Urteil des BVerwG vom 09.03.2005

Beiladung, Flughafen, Start, Widerruf

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 VR 1022.04 (4 A 1062.04)
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. März 2005
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a , Prof. Dr. R o j a h n
und G a t z
beschlossen:
Die Beiladung des Herrn Rolf-Roland B., …, …, und weiterer
Antragsteller - Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Karsten
S., …, … - wird abgelehnt.
G r ü n d e :
Die Antragsteller machen selbst nicht geltend, dass ein Fall notwendiger Beiladung
im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO vorliege. Auch die Voraussetzungen einer einfachen
Beiladung auf der Grundlage des § 65 Abs. 1 VwGO sind nicht erfüllt.
Der Zweck der Beiladung ist es, Dritte, die nicht zum Kreis der Hauptbeteiligten ge-
hören, deren rechtliche Interessen aber durch die gerichtliche Entscheidung unmit-
telbar berührt werden können, am Verfahren zu beteiligen, damit sie die Möglichkeit
erhalten, sich mit ihrem Rechtsstandpunkt Gehör zu verschaffen. Ferner soll da-
durch, dass die Rechtskraftwirkungen der Entscheidung auch ihnen gegenüber ein-
treten, aus Gründen der Prozessökonomie etwaigen weiteren Rechtsstreitigkeiten
vorgebeugt werden. Ein rechtliches Interesse, das eine Beiladung zu rechtfertigen
geeignet sein kann, ist gegeben, wenn der Beizuladende zu einer der Parteien oder
zu beiden oder zum Streitgegenstand so in Beziehung steht, dass sich je nach dem
Ausgang des Rechtsstreits seine Rechtsposition verbessern oder verschlechtern
kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juni 1995 - BVerwG 8 B 68.95 - Buchholz
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310 § 65 VwGO Nr. 119 und vom 19. November 1998 - BVerwG 11 A 50.97 -
NVwZ-RR 1999, 276). An diesem Merkmal fehlt es hier. Die Entscheidung über den
Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflugha-
fens Berlin-Schönefeld wirkt sich als solche für die Antragsteller rechtlich weder vor-
teilhaft noch nachteilig aus.
Die Antragsteller wohnen weitab vom Standort Schönefeld im Umland des Flugha-
fens Berlin-Tegel. Sie machen selbst nicht geltend, dass der Planfeststellungsbe-
schluss vom 13. August 2004 für sie Belastungen mit sich bringt. Beeinträchtigt wer-
den sie vielmehr durch den Flugbetrieb, der auf dem Flughafen Berlin-Tegel stattfin-
det. Der Wegfall oder der Fortbestand der von ihnen beklagten Lärmbelästigungen
steht indes in keinem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit der Bestätigung
oder der Aufhebung des zum Ausbau des Flughafens Schönefeld ergangenen Plan-
feststellungsbeschlusses, der den Gegenstand der Verfahren bildet, zu denen sie
ihre Beiladung begehren. Die Wirksamkeit dieses Planfeststellungsbeschlusses
hängt nicht zwangsläufig vom weiteren rechtlichen Schicksal des Flughafens Berlin-
Tegel ab. Das Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Branden-
burg geht zwar davon aus, dass dieser Flughafen geschlossen wird, sobald der aus-
gebaute Flughafen Berlin-Schönefeld dem Flugbetrieb zur Verfügung steht. Es sieht
indes davon ab, beide Vorgänge unmittelbar aufeinander abzustimmen oder gar in
Form eines rechtlichen Automatismus miteinander zu verbinden. Vielmehr bringt es
zum Ausdruck, an seinem Planungskonzept selbst dann festhalten zu wollen, wenn
das Vorhaben, den Flughafen Berlin-Tegel zu schließen, aus welchen Gründen im-
mer, auf Schwierigkeiten stoßen oder im äußersten Falle auch scheitern sollte (PFB
S. 337). Die von den Antragstellern herausgestrichene rechtliche Verknüpfung zwi-
schen den beiden Maßnahmen ist nicht eine Folge von Regelungen, die das Ministe-
rium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg im Planfeststel-
lungsbeschluss vom 13. August 2004 getroffen hat. Sie beruht vielmehr ausschließ-
lich auf Maßgaben der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Bescheid
vom 29. Juli 2004 über den Widerruf der Betriebsgenehmigung für den Flughafen
Berlin-Tegel. Danach wird der Widerruf "mit Ablauf von sechs Monaten wirksam,
nachdem die Verlängerung der künftigen Start- und Landebahn 07L/25 R (Nord- und
heutigen Südbahn) auf 3 600 m Länge und der Neubau der künftigen Start- und
Landebahn 07R/25 L (Südbahn) des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld (SXF) mit
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einer Länge von mindestens 4 000 m funktionsfähig in Betrieb genommen worden
ist". Hierdurch wird den Lärmschutzinteressen der Anwohner des Flughafens Berlin-
Tegel Rechnung getragen. Der Rechtsstreit über den Planfeststellungsbeschluss
zum Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld bietet keine geeignete Grundlage
dafür, als zusätzliche Plattform für diese Interessenwahrnehmung dienstbar gemacht
zu werden.
Ohne Erfolg heben die Antragsteller darauf ab, dass ihre Beiladung keine unabseh-
baren Weiterungen befürchten lasse. Ihr 16 Personen umfassender Kreis mag für
sich genommen überschaubar genug sein, um zu verhindern, dass sich die ohnehin
schon hohe Zahl an Verfahrensbeteiligten spürbar erhöht. Was ihnen gewährt würde,
könnte anderen Anwohnern des Flughafens Berlin-Tegel indes schwerlich verwehrt
werden. Auch die Ankündigung, nur zur grundsätzlichen Zulässigkeit des Ausbaus
des Flughafens Berlin-Schönefeld Stellung nehmen zu wollen, Einzelheiten der
Ausgestaltung des Vorhabens dagegen unerörtert zu lassen, hat bei der Beurteilung
der Beiladungsvoraussetzungen außer Betracht zu bleiben. Eine auf bestimmte
Streitpunkte beschränkte Beiladung ist unzulässig. Wird ein Dritter beigeladen, so
kann er nicht daran gehindert werden, sich zu allen aus seiner Sicht relevanten
Rechtsfragen zu äußern.
Halama Prof. Dr. Rojahn Gatz