicht gebaut werde. Die
Antragsgegnerin habe daher für die Lärmschutzanlage keine konkreten Ausfüh-
rungspläne erstellen lassen und auch keine finanziellen Mittel in ihrem Haushalt
vorgesehen. Wegen des erreichten Baufortschritts sei die Lärmschutzwand
auch aus bautechnischen Gründen kaum mehr zu realisieren.
Dieser Vortrag liefert keine hinreichenden Indizien für die Annahme, dass die
Antragsgegnerin entgegen ihrer auf den Bebauungsplan Nr. 67 bezogenen
Nichtvollzugszusage, die sie anlässlich des vorliegenden Verfahrens ausdrück-
lich noch einmal bekräftigt hat, tatsächlich doch diesen alten Bebauungsplan
vollzieht. Der Antragsteller behauptet nicht, dass bestimmte durchgeführte Bau-
maßnahmen allein den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 67 entsprechen
würden und deshalb auch nur als dessen Vollzug gesehen werden könnten. Er
moniert vielmehr einen unvollständigen Vollzug der Festsetzungen des Bebau-
ungsplans Nr. 72. Das widerlegt dessen Vollzug im Übrigen nicht. Abgesehen
davon hat die Antragsgegnerin mit dem Vortrag, es könne sich die Prüfung
empfehlen, ob im Hinblick auf die Überführung des bisherigen faktischen Vo-
gelschutzgebiets in ein ausgewiesenes Vogelschutzgebiet und den dadurch
eingetretenen rechtlichen Regimewechsel auf die Errichtung der Lärm- und
Sichtschutzwand verzichtet werden könne, auch ein Motiv für ihr Zuwarten beim
Bau der im Bebauungsplan Nr. 72 festgesetzten Lärm- und Sichtschutzwand
benannt, das sie mit der 1. Änderung dieses Bebauungsplans nunmehr auch
normativ umgesetzt hat.
Anhaltspunkte dafür, dass der Bebauungsplan Nr. 72 - wie der Antragsteller
erneut andeutet - ausschließlich dem Ziel gedient habe, effektiven Rechts-
schutz zu erschweren, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 19. April
2010 nicht zu erkennen vermocht.
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Soweit der Antragsteller geltend macht, er erleide fortlaufend schwere Nachteile
durch den Weiterbau der Straße, ist er insoweit auf die Rechtsschutzmöglich-
keiten zu verweisen, die ihm hinsichtlich desjenigen Bebauungsplans, den die
Antragsgegnerin beim Bau der Straße tatsächlich vollzieht, zur Verfügung ste-
hen. Diese Rechtsschutzmöglichkeiten hat er hinsichtlich des Bebauungsplans
Nr. 72 auch in Anspruch genommen. Mit seinem Antrag gemäß § 47 Abs. 6
VwGO auf Aussetzung der Vollziehung dieses Bebauungsplans ist er beim
Oberverwaltungsgericht unterlegen, das von ihm beantragte Normenkontrollver-
fahren ist dort noch anhängig. An dieser Sachlage würde sich auch nichts än-
dern, wenn der Senat über den Antrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO auf Ausset-
zung der Vollziehung des nicht vollzogenen Bebauungsplans Nr. 67 inhaltlich
entscheiden würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestset-
zung stützt sich auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Prof. Dr. Rubel Dr. Philipp Petz
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