Urteil des BVerwG vom 19.04.2010

Bebauungsplan, Vollzug, Rechtsschutzinteresse, Satzung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 VR 2.09
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. April 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
beschlossen:
Der Antrag des Antragstellers, den Bebauungsplan Nr. 67
„Kommunale Entlastungsstraße Bensersiel“, Teilpläne I
und II der Antragsgegnerin (als Satzung beschlossen am
20. September 2004) im Wege der einstweiligen Anord-
nung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug
zu setzen, wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Eilverfahren
auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Antrag ist unzulässig. Er ist entweder unstatthaft oder mangels Rechts-
schutzinteresses unzulässig.
Wenn eine Gemeinde einen früheren Bebauungsplan durch einen neuen
rechtswirksam ersetzt, verliert der alte Bebauungsplan, auch wenn er nicht
rechtsförmlich aufgehoben wurde, seine frühere rechtliche Wirkung, weil über
§ 10 BauGB der gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtssatz gilt, dass die
spätere Norm die frühere verdrängt (Urteil vom 10. August 1990 - BVerwG
4 C 3.90 - BVerwGE 85, 289); ein gegen den alten Bebauungsplan gerichteter
Antrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO ist dann nicht (mehr) statthaft (vgl. z.B.
Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rn 144 zu § 47). Das
gilt auch dann, wenn sich der formell neue Bebauungsplan inhaltlich nicht oder
nur unwesentlich von dem früheren Bebauungsplan unterscheidet. Der beim
Senat anhängig gemachte Antrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, mit dem der An-
tragsteller den Bebauungsplan Nr. 67 im Wege der einstweiligen Anordnung
außer Vollzug setzen lassen will, wäre deshalb unstatthaft (geworden), falls der
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am 8. Februar 2010 als Satzung beschlossene, am 11. Februar 2010 bekannt
gemachte Bebauungsplan Nr. 72, der nach dem Willen der Antragsgegnerin
den Bebauungsplan Nr. 67 ersetzen soll (Sitzungsvorlage vom 20. November
2009, Bl. 76 d.A.), rechtswirksam wäre.
Solange der Bebauungsplan Nr. 72 weder in einem gegen ihn gerichteten Nor-
menkontrollverfahren für unwirksam erklärt noch gemäß § 47 Abs. 6 VwGO
vorläufig außer Vollzug gesetzt worden ist, fehlt dem Antragsteller für den vor-
liegenden, gegen den Bebauungsplan Nr. 67 gerichteten Antrag das Rechts-
schutzinteresse. Gegenwärtig kann die Entlastungsstraße auf der Grundlage
des Bebauungsplans Nr. 72 gebaut werden; daran würde die vorläufige Außer-
vollzugsetzung des Bebauungsplans Nr. 67 nichts ändern. Die Antragsgegnerin
geht von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 72 aus. Sie hat hinreichend
deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Vollzugsgrundlage allein der neue Be-
bauungsplan Nr. 72 sein soll (siehe z.B. Schriftsätze der Antragsgegnerin vom
27. November 2009, Bl. 75 d.A., und vom 8. Februar 2010, Bl. 146 d.A.). Ge-
genteiliges ergibt sich auch nicht aus dem seitens des Antragstellers in Bezug
genommenen Schreiben der Antragsgegnerin vom 15. Februar 2010 (Bl. 153
d.A.), wo zum Ausdruck gebracht ist, dass „der Bebauungsplan Nr. 67 nach
dem erklärten Willen des Rates (der Antragsgegnerin) weiterhin“ gelte, falls sich
der Bebauungsplan Nr. 72 als unwirksam erweisen sollte. Es ist auch nichts
dafür ersichtlich, dass die Vorgehensweise der Antragsgegnerin - wie der
Antragsteller behauptet - allein durch das Ziel motiviert sei, effektiven Rechts-
schutz des Antragstellers zu unterlaufen. Die Antragsgegnerin wollte mit der
Aufstellung des Bebauungsplan Nr. 72 ersichtlich rechtlichen Bedenken gegen
den Bebauungsplan Nr. 67 Rechnung tragen. Das ist ein legitimes, rechtlich
nicht zu missbilligendes Ziel. Das Rechtsschutzinteresse für den vorliegenden
Eilantrag lässt sich auch nicht mit in der Vergangenheit liegenden Vollzugs-
maßnahmen wie etwa einer auf der Grundlage des Bebauungsplans Nr. 67 er-
folgten Besitzeinweisung begründen.
Dem Antragsteller muss schließlich auch nicht vorsorglich für den Fall, dass die
gegen den Bebauungsplan Nr. 72 gerichteten Anträge Erfolg haben, vorläufiger
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Rechtsschutz gewährt werden. In diesem Fall ist ihm zuzumuten, erneut einen
Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen den Bebauungsplan Nr. 67 zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestset-
zung stützt sich auf § 52 Abs. 1 und 7, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Philipp
Petz
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